Zertifizierungsmarkt boomt

In der NZZ vom 27. Juni wurde der Zertifizierungsmarkt thematisiert. Im Zentrum dabei standen die beiden Marktführer SQS (mit dem Akzent auf Qualität und Managementsystemen) und SGS (mit dem Akzent auf Warenprüfung). Der Sektor hat viel zu tun, vor allem wegen der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft. Wie erfährt der Schweizer BranchenLeader SQS diese Entwicklung? Wir haben bei CEO Roland Glauser nachgefragt.

Zertifizierungsmarkt boomt

 

 

 

Herr Glauser, die NZZ hat den Branchenbericht unter den Titel «Ticket für den Weltmarkt» gestellt. Ist das der entscheidende Treiber im Zertifizierungsmarkt?

 

Immer mehr, aber bei Weitem nicht ausschliesslich, wie die Praxis zeigt. Denn für viele Organisationen ist der ganze Zertifizierungsprozess auch das Ticket für eigene Effizienz und Effektivität, weil die ständige Verbesserung wirkungsvoll unterstützt wird.

Die Branche boomt?

 

Ja, die Nachfrage ist ungebrochen. In unserer komplexen Welt mit gesteigerten Sicherheits-, Qualitätsund Nachhaltigkeitsbedürfnissen ist es naheliegend, dass Zertifikate und Konformitätsnachweise in allen Wirtschaftsbereichen im Aufwind sind.

SQS ist international ausgerichtet. Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Zertifikaten in anderen Ländern im Vergleich zur Schweiz?

 

Die Dynamik der Nachfrageentwicklung ist einerseits eine Resultante der Situation in den entsprechenden Märkten, aber auch der besonderen Anforderungen in gewissen Branchen und Sektoren (Bau, Umwelt, Energie, Sicherheit, Logistik, Medtech, Gesundheit u.a.m.). Märkte, Branchen und

 

LebhafterMarkt

 

Sektoren geben also den SQSKunden bezüglich Zertifizierung den Takt vor. Auf der andern Seite entsteht ein zusätzlicher Antrieb durch die Kunden der SQS-Kunden: Je ausgeprägter deren Qualitätsbewusstsein und das Nachhaltigkeitsdenken verankert sind, desto eher machen sie ihre Auftragsvergabe vom Vorliegen eines Zertifikats abhängig. Ein passendes Beispiel für diesen Trend ist der Umstand, dass Investoren im Immobilienbereich ihre Objekte zunehmend über die ganze Nutzungsdauer betrachten.

Und wo sind Ihre Kunden zu finden?

 

72 Prozent der SQS-Kunden haben ihren Sitz in der Schweiz, 8,3 Prozent in Frankreich, 4 Prozent in Deutschland, 12,3 Prozent in Italien, 1,4 Prozent im Fürstentum Liechtenstein und 6,6 Prozent im übrigen Ausland. Bis Ende 2012 hat die SQS bisher über 16200 Zertifikate ausgestellt, 4400 davon im Ausland.

Zahlreiche bedeutende Konzerne sind Bestandteil Ihres KundenPortefeuilles. Wie steht es mit den Klein- und Mittelunternehmen?

Wir sind stolz, renommierte und gut positionierte SMI- und SPIFirmen mit internationaler Ausrichtung zertifizieren zu dürfen. Einige davon betreuen wir sogar weltweit. Der Hauptanteil unserer Kunden, nämlich rund 96 Prozent, befindet sich aber in Betriebsgrössen unter 500 Mitarbeitenden. Und, was erstaunen mag, kleine Organisationen mit weniger als 30 Mitarbeitenden machen rund 55 Prozent aus. Die grossen Betriebe haben folglich einen Anteil von rund 4 Prozent

Gibt es eine Tendenz, dass sich immer mehr KMU zertifizieren lassen wollen, respektive sich zertifizieren lassen müssen?

 

Man muss da differenzieren. Von aussen betrachtet, ist der Bedarf nach Zertifizierungsleistungen – abgesehen vom Bedarf nach kontinuierlicher Verbesserung der eigenen Managementsysteme und Leistungen generell nicht eine Frage der Betriebsgrösse, sondern des Marktes, in dem sich eine Organisation bewegt. Betreten KMU solche Märkte, müssen sie sich den Zugang mit den verlangten Zertifikaten ermöglichen. Es sind sozusagen die erforderlichen «Tickets» zum Markteintritt. Weil sich KMU zunehmend der Globalisierung stellen, resultiert aus dieser Entwicklung in der Tat vermehrte Nachfrage.

Sie betonen die Aussensicht, den Markt als Impulsgeber für eine Zertifizierung. Sind noch weitere Motive zu nennen?

 

Ja, die gibt es in der Tat. Ein zweiter Nachfrageimpuls stammt nämlich aus der «Innensicht» der KMU. Nicht externe Faktoren, sondern innerbetriebliche Überlegungen geben hier den Impuls zur Zertifizierung. Das hat zu tun mit der steten Verbesserung des Ausbildungsniveaus der Unternehmerschaft, was in den letzten Jahren eine spürbare Professionalisierung in der Betriebsführung zur Folge hatte. Das kontinuierliche Ausloten von Innovationschancen und von Verbesserungen, das Austarieren von Effizienz und Effektivität gehören in dieser «Liga» somit fast selbstverständlich ins «Führungs-Cockpit». Zertifizierungen schaffen hier den Vollzugsrahmen dazu.

Bestehen erkennbare Unterschiede in Bezug auf Branchen?

