Wie werden Pharma- Patente gesprochen?

Die Gesundheitsbehörden verlangen grössere Datenmengen aus präklinischen und klinischen Studien, bevor ein Medikament zugelassen wird. Nicht nur die Wirksamkeit, Sicherheit sowie Qualität des Medikaments, sondern auch strenge regulatorische Bestimmungen sind für die Lancierung eines Pharmaprodukts ausschlaggebend. Seit dem 1. Januar 2019 gilt das teilrevidierte Patentgesetz.

Wie werden Pharma- Patente gesprochen?

Am 1. Januar 2019 traten das teilrevidierte Patentgesetz und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen zusammen mit der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes in Kraft. Dies hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 21. September 2018 beschlossen. Laut IGE, dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, bringt die Teilrevision für Medizinalpersonen, Arzneimittelhersteller sowie Konsumenten Verbesserungen.

 

«Erstens wird die Gefährdung der medizinischen Behandlungsfreiheit behoben, welche aufgrund der geänderten Rechtsprechung der Grossen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts entstanden ist. Dazu sind neu das Verschreiben von Arzneimitteln durch Medizinalpersonen im Einzelfall sowie die Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken von der Wirkung des Patents ausgenommen», heisst es in einer Mitteilung des IGE.

 

«Zweitens wird die Entwicklung von sicheren Kinderarzneimitteln gefördert. Als Anreiz gegen die Versorgungslücke im Bereich der Pädiatrie sieht das revidierte PatG für Arzneimittelhersteller – als Ausgleich für durchgeführte pädiatrische Studien mit Medikamenten – eine sechsmonatige Schutzverlängerung vor», liest man weiter.

 

Dieser Schutz soll entweder durch eine Verlängerung eines bestehenden ergänzenden Schutzzertifikats oder durch ein neu eingeführtes pädiatrisches Schutzzertifikat erfolgen.

 

Gleichwohl, solche allgemeinen Satzbestimmungen sind für einzelne Unternehmen oder Heilmittelproduzenten schwierig zu verstehen. «Es handelt sich nicht mehr um einen reinen Patentschutz, sondern um einen Schutz über ein ergänzendes Schutzzertifikat », unterstreicht Felix Addor, Stellvertretender Direktor und Rechtskonsulent Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE).

Frist für die Erstanmeldung optimiert?
Dieses Zertifikat verfolge den Zweck, eine durch das Marktzulassungsverfahren entstehende allfällige Reduktion der auf maximal 20 Jahre beschränkten Patentlaufdauer bis zum Umfang von maximal fünf und neu bei pädiatrischen Produkten 5,5 Jahren zu kompensieren.

 

Felix Addor erklärt: «Die sechsmonatige Schutzverlängerung bei pädiatrischen Arzneimitteln ist gewissermassen ‹return on investment› dafür, dass Arzneimittelhersteller seit dem 1. Januar 2019 verpflichtet sind, immer auch pädiatrische Studien (die die Auswirkungen der Medikamente bei der Verabreichung an Kinder und Jugendliche zeigen) zu erstellen.»

 

«Die Hürde, für ein Medikament IP-Schutz zu erlangen, ist sehr hoch.»

 

In solchen Studien kommt jedoch viel Datenmaterial zur Beurteilung von Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität des Medikaments zusammen. Die Schweizer Pharmaunternehmen investieren dafür viel Zeit und Geld. Allerdings kommt es auch vor, dass zwischenzeitlich Medikamente «kopiert» werden, bevor sie auf einem dafür bestimmten Markt erscheinen.

 

Für ein Start-up, das zum Beispiel im Bereich Life Sciences tätig ist, besteht der wichtigste Schutz zweifellos im Patentrecht. Nur ein Patent gewährt ein Monopol, das Dritte daran hindert, ihre Erfindung zu nutzen. In einer frühen Phase sind IP-Schutzklassen (IP kommt vom englischen Begriff Intellectual Property, siehe Box «Zum IP-Schutz von Heilmitteln») respektive Themen ebenso relevant.

 

«Die Hürde für Medikamente, IP-Schutz zu erlangen, ist sehr hoch», erklärt Felix Addor, unter anderem Co-Leiter der Interdepartementalen Arbeitsgruppe Gesundheit, Innovation und Geistiges Eigentum.

