Wirtschaftsdelikte: kräftiger Anstieg in der Genferseeregion

Gemäss dem aktuellen «KPMG Forensic Fraud Barometer» haben Wirtschaftsdelikte in der Schweiz 2020 einen Schaden von insgesamt 355 Mio. Franken verursacht. Dabei gerieten vor allem öffentliche Institutionen ins Visier von Wirtschaftsdelinquenten. Auffällig sei der starke Anstieg von Delikten in der Genferseeregion, schreibt die KPMG.

Wirtschaftskriminalität
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Letztes Jahr haben Schweizer Gerichte 52 Fälle von Wirtschaftskriminalität mit einer Mindestdeliktsumme von 50‘000 Franken behandelt. Der Gesamtschaden belief sich auf 355 Mio. Franken (2019: 363 Mio. Fr.) lag. Die durchschnittliche Deliktsumme pro Fall lag 2020 mit 6,8 Mio. Franken leicht tiefer als im Vorjahr (7,7 Mio. Fr.). Erfahrungsgemäss werden sehr viele Fälle nicht zur Anzeige gebracht, weshalb die Dunkelziffer bei den Wirtschaftsdelikten um ein Vielfaches höher liegen dürfte, wie die KPMG mitteilt.

Öffentliche Institutionen am stärksten betroffen

Mit 20 von total 52 gerichtlich verhandelten Fällen waren öffentliche Institutionen besonders häufig Opfer von Wirtschaftsdelinquenten. «Ein Grossteil der Delikte, bei denen öffentlichen Institutionen betroffen sind, sind Fälle von (Sozial-)Versicherungsbetrug», erklärt Anne van Heerden, Leiter Forensik bei KPMG. «Auch Geldwäscherei, ungetreue Geschäftsbesorgung und Steuerbetrug haben wir 2020 im Vergleich zu anderen Delikten relativ häufig gesehen», fügt er hinzu. Betrachte man jedoch den Tatbestand des (Sozial-)Versicherungsbetrugs in Bezug auf die verursachten Schäden, spiele er nur eine untergeordnete Rolle. So machen die acht Fälle von (Sozial-)Versicherungsbetrug zwar 40 Prozent der Wirtschaftsdelikte bei öffentlichen Institutionen aus, seien jedoch mit 8,5 Mio. Fr. für weniger als fünf Prozent der Schadenssumme von total 203 Mio. Fr. verantwortlich. Ein einziger Fall von Steuerbetrug habe mit über 72 Mio. Fr. zu Buche geschlagen und damit einen Drittel des Schadens bei öffentlichen Institutionen verursacht.

Auch Privatpersonen sowie kommerzielle Unternehmen sahen sich mit grosser krimineller Energie konfrontiert: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich laut KPMG die Anzahl öffentlich verhandelter Fälle für diese beiden Opfergruppen von 16 auf 22 erhöht. Die Deliktsumme hat sich von rund 34 Mio. Fr. auf rund 130 Mio. Fr. fast vervierfacht. Bei nur einem Fall handelte es sich beim Opfer um ein Finanzinstitut.

Abb. 1: Wirtschaftskriminalität nach Opfergruppe (hier klicken)

 Geografisch betrachtet 

Geografisch betrachtet sei die Genferseeregion am stärksten von Wirtschaftskriminalität betroffen, heisst es. 2020 waren 19 Delikte in dieser Region zu verzeichnen. Damit würden 40 Prozent der Delikte sowie über ein Drittel der Schadenssumme auf die Genferseeregion entfallen. Auffällig sei vor allem der starke Anstieg der Verurteilungen in dieser Region, die 2019 noch 13 Fälle zu verzeichnen hatte. Mit je acht Fällen wurden laut KPMG in den Regionen Zürich und der Ostschweiz am zweitmeisten Fälle registriert.

