«Wer keine Visionen mehr hat …»

... kann sich einen Arzt bald nicht mehr leisten.» Dies sagte Referent Stefan Hagen in Anlehnung an das Zitat von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt: «Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.» Doch nicht nur um Visionen ging es am Tag der Schweizer Qualität vom 9. Juni 2015 in Bern, sondern auch um die Frage, was es ganz konkret für die Qualität braucht.

«Wer keine Visionen mehr hat ...»

 

 

Der Tag der Schweizer Qualität stand unter dem Motto «Qualität vermarkten». Dies war auch der Aufhänger für die einleitenden Worte der Moderatorin Andrea Lager, die darin auch einen Bezug zur laufenden FIFA-Affäre herstellte – als fragwürdiges Beispiel der Verknüpfung von Qualität mit Marketing: Auf der einen Seite sei Fussball zu vermarkten «wie ein Sechser im Lotto, denn es geht um Emotionen ». Anderseits gehöre aber auch Compliance seitens eines Sportverbandes dazu und nicht nur ein bisschen davon.

Qualität wird erst erlebt, wenn sie fehlt

 

Als erster Referent trat Stefan Hagen, Coach und Buchautor, auf. Er stellte gleich zu Beginn eine unternehmerische Gretchenfrage: «Warum kommen Kunden zu uns?» Die Antwort – nach längerer Überlegung – heisst dann oft: «Wegen der Qualität unserer Produkte.» Mit anderen Worten: Jedes Unternehmen glaubt, dass es Qualität bietet. Doch was ist denn überhaupt «Qualität»? Etwas resignierend scheint die Antwort, welche Stefan Hagen stellvertretend dazu gab: «Qualität wird von den Kunden erst dann erlebt, wenn sie nicht mehr da ist.» Er empfiehlt deshalb, den Begriff noch stärker aus Kundensicht zu betrachten und verwies auch darauf, dass die ISO- 9001-Revision dies nun auch stärker berücksichtigt. In Hinblick auf die Schwierigkeit in vielen Unternehmen, wo die Geschäftsleitung das Qualitätsmanagement nur ungenügend umsetzt, machte Hagen auch deutlich, wie viel Energie notwendig ist, um Prozess- und Qualitätsdenken bei den einzelnen Mitarbeitenden überhaupt erst zu verankern. Er riet denn auch zu mehr Mut zur Qualität.

Eine Frage von Profil…

 

In zwei parallelen Sessions wurden anschliessend die Themen «Qualität braucht Kultur» und «Qualität braucht Profil» behandelt. Dort zeigte Prof. Dr. Hans Lichtsteiner, Direktor für Weiterbildung an der Universität Fribourg, wie das Profil die Wahrnehmung – auch hinsichtlich zu erwartender Qualität – beeinflussen kann. Umso wichtiger sei es für Unternehmen, durch das richtige Zusammenspiel von Corporate Design, Corporate Communication und Corporate Behaviour die eigene Corporate Identity zu gestalten. Denn erst über die Identität entsteht ein Profil. Einen Einblick in die Praxis vermittelte Ueli Steiner, Geschäftsführer von bio.inspecta AG, ein Unternehmen, welches u.a. Bio- Bauernbetriebe zertifiziert. Das Bekenntnis zur Ökologie – und auch dessen ökonomischer Wirkung – zeigt sich im Profil der Firma: Qualifizierte Aus- und Weiterbildung für die Mitarbeitenden, konsequente Nutzung des Öffentlichen Verkehrs und Carsharing sind nur einige Elemente, die Ueli Steiner aufzählt. Und: «Kunden erwarten in Sachen Reputation mehr, als sie selber bieten. »

… oder von Kultur

 

In der Session II «Qualität braucht Kultur» sprachen gleich zwei Experten bezüglich Qualitätsanforderungen im Personal- und Governance-Bereich. Prof. Dr. Jürg Meier – spezialisiert auf die Ausbildung, Beratung, Führung von Unternehmen – sprach nicht nur davon, wie Qualität gemessen und dokumentiert werden müsste, sondern auch von typischen «kulturellen Ritualen» respektive äusseren Faktoren, die jederzeit auf Unternehmensprozesse einwirken. Meier durchleuchtete die Rahmenbedingungen bei Teamarbeiten, Verhältnisse zwischen Auftraggeber und Mitarbeitenden. Unter anderem lautete eines seiner Credos an Führungsspitzen: «Tun, was man sagt.»

