Zurück auf Erfolgskurs

Seit 1. April 2005 ist Peter Bieri Geschäftsführer der SAQ. Wie der Verband feiert auch er ein Jubiläum. Von Beginn weg gelang es ihm, die Organisation aus einer schwierigen Situation zu führen. Im MQInterview zeigt er auch die Zukunftsperspektiven auf.

Zurück auf Erfolgskurs

 

 

 

Als Sie den Verband vor zehn Jahren übernahmen, stand der vor einem Scherbenhaufen …

Von den Problemen, die der Verband gehabt hat, wurde ich zum Teil überrascht. Zwar hatte mich der damalige Präsident Sami Holzach informiert. Aber das ganze Ausmass habe ich erst später wahrgenommen.

 

Um welche Probleme ging es da?

Es waren vor allem deren zwei: Erstens war die Daseinsberechtigung des Verbandes stark in Frage gestellt, weil seine Kernkompetenz, die Schulung, ausgelagert worden war. Damit war ein wichtiger und grosser Teil des Verbands weggebrochen. Ich hatte das Gefühl, er muss sich fast neu erfinden.

 

Was nur über neue Einnahmequellen ging?

Ja, das zweite Problem lag beim Finanziellen. Die Jahre 2003 bis 2005 waren sehr verlustreiche Jahre. Da hat der Verband jedes Jahr deutlich über 100 000 Franken verloren. Und die Reserven waren auch schmal. Also alles andere als eine einfache Situation.

 

Personen zertifizieren – ein Renner

 

Wie sind Sie vorgegangen?

Zunächst galt es, die Existenzgrundlage in die Hand zu nehmen. Der Verband verfügt über vier Geschäftsfelder: die Verbandsarbeit im eigentlichen Sinn, Business Excellence, Personenzertifizierung und die Beteiligung an den Tochtergesellschaften, der ARIAQ SA in der französischen Schweiz und der SAQ-QUALICON AG. Diese Geschäftsfelder habe ich genau analysiert. Und dann zusammen mit dem Vorstand diskutiert, wo der Hebel anzusetzen ist.

 

Zu welcher Lösung kamen Sie da? Ich habe relativ schnell gesehen, dass das grösste Potenzial sicherlich bei der Personenzertifizierung liegt. Die liesse sich am einfachsten und schnellsten ausbauen. Liegen solche persönlichen Leistungsnachweise im Trend?

Unbedingt! Mit einer Zertifizierung belegen Fachkräfte die Qualität ihrer fachlichen Kompetenzen, was für ihren Berufsweg entscheidend ist.

 

Personenzertifizierungen machen theoretisches Wissen, aber auch praktische Fertigkeiten sichtbar, transparent und international vergleichbar.

 

Und die SAQ profiliert sich dabei als Zertifizierungsstelle?

Ja, wir zertifizieren mit unseren Partnern in der Ausbildung immer mehr Personen in verschiedenen Bereichen. Als ich anfing, konzentrierte sich die Personenzertifizierung auf das Qualitätsmanagement. Dann kamen die IT-Zertifizierung und die Arbeitssicherheit hinzu. Das zog mit der Zeit an, wurde eine sehr erfolgreiche Geschichte.

 

Das spricht für eine grosse Marktnachfrage …

Und die konnten wir abdecken. Als wir den Pick bei den Software- Testern erreicht hatten, sind wir genauso erfolgreich in das Zertifikat zum Requirements-Engineer eingestiegen. Parallel dazu kam die Zertifizierung von Hermes- Spezialisten – das ist eine Führungsmethode für IT-Projekte beim Bund, da haben wir auch sehr erfolgreich Zertifizierungen gestartet.

 

Unterm Strich also ein lukratives Geschäftsfeld?

Wir haben einfach auf die richtige Karte gesetzt. Und wir hatten ein bisschen Glück, dass der Markt sich da gerade aufgetan hat und einige genau darauf gewartet haben, dass wir mit unseren Angeboten kommen.

 

Worauf beruht dieser Nachholbedarf?

Unsere Personenzertifizierungen passen zur Globalisierung. Sie sind weltumspannend, beruhen auf anerkannten Kriterien nach ISO/IEC 17024. Wir von der SAQ bilden nicht aus, aber wir nehmen am Schluss die Prüfungen ab. Die Zertifizierungen sind eingebettet in ein internationales  System, deshalb gibt es eine grosse Akzeptanz im Markt.

