Zufriedenheitskontrolle nach Reklamationsabwicklung
Zertifizierte Betriebe befassen sich mit einer professionellen Zufriedenheitskontrolle. Nur eine systematische Umfrage kann zum aussagefähigen Indikator für Kundenzufriedenheit werden. Kritik über die Reklamationsabwicklung liefert dem Lieferanten Informationen zu Verbesserungen und erhöht so seine Wettbewerbsfähigkeit.
Meldet sich der Kunde nach Erledigung einer Reklamation nicht, nimmt der Lieferant an, dass alles im grünen Bereich ist. Oft bleibt noch ein Rest an Unzufriedenheit übrig, dem Kunden ist es zu aufwendig, sich deswegen nochmal zu äussern, und der Lieferant ist froh, sich mit dem leidigen Thema Reklamationen nicht weiter beschäftigen zu müssen. Wer auf Rückmeldung des Kunden verzichtet, ist über den Zufriedenheitsgrad nicht informiert. «Customers Voice», die Stimme des Kunden, zählt, nicht die Vermutung des Lieferanten.
Der «kostenlose Qualitätsbeauftragte»
Relevante Daten über die Meinung der Kunden erhält man nicht durch die geschlossene und allgemeine Frage «Sind Sie nun zufrieden?» Feedback besteht aus offenen Fragen, die sich auf Details der Reklamationsabwicklung beziehen. B-to-B-Kunden nehmen Zufriedenheitsabfragen grundsätzlich positiv wahr, zeigt es ihnen doch den perfekten After-Sales- Service des Lieferanten.
Bei der Zufriedenheitsabfrage muss intern mit Widerstand der eigenen Mitarbeiter gerechnet werden. Sie meinen, das sei eine Kontroll-Aktion hinter ihrem Rücken. Auch der Kunde hat das Gefühl, dass der Lieferant sein Team kontrolliert, vor allem bei geringwertiger Auftragsgrösse. Wenn die Geschäftsführung dem Personal die Vorteile der systematischen Zufriedenheitsabfrage überzeugend erklärt und in den Entwurf des Fragebogens einbindet, verringert sich der Widerstand. Durch Umfragen vermeidet man die subjektive Eigeneinschätzung, es werden Fehler transparent und können vermieden werden. Auch wenn die Beurteilung eine Momentaufnahme ist, können Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Lieferanten und die Wahrnehmung durch den Kunden gezogen werden. Ein Kunde, der sich kritisch äussert, ist ein «kostenloser Qualitätsbeauftragter » für den Lieferanten.
Bei Erstaufträgen oder besonders wichtigen Kunden macht die Zufriedenheitsabfrage Sinn, nicht bei kleineren Aufträgen. Die Beurteilung durch den Kunden soll sich nicht auf einen Mitarbeiter beziehen, sondern auf die Abteilung oder die Gesamtleistung des Betriebs.
Skepsis bei Kundenbefragungen
Allerdings ist auch Skepsis angebracht: Nur wenige Kunden bearbeiten den Fragebogen, die Response Quote liegt im einstelligen Bereich. Die Sensibilität der Kunden über den Missbrauch seiner Daten ist gross. Allein die Vermutung, dass ein externes Callcenter hinter der Befragung steckt, führt zu Misstrauen, dass Daten weiter gegebenwerden. Der Lieferant befürchtet, dass er die hohen Ansprüche seiner Kundschaft nicht immer erfüllen kann, zumal auch der Vorlieferant oder Dienstleister der Verursacher einer Reklamation ist und man keinen Einfluss auf ihn hat. Wie soll man in dieser Situation auf kritische Kundenbewertungen reagieren?
Die Geschäftsbedingungen als Standards des Lieferanten weichen von den Kundenerwartungen ab und können einzelnen Meinungen nicht angepasst werden. Bei Kundenverschulden und unberechtigten Reklamationen können kritische Bemerkungen im Fragebogen nicht umgesetzt werden. Der Kunde kreuzt je nach Laune spontan an und macht sich über die Folgen seiner Bewertung wenig Gedanken.