 

Der darauffolgende Referent, Ruedi Josuran, war lange Moderator und Redaktor beim Schweizer Radio («Fenster zum Sonntag » auf SRF 2). Heute ist er Kommunikationsverantwortlicher – Career-, Gesundheits- und Life Balance Coach – beim BGM Forum Schweiz. Der Experte lieferte im Kursaal weiterführende Punkte für eine gut funktionierende Personal Governance. Er plädiert für einen «guten Umgang mit sich selbst». Die Voraussetzungen hierfür seien so grosse Worte wie Selbstbestimmung, Selbstreflexion und Selbstregulation, «das Erkennen der eigenen Grenzen und Potenziale». Speziell auf Seite der Führungsebene sollten «energetische Tankstellen», quasi kleine, persönliche Erholungseinheiten, kein Tabu sein.

Das Hohelied der Bildung

 

Nach dem «Jubiläumsblock» (siehe Bericht auf S. 7) standen in vier Kurzreferaten folgende Themen im Vordergrund: Marimée Montalbetti vom SBFI sprach über «Qualität in der Bildung» und verwies insbesondere auf das Schweizer Duale Bildungssystem, für welches sich immer häufiger auch das Ausland interessiere. Auch Stefan Eisenring, Direktor der ibW Höhere Fachschule Südostschweiz, schlug in diese Kerbe, forderte aber, dass die Höhere Berufsbildung weiterhin noch viel an Anerkennung gewinnen müsse. Ein visionäres Projekt stellte darauf Daniel Wiener mit «Cargo Souterrain» vor: Ein unterirdisches Transportsystem soll dereinst Post und andere Güter entlang der Hauptverkehrsachsen transportieren – unbemannt und mit 30 km/h auf Induktionsschienen. Das Projekt – privat finanziert von Partnern aus Detailhandel, der Post, der SBB und anderen – durchläuft derzeit noch eine Machbarkeitsstudie. Im besten Fall ist eine Inbetriebnahme ab 2028 möglich,

 

Schweizer Qualität hat global an Vorsprung verloren

 

die Nachfrage durch den Markt sei in jedem Fall belegt, wie Wiener ausführte. Alexander Jaggy schliesslich lieferte eine Art Checkliste, wie eine Marke der «Swissness» genügen kann: Ist eine Marke glaubwürdig? Ist sie relevant für den Markt und auch für das Produkt? Hat die Swissness einen Informationswert? Differenziert und aktiviert eine Marke? Sind diese Punkte erfüllt, fällt der «Verkauf einer Armbrust», dem Symbol für Schweizer Qualität, leichter. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden die Themen noch etwas weiter ausgeführt.

Bundesrätin Doris Leuthard: «Nicht ins Hintertreffen geraten»

 

Den Schlusspunkt setzte Bundesrätin Doris Leuthard, Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Sie führte an, dass die Schweizer Qualität global an Vorsprung verloren habe. Vor diesem Hintergrund sei es eine Herausforderung für die Politik, die richtige Balance zwischen Protektionismus und mehr Wettbewerb zu finden. Insgesamt verwies die Departementsvorsteherin aber auf die Stärken unseres Landes: Etwa die hohen Sicherheitsstandards oder auch die Chancengleichheit, die als Grundlage für Qualität dienten. Sie vergass dabei auch nicht zu erwähnen, dass das Erfolgsmodell Schweiz nicht zuletzt auch auf Talenten aus dem Ausland basiere – mit Verweis auf die Firmengründer Nestlé, Brown, Boveri oder Hayek. Die Chancengleichheit sei es letztlich, die die Grundlage für Qualität liefere. Und dass Qualität ihren Preis habe, war ebenfalls Gegenstand ihrer Ausführungen. Gerade die Ablehnung der 100-Franken-Autobahnvignette lasse die Frage aufkommen, wie viel Konsumenten für Infrastrukturen zu bezahlen bereit seien. Und was ist die grösste Herausforderung für die Verkehrsministerin? Es ist der digitale Wandel. «Die Schweiz muss hier aufpassen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten», so die Warnung Doris Leuthards. Aber so lange in der Schweiz Visionen wie «Cargo Souterrain» zugelassen sind, sollte ein guter Nährboden für die Zukunftsentwicklung eigentlich vorhanden sein.

 

 

 

 

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