«Wir wollen auf den Mt. Everest»

Das duale Berufsbildungssystem in der Schweiz ist ein Erfolgsmodell. Neben den unzähligen Lehrbetrieben sind die Berufsschulen mitverantwortlich dafür, dass jährlich Tausende von jungen Fachkräften erfolgreich ihre Karriere starten können. Auch an der Gewerblichen Berufsschule Chur absolvieren derzeit über 3000 Lernende ihre Ausbildung – in einem «exzellenten» Umfeld.

«Wir wollen auf den Mt. Everest»

 

 

 

Die Gewerbliche Berufsschule Chur GBC hat ein Einzugsgebiet, welches weit über die Stadt- und Kantonsgrenzen hinaus reicht. Auszubildende stammen aus den Kantonen GR, SG, TG, GL, AI, AR sowie ZH und Fürstentum Liechtenstein. 57 Berufe werden ausgebildet, hinzu kommen 21 Klassen für die Berufsmaturität. Über 160 Lehrpersonen – die entspricht 110 Vollzeitstellen – sind an der GBC tätig. Damit ist die GBC in Graubünden die grösste Berufsschule.

Differenzierung trotz Regulierung
Wie alle anderen Berufsschulen bewegt sich die Gewerbliche Berufsschule Chur GBC in einem stark reglementierten Umfeld. Doch auch da besteht die Notwendigkeit, zu den Besten zu gehören. Denn es besteht Kostendruck – gespart wird auch bei der Bildung –, gekoppelt mit rückläufigen Zahlen bei den Auszubildenden. Zudem befindet sich der Standort Chur in einer sogenannt strukturschwachen Region. Umso wichtiger ist es deshalb, über ein so grosses geografisches Einzugsgebiet zu verfügen, das weit über die Kantonsgrenzen hinausreicht. Und durch entsprechende Zertifizierungen will die GBC in der Lage sein, die Anforderungen der Organisationen der Arbeitswelt (OdA) immer besser zu erfüllen. Eine Rolle spielt dabei auch die Innovation: Es werden neue, konkurrenzlose Ausbildungen – zumindest in der Region Ostschweiz – geschaffen, etwa für den Beruf des Anlagenführers EFZ. Und zusammen mit der Berufsschule Aarau ist die GBC die einzige Berufsschule mit dem Label Swiss Olympic Partner School. Sie ermöglicht es Spitzensportlern, ihre Berufsausbildung im Einklang mit ihrer Trainings- und Wettkampftätigkeit abzuschliessen.

EFQM-Modell durchdringt die Führungskultur
Wie viele andere Institutionen auch hat die GBC ein Leitbild entwickelt. Das war im Jahr 2000, als man sich zur Zertifizierung nach ISO 9001 entschloss. Später wurden eine Vision und ein Auftrag entwickelt. Heute lautet die Vision: «Wir gehören zu den besten Berufsfachschulen der Schweiz.» Und als Auftrag hat die GBC festgeschrieben: «Wir stellen dem Arbeitsmarkt junge Berufsleute mit exzellenter, niveaugerechter schulischer Bildung zur Verfügung. Wir bilden Lernende zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten in der Gesellschaft.» Zusätzlich haben Schulleitung und Mitarbeitende gemeinsam sechs Werte definiert, die sowohl auf Teilkriterien «Führung» als auch auf Teilkriterien «Ergebnisse» des EFQMModells Bezug nehmen. Für die jährliche Überprüfung und Messung der Vision kommen Instrumente wie 360°-Feedback durch Lehrpersonen, Berufsbildungsverantwortliche und OdA, die Qualifikation der Lehrpersonen, die Wahrnehmung durch Lernende und ehemalige Lernende, die Erfolgsquote bei den Qualifikationsverfahren, die Erhebung der Kosten pro Lektion und nicht zuletzt durch die Punktebewertung nach EFQM zum Einsatz.

 

Dies alles ergibt zusammen eine «Kultur der Excellence», die von allen gelebt wird, seien dies nun Schulleitung, Lehrpersonen oder auch Mitglieder des Hausdienstes. Der PDCA-Ansatz ist – nach ein paar Schwierigkeiten, wie sich Schulleiter Peter Andres (siehe Interview) erinnert – mittlerweile gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen. Betroffene sind zu Beteiligten geworden, der Slogan «Ich und mein Unterricht» hat sich zu «Wir und unsere Schule» gewandelt. Und nicht zuletzt hat dies auch zu Freude an Leistung und zu einer hohen Bereitschaft, für die Zielerreichung zusammenzuarbeiten, geführt – intrinsische Motivation also. Um das EFQM-Modell und den Exzellenz-Gedanken weiter zu verankern, bildet die GBC eigene Assessoren und Ambassadoren aus. Letztere haben auch die Aufgabe, das zuweilen komplexe Gedankengut in die Sprache der Mitarbeitenden zu übersetzen.

Als Arbeitgeber ausgezeichnet
Das Produktportfolio einer Berufsschule ist aufgrund der bildungspolitischen Vorgaben beschränkt. Die GBC nutzt allerdings die vorhandenen Freiheiten, ihre Produkte – das sind Grundausbildungen in derzeit 57 Berufen – und vor allem die Prozesse laufend weiterzuentwickeln. Dies erfolgt insbesondere durch Konsultation und Anhörung der verschiedenen Interessengruppen. Letztlich sind es aber die Lernenden – die wichtigste Gruppe der externen Kunden –, welche über die Qualität entscheiden. Die diesbezüglichen Ergebnisse können sich sehen lassen: Die regelmässigen Befragungen der Lernenden zeigen, dass die GBC ihre gesetzten Zielwerte immer wieder übertrifft. Die Mehrheit äussert sich über die Qualität der Ausbildung sehr zufrieden. Und auch bei den Mitarbeitenden herrscht eine hohe Zufriedenheit: 2014 machte die GBC beim «Swiss Arbeitgeber Award» mit und erhielt in der Branche Verwaltungen, Schulen, NPO von sieben teilnehmenden Unternehmen als einzige eine Auszeichnung. In der Kategorie mittelgrosse Unternehmen (100 bis 249 Mitarbeitende) belegte die GBC den achten Gesamtrang

 

Alles bestens also? Nicht unbedingt. Raum für weitere Verbesserungen gibt es überall. Eine Herausforderung bilden insbesondere die Kosten: So sind die Aufwände pro lernende Person seit 2012 um rund 400 Franken gestiegen. Die Gründe sind der höhere Personalaufwand (mehr Lektionen bei gleichbleibenden Lernendenzahlen) und Investitionen in die Infrastruktur. Dennoch hat es die GBC geschafft, die Budgetvorgaben einzuhalten. Um Menschen mit exzellenter schulischer Grundbildung zu selbstverantwortlichen Persönlichkeiten in der Gesellschaft zu machen, sollte denn auch kein Preis zu hoch sein

(Visited 127 times, 1 visits today)

Weitere Artikel zum Thema