Wie KMU mit Exportrisiken umgehen
Die Risiken im internationalen Geschäft sind grösser geworden und gerade kleine und mittlere Unternehmen müssen ihre Risikoexposition kontrollieren, um ihre Existenz nicht zu gefährden. Eine Studie hat untersucht, wie international erfolgreiche kleinere und mittlere Unternehmen mit solchen Risiken umgehen. Entstanden ist schliesslich ein Leitfaden für das Management von Exportrisiken.
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass die Risiken im internationalen Geschäft zugenommen haben. Währungsverluste reduzieren die Margen beim Absatz an ausländische Kunden. Konjunktureinbrüche lassen die Umsätze auf ausländischen Märkten schwinden. Unruhen und Streiks behindern den Vertrieb von Produkten. Betroffen sind nicht nur grosse multinationale Konzerne, sondern vermehrt auch die international tätigen kleinen und mittleren Unternehmen.
KMU gehen die Internationalisierung chancenorientiert an und vernachlässigen die damit verbundenen Risiken häufig. Lediglich 29% der Unternehmen holen Bonitätsauskünfte über ausländische Kunden und Partner ein, 26% sichern Währungsrisiken ab, 16% arbeiten mit Akkreditiven, 17% erstellen Länderanalysen und nur 3% sichern sich gegen Zinsschwankungen ab (vgl. Swiss International Entrepreneurship Survey 2013). Die Vernachlässigung von Exportrisiken ist aber gerade für KMU gefährlich, weil sie meist wenig diversifiziert sind und Rückschläge in einem Absatzmarkt nicht durch Erfolge in anderen Märkten ausgleichen können. Sie verfügen über weniger Reserven als Grossunternehmen, um Verluste aufzufangen und geraten viel schneller in Insolvenzgefahr.
Studie zum Exportrisikomanagement von KMU
Eine von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur geleitete und von der KTI unterstützte Studie hat untersucht, wie international erfahrene Schweizer KMU mit Exportrisiken umgehen, wie sie die relevanten Risiken erkennen, analysieren und kontrollieren. Befragt wurden 28 Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe in der Deutsch- und Westschweiz. Die Erfahrungen dieser Unternehmen wurden ausgewertet und zu einem Leitfaden für das Management von Exportrisiken verdichtet, der KMU bei der Kontrolle von Exportrisiken unterstützen soll.
Risiken im Exportgeschäft
Exportrisiken werden verstanden als Ereignisse, die den Erfolg von Auslandgeschäften negativ beeinträchtigen können. Dabei spielen gemäss den Aussagen der befragten Unternehmen vor allem wirtschaftliche Risiken eine bedeutende Rolle (vgl. Abbildung 1). Währungsverluste entstehen, wenn die Währung des Heimmarktes im Verhältnis zu den Währungen der Zielmärkte stärker wird und die Einnahmen im Auslandgeschäft dadurch an Wert verlieren. So meinte ein exportverantwortlicher Mitarbeiter eines befragten Unternehmens zum Beispiel: «Wir zahlen die Löhne unserer Mitarbeitenden in Schweizer Franken. Die Kunden zahlen in Euro. Da entsteht bei der derzeitigen Frankenstärke ein grosser Margenverlust.» Die Inflation in ausländischen Märkten kann eine ähnliche Wirkung zeigen, wenn sie zu einer Entwertung der entsprechenden Währungen führt. Rezessionen in Auslandmärkten und die Erhöhung der Staatsverschuldung können einen Einbruch in der Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens bewirken. Devisenknappheit und Beschränkungen im Devisentransfer können die Abwicklung von Auslandgeschäften behindern und dazu führen, dass das Unternehmen das Geld für gelieferte Produkte nicht erhält. Zollund Steuererhöhungen können die Preise der Produkte in den ausländischen Märkten verteuern und die internationale Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen.
Rechtliche Risiken entstehen im Exportgeschäft durch die Möglichkeit, dass ausländische Staaten die Produktvorschriften verändern und damit aufwendige Produktanpassungen oder Neuzulassungen erforderlich machen. Die Rechtsunsicherheit in ausländischen Märkten kann die Durchsetzung von Verträgen mit ausländischen Kunden erschweren, wie die folgende Aussage eines befragten Unternehmens zeigt: «Für ein kleines Unternehmen ist es oft schwierig, Lieferverträge in weit entfernten Märkten durchzusetzen. Man benötigt Anwälte und Übersetzer vor Ort und muss sich im Land als Unternehmen registrieren. Oft ist dies zu aufwendig im Verhältnis zum Streitbetrag und man muss klein beigeben.» Korruption kann zudem zu Gesetzübertretungen durch Mitarbeitende führen und das Image des Unternehmens beeinträchtigen.