 

Wo bestand bei Ihrem Amtsantritt noch Handlungsbedarf?

Vorrang hatte das Stopfen der Löcher. Also waren Kosteneinsparungen angesagt. Am wichtigsten war die Anschaffung eines neuen IT-Tools. Als ich antrat, gab es zwei voneinander völlig losgelöste Tools. Deren Funktionen wurden jetzt vereint. Und wir machten die Buchhaltung wieder selber intern. Vorher war das alles ausgelagert. Also das Beste war: Umsatzsteigerung durch die Personenzertifizierung und parallel dazu bei den Unkosten sparen. 2006, also ein Jahr, nachdem ich begonnen hatte, schrieben wir wieder schwarze Zahlen. Seitdem sind wir ohne Unterbruch bis 2014 in der Gewinnzone.

 

Demnach ist der Verband wieder erfolgreich unterwegs?

Ja, nicht nur mit der Personenzertifizierung, auch Business Excellence konnten wir ausbauen; das läuft jetzt besser als früher.

 

Demnach lief Business Excellence eher schlecht?

Da haben wir den Markt bearbeitet, aber insgesamt ist das eine Nische und die wird es auch bleiben. Mit Business Excellence wird man nie die Marktbreite erreichen wie mit der Personenzertifizierung. Also: klein, aber fein.

 

Sie sehen Business Excellence primär als Geschäft?

Jein. Wir gehen davon aus, dass heute viele Organisationen die Kriterien des EFQM-Excellence- Modells anwenden und umsetzen. Viele machen es, aber ohne Leistungsausweis oder externe Anerkennung. Da gibt es eine grosse Dunkelziffer.

 

Die SAQ bleibt da mit ihren Angeboten aussen vor?

Natürlich bestellen Unternehmen unsere Broschüren zum EFQM-Modell. Aber nicht alle wollen an den Stufen der Excellence oder am ESPRIX und europäischen Award teilnehmen. Sie sagen, wir machen das für uns selber, wir wollen uns nicht auf dieser Plattform präsentieren.

 

Woher kommt diese Zurückhaltung?

Das liegt an den Anforderungen, die doch ziemlich hoch sind, was für kleinere KMUs zum Problem wird. Das übersteigt die Kapazitäten und vorhandenen Ressourcen. Wenn KMUs das machen wollen, brauchen sie häufig externe Unterstützung, Begleitung und Beratung, und das wird dann sofort sehr teuer. Und: Viele Unternehmen sind verpflichtet, ihr Managementsystem nach bestimmten Normen wie der ISO 9001 auszurichten, und sehen die Anschlussfähigkeit und den Mehrwert des EFQM-Modells nicht.

 

Trotzdem wagen immer mehr den Einstieg …

Ja, besonders in den letzten drei bis vier Jahren. Viele Unternehmen müssen einen effizienten Umgang mit Ressourcen nachweisen. Da bietet das Modell Unterstützung. Und wir haben es geschafft, die Produkte marktfähiger zu machen. Wir kommen primär bei denen zum Zug, die sagen, ja, wir wollen die offizielle Ausbildung machen. Zum Beispiel die Einführung in das EFQM-Modell bei unseren Tochtergesellschaften oder anderen Partnern wie der Hochschule Luzern. Wenn sie dann mit Erfolg die ersten Schritte gemacht haben, bekommen sie von uns die EFQM-Auszeichnung, das gilt dann auch für die weiter- en Excellence-Stufen. Dennoch bleibt der Pyramideneffekt: Nach oben hin wirds schmaler.

 

Hilft der Verband mit Beratungen?

Nein. Aber wir schauen sehr genau die Berichte an und zeigen Verbesserungspotenziale auf, welche die Unternehmen wettbewerbsfähiger machen sollen. Wenn eine Firma sich da reinkniet, soll es auch wirklich etwas bringen.

 

Das ist dann Sache der Experten bei der SAQ?

Mit SwissBex haben wir dafür eine kompetente Organisation bei uns aufgebaut. Ein Kernteam mit Validatoren und Assessoren leistet da engagierte Arbeit. Subsumiert sind zwei Fachgruppen: HENS für das Gesundheitswesen und TEN für den Tourismus. Die widmen sich voll Business Excellence. Auch ein Grund für das stetige Wachstum in diesem Bereich.