Im Vergleich dazu seien die Nordwestschweiz mit zwei Delikten und einer Schadenssumme von 1,3 Mio. Fr. sowie das Tessin mit einem einzigen öffentlich verhandelten Delikt mit einer Schadenssumme von 15 Mio. Fr. weniger betroffen. In den vier vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verhandelten Fällen sei es um eine Gesamtschadenssumme von 43 Mio. Fr. gegangen. Mit 20 Mio. Fr. lag die durchschnittliche Schadenssumme in der Region Espace-Mittelland wie bereits im Vorjahr mit Abstand am höchsten, wie ferner betont wird. Drei Fälle haben dort einen Schaden von über 60 Mio. Fr. verursacht.

Abb. 2: Wirtschaftskriminalität nach Region (hier klicken)

Deutliche Zunahme von Privatpersonen als Tätergruppe

Wie bereits 2019 haben gewerbsmässige Betrüger auch 2020 mit 19 Fällen die meisten Wirtschaftsdelikte begangen. Im Unterschied zum Vorjahr, in welchem das Management und Mitarbeitende noch auf dem zweiten bzw. dritten Rang folgten, waren gemäss Angaben Privatpersonen mit 13 Fällen dieses Jahr die zweitgrösste Tätergruppe nach Anzahl Delikten. Im Vorjahr seien lediglich drei Delikte auf das Konto von Privatpersonen gegangen. Auffällig sei zudem der sprunghafte Anstieg der Schadenssumme bei dieser Tätergruppe. Der Schaden betrage für 2020 über 144 Mio Fr. (2019: 2 Mio. Fr.). Der starke Anstieg der Schadenssumme sei auf drei grosse Fälle zurückzuführen, die zusammen einen Schaden von rund 130 Mio. Fr. verursacht hätten.

Das organisierte Verbrechen scheine mit nur einem verhandelten Delikt zwar vernachlässigbar, habe aber mit einem durchschnittlichen Schadensvolumen von 31 Mio. Fr. den grössten Schaden pro verhandeltem Fall zu verantworten. Über alle Tätergruppen gesehen habe die durchschnittliche Deliktsumme bei 6,8 Mio. Fr. gelegen sei damit im Vergleich zum Vorjahr rückläufig (7,7 Mio. Fr.). Neun der 52 Fälle hätten einen Schaden von je über 10 Mio. Fr. verursacht.

Abb. 3: Wirtschaftskriminalität nach Tätergruppe (hier klicken)

Steuerbetrug als grösste Schadensquelle

Aufgeschlüsselt nach Art des Delikts zählten 2020 ungetreue Geschäftsbesorgung und Unterschlagung mit je zehn Fällen zu den am häufigsten gerichtlich verhandelten Straftaten; sie haben zusammen über 40 Prozent des schweizweiten Schadens verursacht, wie mitgeteilt wird. Betrachte man die durchschnittliche Schadenssumme pro Fall, zeige sich ein anderes Bild. So hätten ungetreue Geschäftsbesorgung und Unterschlagung im Durchschnitt «lediglich» einen Schaden von 8,3 Mio. bzw. 6,9 Mio. Fr. verursacht. Dies entspreche ungefähr der durchschnittlichen Deliktsumme über alle Fälle gesehen, welche bei 6,8 Mio. Fr. liege. Im Gegensatz dazu betrage die Deliktsumme bei Steuerbetrug im Durchschnitt über 30 Mio. Fr., beim Straftatbestand der Korruption bei 20 Mio. Fr.

Abb. 4: Wirtschaftskriminalität nach Art des Delikts (hier klicken)

Methodik

Der «KPMG Forensic Fraud Barometer» erfasst jedes Jahr die öffentlich verhandelten und medial publizierten Gerichtsfälle. Zu diesem Zweck habe man über 5‘000 relevante Artikel verschiedener Schweizer Medien aus dem Jahr 2020 analysiert. Im aktuellen «KPMG Forensic Fraud Barometer» habe man ausschliesslich Artikel berücksichtigt, die über Verurteilungen von Wirtschaftsdelikten über 50‘000 Fr. vor Schweizer Gerichten berichteten.

Quelle: KPMG

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