Zahl der Industriechemikalien ist weit höher als vermutet
Forscher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) ermittelten weit mehr Industriechemikalien, als bisher offiziell verzeichnet wurden. Statt wie bisher vermutet 100'000 werden weltweit rund 350'000 Industriechemikalien hergestellt und gehandelt. Gut ein Drittel davon sind unzulänglich beschrieben.
Bei der letzten Erfassung aller Industriechemikalien, die weltweit im Handel sind, wurde eine Liste mit 100’000 Einträgen erstellt, informiert die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ETH. Bei der zur Jahrtausendwende vorgenommen Erhebung habe der Fokus auf den USA, Kanada und Westeuropa gelegen, heisst es dort weiter. Inzwischen aber sei der globale Westen nur noch an einem Drittel des weltweiten Chemikalienhandels beteiligt.
China stellt 37 Prozent im Chemikalienhandel
China hingegen bestreite mittlerweile „allein 37 Prozent des Umsatzes“. Zudem hat sich der weltweite Umsatz mit Chemikalien in den Jahren seit der Jahrtausendwende mit 3,4 Billionen Euro im Jahr 2017 mehr als verdoppelt.
Bei einer neuen Erhebung hat eine Gruppe internationaler Wissenschaftler unter Beteiligung der ETH daher „den Blick auf den globalen Markt ausgeweitet“, erläutert Zhanyun Wang, Senior Scientist am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich, in der Mitteilung. Dabei sei „zum ersten Mal eine umfassende Übersicht aller weltweit erhältlichen Chemikalien“ aufgestellt worden, sagt Wang.
Die neue Liste umfasst 350’000 Einträge. Die Bestandsaufnahme der Chemikalien sei dabei nur „der allererste Schritt in der Charakterisierung der Substanzen“, meint Wang. Ihm zufolge ist rund ein Drittel der Chemikalien gar nicht oder nur unzulänglich beschrieben: „Wie diese Substanzen beschaffen sind und wie bedrohlich oder giftig sie sind, wissen nur die Hersteller“.
Dringender Aufruf
Die Globalisierung und der weltweite Handel sorgen dafür sorgen, dass sich Chemikalien – im Gegensatz zu den nationalen Verzeichnissen – nicht an Ländergrenzen halten. Daher müssten die verschiedenen Verzeichnisse unbedingt zusammengeführt werden, wenn die Menschheit auch in Zukunft den Überblick über alle Chemikalien behalten will, die irgendwo auf der Welt hergestellt und dann gehandelt werden, merken Wang und seine Kollegen in ihrem in der Zeitschrift Environmental Science & Technology veröffentlichten Beitrag an.
«Nur wenn wir unsere Kräfte über Länder und Disziplinen hinweg vereinen, schaffen wir es, mit der immer grösser werdenden chemischen Vielfalt zurechtzukommen», sagt Wang.
Literaturhinweis:
Wang Z, Walker GW, Muir DCG, and Nagatani-Yoshida K. Toward a Global Understanding of Chemical Pollution: A First Comprehensive Analysis of National and Regional Chemical Inventories. Environ Sci Technol. (2020) DOI: 10.1021/acs.est.9b06379