Absatzrisiken entstehen, wenn sich die Kundenbedürfnisse in Auslandmärkten verändern, das Unternehmen dies zu spät erkennt und Marktanteile einbüsst. Eines der befragten Unternehmen hat dies folgendermassen erlebt: «Die Gefahr ist gross, dass die ausländischen Vertreter zu wenig und zu spät über veränderte Kundenbedürfnisse informieren und man dadurch in Rückstand gerät und Trends verpasst.» Vertriebspartner können ausfallen und bestehende Kundenbeziehungen dadurch verloren gehen. Das Delkredererisiko ist in ausländischen Märkten häufig grösser, weil sich ausstehende Kundenzahlungen schwieriger einfordern lassen und die Zahlungsmoral schlechter ist als im Heimmarkt. Beim Transport von Waren können Verzögerungen entstehen durch langwierige Zollformalitäten oder die unvollständige Dokumentation von Lieferungen.
Zu den politischen Risiken gehören Unruhen, Streiks und Konflikte, die die Wirtschaft eines Landes lähmen, Umsätze einbrechen lassen und Mitarbeitende gefährden. Ein Unternehmen machte die folgende Erfahrung: «Die politische Situation in Nigeria ist so gefährlich, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht frei bewegen kann. Wir werden von unseren Kunden am Flughafen in alten, verbeulten Autos abgeholt und bleiben immer unter ihrer Aufsicht.» Embargos können es verunmöglichen, Produkte in Staaten wie den Iran zu liefern. Verstaatlichungen können zum Verlust von Niederlassungen oder Kundenbeziehungen in ausländischen Märkten führen.
Als grösstes Wettbewerbsrisiko im Exportgeschäft schätzten die befragten Unternehmen die Gefahr ein, dass die eigenen Produkte oder Produktbestandteile von ausländischen Konkurrenten kopiert werden. Einer der befragten Exportleiter drückte dies so aus: «Die ausländischen Konkurrenten erwerben unser Produkt, nehmen es auseinander und kopieren es zu tieferen Kosten. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu versuchen, sie bezüglich Service und Beratung zu übertreffen.» Wettbewerbsrisiken können auch darin bestehen, dass man Know-how über einen Vertreter im Ausland an die Konkurrenz verliert, dass neue Konkurrenten in den Markt eintreten oder dass man als kleines Unternehmen von einem grossen Konkurrenten übernommen wird.
Personalrisiken entstehen durch die Gefahr, qualifizierte Mitarbeitende zu verlieren, die im Ausland häufig weniger Loyalität gegenüber dem Unternehmen mitbringen als im Heimmarkt. Mitarbeitende in entfernten Märkten zu kontrollieren, fällt oft schwerer als zu Hause. Es kann vorkommen, dass die Entfernung ausgenutzt wird und sich Angestellte durch Betrügereien persönlich bereichern: «Wir hatten einen Vertreter für unsere Produkte in Brasilien, der die vereinbarten Preise verdreifacht und sich den Gewinn mit den Einkäufern der Kunden geteilt hat. Als die Sache aufflog, trauten wir uns nicht mehr, uns vor Ort blicken zu lassen.»
Produktrisiken treten im Exportgeschäft auf, wenn Produkte in ausländischen Märkten stark unterschiedlichen Ansprüchen genügen müssen und unter verschiedensten Bedingungen eingesetzt werden. Fehlfunktionen können den Ersatz der Produkte, Reparaturen vor Ort und sogar eine Produktehaftpflicht für das Unternehmen bedeuten und den Erfolg des Auslandgeschäftes empfindlich schmälern. Ein Textilmaschinenhersteller äusserte sich hierzu wie folgt: «Wir bearbeiten Naturprodukte, die auf Wärme und Feuchtigkeit reagieren. Die Funktionalität dieser Produkte unter verschiedensten Bedingungen zu gewährleisten, ist für uns eine grosse Herausforderung.»
Natürliche Risiken entstehen durch Erdbeben, Epidemien, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, Erdrutsche und Stürme, die die Funktion der Wirtschaft in einem Auslandmarkt behindern, die Nachfrage einbrechen lassen, den Transport von Produkten verzögern oder es verunmöglichen können, dass Mitarbeitende in die betroffenen Märkte reisen. So meinte eines der befragten Unternehmen: «Wir versenden unsere Produkte fast zu 100 Prozent durch Kuriere. Wenn Flugzeuge wegen starken Schneefalls oder Vulkanasche nicht fliegen können, dann geraten unsere Lieferungen in Verzug und wir haben unzufriedene Kunden.»