Der Erstanmelderschutz ist bedeutend
Beispielsweise kann ein eingetragenes Warenzeichen, das den Namen des Unternehmens oder dessen Produkte schützt, von un schätzbarem Wert sein. Ohne IP- oder Markenschutz kann ein Unternehmen gezwungen werden, seinen Namen oder die Namen Produkte zu ändern, wodurch erhebliche Kosten entstehen können.

 

Der Schutz der eingereichten Daten stellt sicher, dass sich während der Schutzperiode nach der Marktzulassung kein anderes Unternehmen auf die eigenen Daten beziehen oder diese nutzen darf. Der so genannte Erstanmelderschutz hat im Patentwesen eine weitere wichtige Bedeutung. Er liefert den Anreiz dafür, die Mittel für die Forschung und Entwicklung bereitzustellen.

 

Auf der anderen Seite zeigt der Medikamentenmarkt auch Schattenseiten, was den öffentlichen Vertrieb angeht. Es könnte sein, dass für ein bestimmtes Produkt kein Patent zustande kommt, weil beispielsweise Patentstreitigkeiten die Verbreitung eines Pharma- Produkts behindern. In einem solchen Fall bleibt der Erstanmelderschutz ein «primärer» Investitionsanreiz.

 

Dies gilt auch für die zunehmende Tendenz, auf der Basis gut etablierter Wirkstoffe neue Indikationen zu entwickeln. Die Verbraucher, etwa chronische Patienten, profitieren jedoch nicht unbedingt davon.

 

Bis ein neues Medikament auf dem Markt zugelassen wird, verstreichen gut 8 bis 12 Jahre. Der Patentschutz eines neuen Medikaments soll nun durchschnittlich nur noch 10 Jahre oder für Kinderarztneimittel noch weniger Zeit brauchen: Um mit solchen Bedingungen mitzuhalten, wurde das Patentgesetz revidiert.

Patentschutz in der (Anmelde-)Praxis
Es gibt also Gründe, ein Wirkstoff nicht immer gleich zu patentieren. Neben regulatorischen Gründen gibt es auch immer strategische Ziele: Beispielsweise ist es nicht immer empfehlenswert, ein Patent für eine Forschungsplattform anzumelden, um ein Screening- Verfahren für Wirkstoffe zu schützen.

 

Die Patentanmeldungen werden 18 Monate nach der Eingabe veröffentlicht – und somit erhalten alle, einschliesslich anderen Forschenden, Zugang zum Verfahren. In diesem Szenario kann es sinnvoll sein, zu warten, bis das erste Molekül aus der Plattform hervorgeht, und dann das Produkt zu schützen.

 

Es gibt auch Vorteile, eine Erfindung zu patentieren. Prinzipiell ist es immer ein Ausbalancieren von Patentkonzepten und Marktansprüchen. Denn auch eine auf Patente spezialisierte Kanzlei oder ein Unternehmensbereich müssen sich gleichzeitig Bestimmungen des Europäischen Patentamts (EPO), der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) und der Teilrevision des Gesetzes über die Erfindungspatente (PatG) vergleichen.

 

Das kann Zeit in Anspruch nehmen. Das EPO ist immerhin Teil der Europäischen Patentorganisation, bei der die Schweiz ebenfalls Mitglied ist. Ein Jahr nach der ersten Anmeldung kann bereits eine Nachanmeldung in die Wege geleitet werden, die weltweit über 150 Staaten abdeckt. Das gesamte Verfahren bis zur Genehmigung des Antrags kann jedoch mehr als fünf Jahre dauern.

 

Der grösste Unterschied im Handling von Pharmaprodukten im Vergleich zu beispielsweise kurzlebiger Computersoftware von Health Apps liegt daher im Produktlebenszyklus. Das ist jedoch nicht immer förderlich für Arzneimittelhersteller sowie Konsumenten, schliesslich auch für Ärzte und Medikamentenherausgeber.

 

Pharmaproduzenten legen heute schliesslich viel mehr Gewicht aufs «Gesamtpaket», sie bauen ein IP-Portfolio auf, welches nicht nur ein Medikament schützt, sondern auch dessen Herstellungsverfahren, verschiedene Rezepturen, Dosierungen, Behandlungsregimes betreffen.

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