Andererseits haben Kundenumfragen mehr Vorteile als Nachteile: Der Kunde schätzt es, dass man auf seine Meinung Wert legt, er fühlt sich ernst genommen. Wer mit der eigenen Umfrage die Initiative ergreift, verhindert, dass die unzufriedenen Kunden das Unternehmen online an den Pranger stellen. Die Briefform mit Rückantwort-Couvert ist nicht mehr aktuell, Abfragen erfolgen meist online, wobei Anonymität nicht möglich ist. Bei wichtigen Kunden, die den zugeschickten Fragebogen nicht zurückschicken, wirkt es allerdings aufdringlich, wenn man die Rücksendung schriftlich anmahnt. Ein Anruf wirkt weniger offiziell.
Der Fragebogen
Die Fragen sollten in einer der Zielgruppe angemessenen Sprache formuliert sein. Sie müssen eindeutig sein, das heisst, jede Frage darf nur einen Aspekt ermitteln (Vorsicht bei «und»- oder «oder»-Verknüpfungen!). Sie sollten möglichst wenig Interpretationsspielraum lassen und konkret formuliert sein. Bei der Skalierung hat sich das 5-stufige System bewährt. Der höchste Wert steht immer ganz links. Eine Variante sind Textangaben «sehr gut», «gut», zufriedenstellend», «ausreichend » und «mangelhaft». Aber auch der Erfüllungsgrad in Prozentzahlen ist möglich: 100, 75, 50, 25, 0 Prozent. Bei der Reihenfolge der Fragen sollten die leichteren Fragen zuerst gestellt werden. Stehen bereits am Anfang schwierig zu beantwortende Fragen, muss der Kunde nachdenken, es wird ihm zu kompliziert und er wird abbrechen. Man kann in den Fragebogen noch eine Gewichtung installieren. Dabei bittet man den Kunden, die drei wichtigsten Themenfelder im Fragebogen mit einem Ausrufezeichen zu versehen.
Der Fragebogen wird spätestens 10 Arbeitstage nach Reklamationserledigung gemailt. Die handschriftlichen Bemerkungen des Kunden sind besonders zu beachten, auch wenn sie statistisch schwer auswertbar sind.
Fragebögen, die eine Bearbeitungszeit von 20 Minuten erfordern, werden vom Kunden nicht bearbeitet. Ideal sind daher nur maximal 10 Fragen, die in etwa fünf Minuten beantwortet werden können. Kunden, die den Fragebogen nicht zurückschicken, werden angerufen. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Kunde sympathischen Mitarbeitern Gefälligkeitsantworten gibt und schlechte Umfrageergebnisse vom Lieferanten entsorgt werden. Deshalb werden bei telefonischen Umfragen externe Unternehmen beauftragt.
Bei negativer Response des Kunden darf man keine Verteidigungshaltung einnehmen, nicht nach Rechtfertigung suchen oder den Fragebogen entsorgen. Eine berechtigte Kundenkritik ist für den Betrieb eine aktuelle Standortbestimmung und eine Chance, etwas zu verbessern. Wenn Kritik zu keiner Verbesserung führt, irritiert man die Kunden. Deshalb verpflichtet die Zufriedenheitsabfrage zu Änderungen.
Mögliche Beobachtungsfehler
Die Reklamationsabwicklung zu bewerten ist für den Kunden ein Prozess der Wahrnehmung und verlangt gute Urteilsfähigkeit und Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Lieferanten. Verschiedene Fehler sind typisch: Vom «Überstrahlungseffekt » spricht man, wenn der Kunde von einer auffälligen Frage im Formular auf die gesamte Bewertung schliesst. Eine extreme Bewertung überstrahlt alle anderen Wahrnehmungen. Der «Aktualitätseffekt» bedeutet, dass der letzte Kontakt bei der Abwicklung den Gesamteindruck übermässig prägt und die Noten aller Fragen beeinflusst. «Sympathieeffekt» heisst, dass sympathische Mitarbeiter des Lieferanten zu einer positiven Beurteilung führen, an weniger sympathische werden dagegen höhere Erwartungen gestellt. Wenn die Position des Beurteilers mit der des Beurteilten übereinstimmt, werden Wahrnehmungen beschönigt und die Bewertung tendenziell besser. Man bezeichnet das als den «Hierarchie- Effekt». Der nachsichtige Kunde schaut schon mal grosszügig über Fehler hinweg.