Selten wurden von den Unternehmen auch die Vertriebsrisiken im Exportgeschäft erwähnt. Beim Transport von Waren können Verzögerungen durch langwierige Zollformalitäten oder die unvollständige Dokumentation von Lieferungen entstehen. Waren können während des Transportes beschädigt werden und verloren gehen. Lieferungen können fehlerhaft und unvollständig sein. All dies verursacht zusätzliche Kosten und beschädigt den Ruf eines exportierenden Unternehmens.
Management von Exportrisiken
Die internationale Ausrichtung des Geschäftes lässt Chancen entstehen. Sie bedeutet für kleine und mittlere Unternehmen aber auch ein erhebliches Risiko. Wichtig ist, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen und nur solche Geschäfte zu tätigen, bei denen die Chancen grösser sind als die damit verbundenen Risiken. Die Befragung der international erfahrenen Unternehmen hat gezeigt, dass diese eine Systematik im Umgang mit Exportrisiken entwickelt haben, die sie vor einer zu grossen Risikoexposition schützt.
Der ExportrisikomanagementProzess besteht aus fünf Schritten, die immer wieder aufs Neue durchlaufen werden (vgl. Abbildung 2). Er beginnt mit der Auswahl jener Exportgeschäfte, die in das Risikomanagement einbezogen werden sollen. Risikomanagement ist aufwendig. Es soll sich nur mit Exportgeschäften befassen, die massgebliche Risiken beinhalten und solche verschonen, die für das Unternehmen unkritisch sind. Manche Unternehmen beziehen Exportgeschäfte ab einem bestimmten Umsatz in das Risikomanagement ein, manche analysieren Exportgeschäfte, wenn sie in kritisch eingestuften Märkten erfolgen, wenn der Kunde keine Vorauszahlung leistet oder wenn Produkte unter unüblichen Bedingungen eingesetzt werden.
Die Analyse der Chancen und Risiken von Exportgeschäften soll zeigen, welche Bedeutung sie für den Erfolg des Unternehmens haben. Jedes Geschäft muss danach beurteilt werden, welche positiven und negativen Einflüsse es auf den Gewinn des Unternehmens ausüben kann. Die Bewertung der Chancen erfolgt anhand einer Einschätzung, wie hoch der Deckungsbeitrag aus dem Exportgeschäft ausfallen wird. Die Beurteilung der Exportrisiken erfolgt durch eine Einschätzung der Schadenpotenziale und Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle unternehmensrelevanten Risikoarten. Diese Einschätzungen basieren auf der internationalen Geschäftserfahrung des Unternehmens und der Analyse von Informationen, die durch spezialisierte Institute zur Verfügung gestellt werden.
Die aus der Analyse der Exportgeschäfte erwarteten Deckungsbeiträge und Verluste erlauben die Positionierung der Geschäfte in einer Chancen-/Gefahrenmatrix (vgl. Abbildung 3). Diese Matrix zeigt die Chancen und Risiken im Exportgeschäft des Unternehmens im Überblick und erlaubt eine gesamthafte Analyse der Risikoexposition. Dabei soll das Unternehmen die folgenden Fragen beantworten:
- Bei welchen Exportgeschäften werden die Risiken höher eingeschätzt als die Chancen?
- Überwiegen insgesamt die Risiken oder die Chancen im Exportgeschäft des Unternehmens?
- Gibt es grosse Schadenpotenziale bei einzelnen Exportgeschäften, welche die Existenz des Unternehmens gefährden können?
Aus dem Ergebnis dieser Analyse lassen sich die Anforderungen an die Kontrolle der Exportrisiken ableiten. Das Ziel der Risikokontrolle ist es, die Risiken auf ein für das Unternehmen optimales Mass zu reduzieren. Die Möglichkeiten, die den Unternehmen zur Kontrolle von Exportrisiken zur Verfügung stehen, lassen sich in die drei Kategorien Vermindern, Vermeiden und Verlagern einteilen. Zur Verminderung von Exportrisiken verlangen die Unternehmen von ihren Kunden Vorauszahlungen. Sie setzen Kreditlimiten und diversifizieren ihre Exportgeschäfte in verschiedene Märkte. Die Vermeidung von Exportrisiken bedeutet zum Beispiel, in politisch unstabile Märkte nicht einzutreten, Kunden mit schlechter Zahlungsmoral nicht mehr zu beliefern und sich auf Leistungsangebote zu beschränken, deren Qualität man kontrollieren kann. Zur Kategorie «Verlagern» gehört die Versicherung von Exportrisiken. Die befragten Unternehmen sichern Kundenzahlungen durch Akkreditive und schliessen Produktehaftpflichtversicherungen ab, wenn daraus grosse Schäden entstehen können.
Der letzte Schritt im Rahmen des Exportrisikomanagement-Prozesses besteht darin, die Positionierung der Exportgeschäfte in der Matrix periodisch zu überprüfen und anzupassen, falls sich Risiken und Chancen verändern