Wie Pharmafirmen wettbewerbsfähig bleiben
Der Wettbewerb im Pharmabereich wird stärker: Hohe Forschungsaufwände, politische Rahmenbedingungen, begrenzter Patentschutz und viel Konkurrenz erhöhen den Kostendruck in der Branche. Eine effiziente Marketingstrategie kann Firmen dabei helfen, kompetitiv zu bleiben.
Im Pharmasektor sind zwei grundsätzliche strategische Trends erkennbar. Während Fir-men wie Novartis sich weiterhin auf Massen-märkte konzentrieren, gehen Unternehmen wie Roche eher den Weg der Spezialisierung auf kleinere Indikationen (Marktnischen-/Seg-mentstrategie), vor allem im Bereich der Onko-logie (Fibig & Hutt, 2003). Bei Pharmaunter-nehmen wird für die Entwicklung eines phar-mazeutischen Produktes eine durchschnittli-che Dauer von sieben Jahren kalkuliert. Es ver-bleibt dann eine aktive Vermarktungszeit von weiteren sieben Jahren, bis schliesslich der Pa-tentschutz abläuft und Generikaprodukte in den Markt drängen (Gehrig, 1992). In der Tat müssen die Firmen zuerst über Jahre hinaus immense finanzielle Mittel in die Entwicklung investieren, bevor die Produkte vermarktet werden können und der Break-even erreicht wird (Danielowski, 2003). Für die betroffenen Firmen stellt dies ein hohes Risiko dar.
Die Pharmafirmen befinden sich trotz ihrer komfortablen Gewinnsituation in einer eher schwierigen Lage (Bruch, 2003). Nach Ansell kann eine Pharmafirma nur überle-ben, wenn sie die Anzahl neuer Produkte je-des Jahr verdoppelt (Ansell, 2001). Da die
Krankenkassen sowie die Versicherten nicht mehr bereit sind, für minimale therapeuti-sche Fortschritte maximale Preiserhöhungen hinzunehmen, ist der Preisspielraum für vie-le Firmen kleiner geworden, anderseits neh-men die Entwicklungsaufwendungen für neue Produkte stetig zu. Dies führt zu gerin-geren Umsätzen und zwingt die Unterneh-men zu einer Kostenreduktion, z.B. durch einen Abbau der Werbeaufwendungen, um ihre Margen zu verbessern. Die Möglichkei-ten einer Kostenreduktion sind jedoch be-grenzt. Folglich müssen neue Wege zur Stei-gerung der Umsätze gefunden werden. Dies kann mittels Massnahmen zur Effizienzstei-gerung des Marketings geschehen (Gehrig, 1998; Gillis, 1992).
Strategien im Pharmamarketing
Die Ausgestaltung der Marketingstrategie in der Pharmabranche richtet sich nach dem übergeordneten Unternehmensleitbild, als Vision bezeichnet. Diese gibt die grundsätzli-che Philosophie des Pharmaunternehmens vor. Das darauf basierende Unternehmens-leitbild bestimmt, wie die Firma in der Öf-fentlichkeit wahrgenommen werden soll, et-wa als eine nachhaltig, umweltbewusst und sozial agierende Unternehmung.
Dem Unternehmensleitbild ist die Un-ternehmensstrategie untergeordnet. Sie gibt die operationellen Ziele der Unternehmung vor. Die – wiederum der Unternehmensstra-tegie untergeordnete – Marketingstrategie gibt die Umsetzung dieser operationellen Ziele vor und bestimmt die operative Planung und das daraus resultierende Budget.
Die Marketingstrategie legt die Art und Weise des geplanten Marktauftrittes fest. Sie gibt primär an, welche Marktsegmente mit wel-chen Produkten bedient werden sollen. Sekun-där trifft die Marketingstrategie auch Aussagen bezüglich der Positionierung der verschiede-nen Produkte im Markt. Für die erfolgreiche Vermarktung von Pharmaprodukten bedarf es in der Praxis häufig mehrerer miteinander ver-mischter Strategien (Thommen, 2012).
Die meisten Pharmafirmen haben sich vor allem auf die Forschung und Entwick-lung von Medikamenten spezialisiert. Meis-tens entwickeln diese Unternehmen thera-peutische Substanzen, verkaufen oder han-deln mit Medikamenten, führen Auftragsfor-schung durch, verkaufen Lizenzen ihrer Wirkstoffe oder generieren ihre Einnahmen durch private sowie öffentliche Subventio-nen (Drews, 2003; Flechter, 1989).