 

Was ist für Sie ein SAQMitglied, ein Beitragszahler oder ein bisschen mehr?

Na (lacht), das erste wäre wohl etwas wenig, aber natürlich, wer einen Beitrag zahlt, erwartet auch eine Gegenleistung.

 

Das betrifft vor allem Qualitätsmanager?

Ja, aber Funktion und Bild des Qualitätsmanagers haben sich gegenüber früher stark verändert. Bei grösseren Firmen ist das noch oft ein Fulltime-Job mit Stabsfunktion, aber in den KMUs immer weniger.

 

Und was ist die Regel?

Das Qualitätsmanagement ist direkt an die Front, in die Linie delegiert worden. Heute ist jeder für die Qualität seiner Arbeit verantwortlich. Trotzdem muss jemand übergeordnet die Verantwortung tragen, das schreibt schon die ISO-Norm vor. Die liegt bei einem Mitglied der Geschäftsleitung, aber neben dem Qualitäts-management haben die Betroffenen noch viele andere Aufgaben.

 

Und wie kann der Verband ihnen helfen?

Es gilt ja immer noch unverändert, dass der Verantwortliche für das Qualitätsmanagement keinen leichten Stand hat. Als Einzelkämpfer in der Firma kann er sich fachlich intern nicht sehr stark austauschen. Und da sehe ich es als Aufgabe des Verbands, denen eine Heimat zu geben, wo sie unter ihresgleichen Kontakte zum Gedankenaustausch pflegen können, vor allem in den Sektionen. Das ist die eine Funktion des Verbands. Die andere ist, sie mit Neuerungen vertraut zu machen, sodass sie sich nicht selbst im Markt schlau machen müssen. Wir liefern frühzeitig Infos über neue Trends, zum Beispiel über die Änderungen der ISO 9001 und 14001, die ja jetzt im Herbst kommen, mit Checklisten und anderen Hilfen. Die Sektionsveranstaltungen dazu waren alle sehr gut besucht.

 

Lange fühlten sich die Sektionen vom Verband vernachlässigt …

Das ist sicher besser geworden; der Kontakt zwischen der Geschäftsstelle und den Sektionen ist auch auf der persönlichen Ebene viel intensiver als früher.

 

Ohne Sektionen verliert der Verband seine «Seele»?

Genau! Die elf Sektionen sind alle im Milizsystem organisiert. Natürlich sind die Ressourcen limitiert. Sektionsvorstände im Milizsystem kann man nur in Grenzen belasten, die haben ja noch ihren Job und ihre Familie. Deshalb ist es unsere Aufgabe, sie von organisatorischen und administrativen Aufgaben möglichst zu entlasten, damit sie sich voll auf ihre Veranstaltungen konzentrieren können.

 

Wie viele Veranstaltungen sind das im Schnitt?

Das ist von Sektion zu Sektion unterschiedlich, im Schnitt drei bis acht pro Jahr. Tendenziell nehmen die Veranstaltungen zu. Themen und Referenten sind Sache der Sektionen. Wir in der Geschäftsstelle machen die gesamte Administration, also Mitgliederverwaltung, Mutationen, Programme drucken, Einladungen versenden, nehmen die Anmeldungen entgegen. Und wir sorgen für den Info-Austausch zwischen den Sektionen und die Berichterstattung.

 

Das tönt nach einem eingespielten Verhältnis …

Was sehr erfreulich ist, wenn man die Sektionsvorstände anschaut, ist: Wir haben Vorstände, die das über Jahre bis Jahrzehnte machen. Da herrscht eine grosse Konstanz. Das gilt im Übrigen auch für unsere beiden Fachgruppen Medizinprodukte und Informatik. Beide arbeiten als Milizorganisationen sehr aktiv.

 

Insgesamt also eine relativ stabile Struktur …

Ja. Die grosse Zäsur hatte es mit der Auslagerung der Schulung gegeben. Das war damals ein ganz tiefer Einschnitt.

 

Aber jetzt gehört ja die Schulung wieder zum Verband.

