Wenn Projekte nur noch nerven …

Im Projektgeschäft lauern die Fallstricke zuhauf: Verspätun-gen, fehlende Ressourcen, zu viele Änderungen oder überzoge-ne Budgets sind nur einige davon. Führungskräfte in mittel-ständischen Unternehmen sowie auf Leitungsebene in Konzer-nen können ein Lied davon singen. Sie wissen, was alles schieflaufen kann und dass Projekte alle Beteiligten dann einfach nur noch nerven.

Wenn Projekte nur noch nerven …

Eine grundlegende Änderung der Organisation kann verhindern, dass dies zum Regelfall wird. Rein sachlich kein Problem. Doch muss die Veränderung auch den Nerv der Mitarbeiter treffen, um wirklich nach-haltig und erfolgreich zu wirken.

Den Nerv treffen
In der Formulierung, dass Projekte nerven, liegt bereits der wichtigste Schlüssel für die erfolgreiche Veränderung einer Organisation: nämlich den Nerv zu treffen, die Menschen zu «berühren». Einerseits ist zweifel-los Sachlichkeit gefordert. Andererseits birgt eine Argumentation wie «Die Projekte dauern zu lange» oder «Die Zeitpläne sind unzuverlässig» die Gefahr in sich, zwar sachlich zu sein, aber eben wenig mitzuteilen, das die Beteiligten wirklich berührt – und mit dem sie wiederum die Kolleginnen und Kollegen berühren können. Soll das «Leuchten» end-lich wieder in die Augen der Mitarbeiter zurückkehren, müssen auch Emotionen beteiligt sein.

Ein langer Entwicklungsweg
Lange Zeit galt die Grundannahme, es genüge, rationale Wirkzusam-menhänge zu nutzen, um ein Problem in Griff zu bekommen. Eli Gold-ratt, Begründer der Theory of Constraints, prägte in diesem Zusammen-hang den Begriff «Fokus». Fokus verstanden im Sinne: Was ist jetzt zu tun? Um gleichzeitig auszuschliessen, was jetzt zu unterlassen ist. Die allge-meine Grundannahme in den Unternehmen beruhte darauf, dass Men-schen in Organisationen suboptimal arbeiten würden. Das Management müsse unter Einsatz geeigneter Methoden dafür sorgen, dass die Mitar-beiter wieder optimal arbeiteten. Jedoch konnte mit dieser Haltung und der Darstellung eindeutig rationaler Wirkzusammenhänge in der Um-setzung keine besonders grosse Begeisterung ausgelöst werden. Der Eng-pass ist eine weitere wesentliche Annahme von Eli Goldratt. Wenn alle Unternehmensbereiche in einer Prozesskette direkt oder indirekt vonei-nander abhängig sind, kann das Gesamtsystem nur so gut sein, wie das schwächste Glied. Er gelangte zu dem Schluss, das Management sei der Engpass. Das ist eine völlig andere Antwort als die, welche die eingangs beschriebene Grundannahme nahelegte. Denn dort war der Engpass bei den Mitarbeitern zu suchen und keinesfalls beim Management.

Es geht auch anders
Projektarbeit beruht darauf, dass Abteilungen über verschiedene Berei-che hinweg zusammenarbeiten. So lange nur eines oder wenige Projek- te gleichzeitig laufen, funktioniert die Idee auch wunderbar, dass ein-heitenübergreifend eine Sache schneller erledigt werden kann. Laufen aber (zu) viele Projekte nebeneinander, kann keinem mehr die volle Aufmerksamkeit gewidmet werden und es kommt zu der unguten Si-tuation, dass sie nur noch nerven. Das Gegenteil, dass ein Projekt ein-fach «flutscht», passiert immer dann, wenn ein Projekt höchste Priorität bekommt. Dann lässt jeder im Unternehmen ungefragt alles andere ste-hen und liegen und schenkt dem Projekt vollste Aufmerksamkeit. Dann ist es durchaus möglich, ein einzelnes Projekt in einem Bruchteil der üblichen Zeit und weit unter Projektplan zu verwirklichen. Und wes-halb macht man es nicht immer so: Stattet Projekte mit optimalen Res-sourcen aus? Macht unterbrechungsfreies, fokussiertes Arbeiten mög-lich? Wenn man doch eigentlich weiss, wie es funktionieren kann!

Das Drumherum bindet Kraft und Zeit
In Multiprojektumgebungen arbeiten fast die Hälfte der Mitarbeiter an vier bis fünf Projekten gleichzeitig. Die wenigsten können sich auf eine Aufgabe konzentrieren. Wen dieses Multitasking in der Projekt-arbeit besonders belastet, hat mit der Hierarchie zu tun. Aus der Pers-pektive einer Geschäftsführerin, eines Vorstands oder eines Bereichs-leiters soll bei allen Projekten relativ schnell etwas Fruchtbares her-auskommen, und das möglichst ohne sich ständig darum kümmern

 

«Dass ein Projekt einfach ‹flutscht›, passiert immer dann, wenn ein Projekt höchste Priorität bekommt.»

 

zu müssen. Nur die Realität sieht völlig anders aus. Ein Projekt wird angestossen und es ist keinesfalls sicher, dass es einigermassen rasch ohne die eigene Mitwirkung vorankommt. Vielmehr gibt es Konflikte, man muss sich kümmern, intervenieren, mit Kollegen um die höchste Priorität diskutieren. Nicht das Projekt an sich, die Arbeit, die erledigt werden soll, bindet zu viel Kraft und Zeit, sondern dieses ganze Drumherum.

Macht weniger Projekte gleichzeitig!
Die Lösung liegt eindeutig in weniger Projekten gleichzeitig. Alles ande-re ist Kosmetik. Indem Organisationen weniger Projekte gleichzeitig machen, können sich die Projektlaufzeiten um die Hälfte oder mehr verkürzen. Nach der Critical Chain Methode werden weniger Projekte parallel bearbeitet. Arbeitspakete werden priorisiert, der Reihe nach abgearbeitet und effektiv schneller zu Ende gebracht. Durch die hun-dertprozentige Konzentration auf nur eine Aufgabe werden gleichzei-tig Leerlauf und vorgehaltene Reserven minimiert. Wirklich berührend ist es, wenn dann in einem Unternehmen bei der Einführung dieser Methode der Geschäftsführer ehrlich verkündet: «Liebe Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter, ihr habt mir immer schon gesagt, wir machen zu viel gleichzeitig. Entschuldigung, dass ich das nicht verstanden habe.» In einer solch emotionalen Situation kehrt das Leuchten in die Augen der Mitarbeiter zurück.

 

Fazit: Unternehmen sollten die Verantwortung dahin legen, wo sie ist, für das, wie es gerade ist. Dorthin, wo die Regeln festgesetzt, aufrechterhalten oder weitertragen werden. Denn hier sind diejeni-gen, die am ehesten eine Veränderung bewirken können. So können Mitarbeiter emotional erreicht werden und Projekte wieder Spass machen.

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