Operative Umsetzung der Marketingstrategie
Die Umsetzung der Marketingstrategie er-folgt mittels der Marketinginstrumente. Die-se beinhalten die für das Produktmarketing relevante Produkt-, Preis-, Distributions- so-wie Kommunikationspolitik. Es sind nun ad-äquate Marktstrategien zu definieren (vgl. Abb.), die es den Pharmafirmen ermöglichen, ihre Marktziele zu erreichen (vgl. Bögel, 2003; Kühn & Fuhrer 2017; Thommen, 2012).
Der Zeitpunkt des Markteintritts stellt eine übergeordnete strategische Entscheidung dar. Der richtig gewählte Zeitpunkt der Pro-dukteinführung ist neben der eigentlichen Vertriebs- und Marketingstärke ein entschei-dendes Kriterium. Eine frühe und rasche Markteinführung eines neuen Produktes (or-der of market entry) führt zu einem massgeb-lich höheren Marktanteil und hat einen positi-ven Einfluss auf die Umsatzentwicklung (vgl. Gehrig, 1992; Gillis, 1992; Thommen, 2012).
A) Produkt/Sortiment-Marktstrategie – Dieser Strategieansatz fokussiert hauptsäch-lich auf die produktbezogenen Massnahmen zur Marktdurchdringung. Anhand einer auf die Bedürfnisse der Marktteilnehmer abge-stimmten Produktpolitik lässt sich das Ge-schäftsergebnis massgeblich beeinflussen. Mit-tels innovativer Produkte kann ein neuer Kun-denkreis erschlossen werden, durch eine ent-sprechende Sortimentspolitik (Orientierung nach der Nische, Spezialisierung oder breites Sortiment), Qualität (Qualitätsunterschiede: z.B. Brennen bei Impfstoffen) sowie die Dienstleistung kann sich die Firma von der Konkurrenz abheben
- Markenproduktstrategie (Corporate Brands versus Product Brands): Eine geschickte Ver-marktung von Produkten führt zur Identifi-kation des Kunden mit dem entsprechenden Produkt (Markenartikel) (Unger, 2003). Eine weitere mögliche Strategie ist die bewusste Fokussierung auf Nicht-Markenartikel (ein Beispiel sind Generikafirmen, die geringe Entwicklungsaufwendungen haben).
- Marktnischen- oder Segmentstrategie: Die Unternehmung beschränkt sich im Rah-men ihrer Geschäftstätigkeit bewusst auf ein bestimmtes Produkt, Segment oder einen geographischen Standort (Fibig & Hutt, 2003). Auf diesem Gebiet ist die be-treffende Firma häufig alleiniger Anbieter.
- Produktinnovationsstrategie: Durch die Einführung neuer oder verbesserter Pro-dukte lassen sich vorhandene oder neu ge-schaffene Bedürfnisse befriedigen. Die Pro-duktinnovation ist im Pharmabereich von grosser Bedeutung (Von Bohlen, 2003).
B) Preis/Konditionen-Marktstrategie -Dieser Strategieansatz fokussiert auf die preisbezogenen Massnahmen der Marktdurchdringung. Durch das Festlegen des Preises kann sich die Unternehmung entweder als Discounter oder als Exklusivmarke auf dem Markt positionieren. Anzumerken ist, dass im Pharmabereich die Preise und Konditionen vielfach staatlich festgelegt sind.
- Kampfpreisstrategie: Durch das Unterbie-ten der Preise der Mitbewerber lassen sich zusätzliche Marktanteile gewinnen. Ein ty-pisches Beispiel sind Generikafirmen, wel-che mit Nachahmerprodukten die Preise von Produkten mit abgelaufenem Patent-schutz unterbieten, z.B. Mepha Pharma, Stada, Biogen.
C) Distributions-Marktstrategie – Dieser Strategieansatz fokussiert hauptsächlich auf die vertriebsbezogenen Massnahmen zur Marktdurchdringung. Aufgrund einer entsprechenden Ausgestaltung des Vertriebes kann der Markt bearbeitet werden. Eine Unternehmung kann sich durch spezielle Absatzkanäle (z.B. Internetapotheke) (Kuhlmann, 2003), ihre Vertriebsmethode [direkt oder indirekt (z.B. Galexis)/eigener oder fremder Vertrieb] vom Mitbewerber abheben
- Geografische Strategie: Durch das Erschlies sen neuer Länder und Regionen wird der Zugang zu einem neuen Kundenkreis ge-schaffen, dies kann durch eine Kooperation mit einem Vertriebspartner geschehen, z.B. die frühere Firma Icos, durch eine Koopera-tion mit Eli Lilly für den Vertrieb von Cialis.