 

Ja, es sind Sektoren, die ausgesprochen qualitäts- und sicherheitssensibel handeln müssen. Entsprechend hoch ist dort das qualitative Anspruchsniveau. Zu erwähnen sind hier beispielsweise die Bereiche Gesundheit, Medizinaltechnik, Sicherheit, öffentlicher Transport, Energie u.a.m.

Im Angebot der SQS stehen über 100 Dienstleistungen. Wie entwickeln Sie diese Produkte?

 

Die Weiterentwicklung des Angebots richtet sich so weit wie möglich nach den Bedürfnissen der Kunden. Findet sich im bestehenden SQS-Angebot keine passende Dienstleistung, bietet die SQS im Rahmen ihrer Entwicklungsleitsätze Hand für Neuentwicklungen. Häufig entstehen Dienstleistungen durch ein Zusammenspiel von neuen Normen oder Standards und gleichzeitiger Nachfrage auf Kundenseite. So schloss die SQS im Berichtsjahr 2012 die Entwicklung von sieben Dienstleistungen erfolgreich ab, die nun sämtlichen Interessierten zur Verfügung stehen und sich bereits im praktischen Einsatz befinden. Ein Beispiel: Die Bewertung von Führungsgremien gemäss CorporateGovernance-Grundlagen erfolgt mit dem «Best Board Practice-Label». Dieses Label unterstützt die Sicherstellung der gesetzlichen Konformität, schafft Transparenz und stellt Effizienz und Effektivität der Oberleitung sicher.

Konkret: Was wird am meisten verlangt?

 

Die wichtigsten Dienstleistungen der SQS basieren auf den folgenden drei Normen: ISO 9001:2008, ISO 14001:2004 für Umweltmanagementsysteme sowie OHSAS 18001:2007, dem Standard für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, wobei zahlreiche Organisationen im Besitz aller drei Zertifikate sind.

Ist es für diese Firmen nicht sehr aufwendig, sich drei Mal dem gleichen Verfahren stellen zu müssen, wenn auch mit anderem Ziel?

 

Das träfe zu, wenn man so vorgehen würde. Die Praxis geht aber in eine andere Richtung. Die drei genannten «Kernzertifikate» werden

 

Externe und interne Impulse

 

von den Kunden mehr und mehr als sogenannte «kombinierte Zertifikate» für Qualität, Umwelt und Sicherheit verlangt. Das ist ein Trend, der von SQS gefördert wird. Kombinierte Zertifikate für die wichtigsten Managementdisziplinen bringen die Verpflichtung zu umfassender Unternehmensqualität ausgeprägt zum Ausdruck.

Das sind also die eigentlichen «Renner» auf dem Zertifizierungsmarkt, die «Klassiker» sozusagen. Was tut sich in Sachen Neuentwicklungen?

 

Stark zugenommen hat in den vergangenen Jahren die Nachfrage sowohl nach Zertifizierungen von Umweltmanagementsystemen als auch nach Überprüfungen von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Die SQS will daher ihre Leistungen in diesen Bereichen weiter ausbauen. Vier internationale Normen und Standards stehen neu im Angebot der SQS (vergleiche Kasten).

Normen, Labels, Regelungen, Zertifikate: In welche Richtung wird sich der Zertifizierungsmarkt Ihrer Einschätzung nach entwickeln?

 

In unserem internationalen Netzwerk sind – zusammengefasst – zwei Tendenzen klar ersichtlich: Erstens wird im Zuge der Internationalisierung von Handel, Produktionsketten und Organisationen die Bedeutung von Qualitäts- und Konformitätsnachweisen weiter ansteigen. Nachweissicherheit und auch Compliance von Leistungserbringern und Anbietern bezüglich Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit aus wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht ist wichtiger denn je. Diese Tendenz betrifft sowohl gesetzliche Vorgaben als auch freiwillige Normen und Verpflichtungen.

Und die zweite Tendenz?

 

Die Entwicklung neuer Normen und Anforderungen geht immer mehr in Richtung sektorspezifische Normen und risikoorientierte Themen. Vielfach basieren diese auf bewährten Grundlagen wie ISO 9001 und machen die Kombination mit anderen Normenforderungen (Managementsystemen) möglich. Im Vordergrund

 

TopthemaNachhaltigkeit

 

dieses Regulierungstrends steht die Produktsicherheit. Sektoren wie Nahrungsmittel, Luft- und Raumfahrt, Transport, Gesundheit, Automobilbau, Verpackung u.a.m. fragen vermehrt solche spezialisierten Überprüfungsleistungen nach.

Gemäss dem Bericht «ISO-Survey 2011» präsentieren sich die Perspektiven für das Zertifizierungswesen vielversprechend. Wie stellt sich SQS darauf ein?

 

Das vergangene Geschäftsjahr brachte der SQS mit einem Umsatz von über 40 Mio. Franken ein Rekordresultat. Gleichzeitig arbeiteten wir auch an unserer künftigen Ausrichtung. Im Rahmen einer umfassenden Strategie-Review hat das Thema Nachhaltigkeit einen zentralen Stellenwert erhalten. Dabei identifizierte die SQS Nachhaltigkeit als einen wichtigen Treiber für ihre unternehmerische Entwicklung und verankerte dieses Prinzip stärker in der Unternehmensstrategie. Diese richtet sich an vier Achsen aus, nämlich qualitativem und nachhaltigem, eigenfinanziertem Wachstum; absoluter Orientierung an Kundenerwartungen bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen und integrierter Managementsysteme; Erbringen exzellenter Dienstleistungen, die einen echten Mehrwert darstellen; Pflege der Swissness mit PremiumDienstleistungen im Heimmarkt und im Ausland.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Glauser!

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