Korrekt. Als ich angefangen habe, hatte die SAQ bei der ARIAQ eine Beteiligung von 51 Prozent und bei SAQ-QUALICON von 50 Prozent. Heute gehört ARIAQ wieder zu 100 Prozent der SAQ. Bei der SAQ-QUALICON haben wir bis auf 5 Prozent die Aktien übernommen. Und den Rest werden wir 2016 kaufen, dann ist die Gesellschaft wieder voll im Besitz der SAQ.

 

Die Wiederauferstehung der alten starken SAQ?

In anderer Form. Die beiden Organisationen in Yverdon und Olten agieren weiter als selbständige juristische Einheiten. Natürlich könnten wir sie wieder voll in die SAQ integrieren, das hätte finanzielle und steuerliche Vorteile, das liegt auf der Hand.

 

Und was hält Sie davon ab?

Der grosse Nachteil ist: Schulung und Personenzertifizierung unter einem Dach geht nicht. Beides muss ganz sauber getrennt werden. So schreibt es die Schweizerische Akkreditierungsstelle vor: Wer ausbildet, darf nicht prüfen, und wer prüft, darf nicht ausbilden. Wir müssten also unser Paradepferd, die Personenzertifizierung, auslagern. Deshalb ist das für mich kein Thema.

 

Wo liegen die grössten Herausforderungen für den Verband?

Rückblickend auf die letzten zehn Jahre ist die SAQ sehr aktiv, sie ist im Aufwärtstrend. Also: Den Verband braucht es auch in Zukunft. Aber klar, es gibt Herausforderungen. Die grösste ist, das Milizsystem für die Zukunft sicherzustellen. Damit haben alle Verbände zu kämpfen: Genügend Leute zu finden, die sich auf freiwilliger Basis für eine gute Sache engagieren wollen. Denn die regionalen Aktivitäten zum Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern, auch um Geselligkeit und Kameradschaft zu pflegen, bleiben für uns enorm wichtig.

 

Was sind die weiteren Zukunftsaufgaben?

Die zweite Herausforderung sehe ich im Umgang mit der Tatsache, dass Qualitätsmanager keinen Fulltime-Job mehr haben. Das ist noch eine Funktion neben anderen. Da ein Grossteil der Unternehmen ISO-zertifiziert ist, gehe ich davon aus, dass die Nachfrage nach Dienstleistungen durch die SAQ bleiben wird. Das wollen wir forcieren.

 

Und bei der Personenzertifizierung?

Hier liegt die Aufgabe darin, sich ständig neu im Markt zu platzieren. Das jüngste Projekt ist der «Kundenberater Bank». Das Zertifikat kann zur Visitenkarte für die Banken werden. Wir haben es zusammen mit der UBS und orientiert an der ISO 17024 entwickelt.

 

Steuert die SAQ in neue Bereiche vor?

Gemeinsam mit dem Vorstand sind wir dabei, das auszuloten. Ein eigenes Geschäftsfeld könnte das Gesundheitswesen werden. Mit attraktiven Dienstleistungen können wir in diesem stark wachsenden Markt erfolgreich sein.

 

Beim Schweizer Qualitätspreis ESPRIX geben jetzt andere den Ton an …

Das stimmt, wir haben kein Monopol mehr, am Markt haben wir jetzt Mitbewerber, sind jedoch nach wie vor wichtiges Etappenziel für Organisationen auf dem Weg zum nationalen Preis. Wir bekennen uns zur Marktwirtschaft, also können wir damit leben, gut mit der Situation umgehen.

 

Die SAQ organisiert jetzt gemeinsam mit der SQS den «Tag der Schweizer Qualität».

Darüber sind wir sehr glücklich. Lange Zeit war das Verhältnis zur SQS – gelinde gesagt – distanziert. Jetzt pflegen wir wieder eine gute Partnerschaft. Die SQS beschäftigt sich mit den Managementsystemen, und wir mit unseren Tochtergesellschaften bilden die Leute aus, qualifizieren sie für die Umsetzung. Dieser Effort der letzten beiden Jahre hat sich bewährt.

 

Zum Schluss: Sie sehen optimistisch in die Zukunft?

Absolut! Was die Zukunftsperspektive der SAQ anbelangt: Wir sind dabei, sehr viel aufzubauen, was ja auch mit Investitionen verbunden ist. Und denken Sie an «Swissness». Der Stellenwert der Qualität nimmt zu, gerade im Zusammenhang mit dem starken Schweizer Franken. Auch darin sehe ich eine Herausforderung für den Verband.

 

 

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