- Servicestrategie: Im Pharmabereich könnte das Dienstleistungsmarketing der Schlüssel zum Erfolg sein. Eine Lösung könnte das An-bieten kompletter Leistungssysteme sein, z.B. die Unterstützung der Arztpraxen in be-triebswirtschaftlichen Belangen (Praxismar-keting, Praxismanagement, Wirtschafts seminare etc.) sowie ein Serviceangebot beim Verkauf der Arzneimittel und die Inte-gration der Diagnostika als Zusatzleistung zur Kundenbindung.
- Vertriebskanalstrategie: Durch das Erschlies sen neuer Vertriebskanäle (z.B. das Internet) werden neue Kundengruppen angespro-chen.
D) Diversifikationsstrategie – Die jungen Pharmaunternehmen treten in einen Markt mit starker Konkurrenz ein. Aus diesem Grund sind diese Firmen gezwungen, sich massgeblich von den Mitbewerbern abzu-heben. Dies kann durch das Treffen entspre-chender Massnahmen bei Produktgestaltung, Qualität, Marke, Kundenorientierung, Sorti-ment, Patent, Service, technischem Vorsprung oder Distribution geschehen. Die kleineren Unternehmen entwickeln daher oft ein Präpa-rat oder Verfahren, welches für eine seltene Anwendung gedacht und somit für die grossen Pharmafirmen nicht von Interesse ist, z.B. Eisai, welche eine Klasse von neuartigen Medi-kamenten entdeckte.
Der Aussendienst ist von grosser Bedeutung
Für eine erfolgreiche Strategieumsetzung hat der Aussendienst eine zentrale Bedeutung. Da die potenziellen Kunden sehr gut durch Werbung lebensrettender oder -verlängernder Medikamente angesprochen werden, hat die Pharmaindustrie die Zahl ihrer Aussendienstmitarbeitenden in den vergangenen Jahren stetig erhöht, während die Menge der beworbenen Präparate sowie die Anzahl der niedergelassenen Ärzte weniger stark gestiegen ist (Geller, 2003). Saxe und Weitz (Saxe & Weitz, 1982) untersuchten die wichtigsten Kriterien, welche eine erfolgreiche Beziehung zum Kunden charakterisieren und zur Qualifizierung der Aussendienstmitarbeitenden dienen können. Die persönliche Motivation, Fähigkeit, Persönlichkeit und organisatorischen Bedingungen wurden als die wichtigsten Faktoren identifiziert. In der Praxis ist ein besonderes Augenmerk auf die aufgeführten Faktoren zu richten. Sehr oft bedingt dies eine Schulung der Aussendienstmitarbeitenden (Weeks, 1997).
Schlussfolgerung
Grundsätzlich lassen sich die Vertriebs- und Marketingstärke sowie eine schnelle Markt-einführung als zwei wichtige Erfolgsfaktoren identifizieren. Als weitere Komponente hat eine zu einem frühen Zeitpunkt erreichte ho-he Marktpenetration (order of market entry) einen massgeblichen Einfluss auf den gesam-ten Produktumsatz. Dies ist insbesondere da-her von Bedeutung, da sich die gesamte Pharmabranche aufgrund des zunehmenden Preis- und Konkurrenzdruckes in einem har-ten ökonomischen Umfeld bewegt. Diese Ent-wicklung zwingt die Firmen zwangsläufig zu einer Reduktion der eigenen Kosten. Daneben müssen die Umsätze durch die Erschaffung neuer, von den Verbrauchern geforderter Pro-dukte gesteigert sowie Massnahmen zur Effi-zienzsteigerung und zu verbessertem Marke-ting getroffen werden. Die Entwicklung einer Marketingstrategie erfolgt aufgrund der vor-herrschenden Marktbedingungen und der vorgegebenen Unternehmensstrategie. Auch in der Pharmabranche gibt es keinen allge-meingültigen Strategieansatz. Trotzdem be-stehen einige Faktoren, die es zur Erreichung des Unternehmenserfolgs zu befolgen gilt.