Wenn neue Technologien forciert werden

Gäbe es keine Innovationen und keine neuen Technologien, wäre der heutige Wohlstand nie erreicht worden. Kaum ein anderer Sektor wird von Gesetzen, aber auch Erneuerungen wie «Big Data» begleitet wie die Gesundheitsindustrie. In welchen Punkten hilft Informationsmanagement und wo könnte die Einlese von Patientendaten komplex bleiben?

Wenn neue Technologien forciert werden

 

 

 

Mit der Strategie «Gesundheit2020» möchte der Bundesrat die Qualität im Gesundheitsbereich erhöhen. Hauptelement der Strategie ist die Förderung elektronischer Gesundheitsdienste («eHealth»), wobei dem Patientendossier grösstes Augenmerk zugemessen werden soll. Im elektronischen PatientendossierGesetz (EPDG) werden die juristischen Voraussetzungen hierfür festgelegt, unter welchen Aspekten medizinische Daten verarbeitet werden sollen.

 

Zurzeit kursieren unterschiedliche Erfassungsmodelle in ambulanten und stationären Bereichen. Ohne einheitliche eHealthDossiers stünden Spezialisten künftig vor einem Babel an Koordinaten.

 

Seit 2015 wird die einheitliche, korrekte Verarbeitung von Patienteninformationen vom Bund eingefordert. Nach der Zustimmung beider Eidgenössischer Räte wurde in der Frühlingssession 2015 entschieden, dass die Ärzte zur eHealth-Teilnahme verpflichtet werden. Bisher basierte die Erhebung von einheitlichen Patientendaten auf freiwilliger Basis in Kliniken und stationären Bereichen

 

Jetzt liegt die explizite Weiterleitung von Informationen auf der Patientenseite: Der Patient entscheidet über die Weiterverwendung respektive Archivierung von persönlichen Daten. Hingegen wünschen die Krankenversicherer eine gänzliche Abkehr der «doppelten Freiwilligkeit» (Arzt/ Patient). Der Patientenschutz steht daher zwischen Stuhl und Bank, respektive zwischen gesetzlichem Usus und neuen Versicherungsmodellen.

 

Zusätzlich zur politisch-rechtlichen Kontroverse nutzen heute schon viele behandelnde Spezialisten Cloud Computing und mobile Geräte, um die medizinische Versorgung zu steuern. Eigentlich verarbeiten Kliniken, Laboratorien und Heime immermehr Schichten von Big-DataInformationen. Wer hat jedoch die Hoheit darüber? Und inwiefern begünstigen eHealth-Trends den Klinikalltag? Im Mittelpunkt der Antworten stehen der signifikante Einzug von digitalen Technologien in die Betriebe sowie ein vernünftiger Fokus auf die Patientensorge

«Rückschlüsse vermeiden»
Zurzeit befinden wir uns inmitten einer dynamischen Phase. Die Digitalisierung macht auch vor Arztzimmern nicht halt. Wer eine bessere Transparenz, Einsparung von Medikamenten und Mehrfachbehandlungen, kürzere Wartezeiten sowie eine einwandfreie Datenverfügbarkeit aufweist, der wird sich auf dem immer globaler werdenden Gesundheitsmarkt behaupten

 

«Entscheidend wird der elektronische Nutzen des Patientendossiers insofern, als dass die Informationen vollständig und aktuell sind», meint Dr. rer. nat. Günter Karjoth, ein HSLU-Dozent, über 25 Jahre am IBM-Forschungslabor Zürich (u.a. in den Bereichen Identitäts- und Zugangsmanagement sowie Datenschutz) tätig. Der Forscher, der Brücken zwischen Informatik, Medizin und Technik geschlagen hat, unterstreicht einen springenden Punkt:

 

«Neben Name, Geschlecht und Krankenkassenangabe gehören die medizinischen Daten ins Dossier. Sie beschreiben die gesamte Krankheitsgeschichte, spezifische Körpermerkmale und akute Leiden. Um gegenteilige Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand die Eigenheiten einer Person zu verhindern, sollten deswegen sensible Daten nur geschützt weitergegeben werden.»

 

Im Gesetzesentwurf sei keine generelle Verpflichtung zur mobilen eHealth-Anwendung vorgesehen – nur stationäre Leistungserbrin ger werden zur korrekten Datenverarbeitung verpflichtet, falls der Patient ein Dossier wünscht. Bei mobilen Datenabgleichen oder Registrierungen über Apps greife das Schweizer Gesetz noch viel zu kurz.

Datenanonymisierung
Bereits an der ersten «Information Security in Health» – Konferenz in Rotkreuz, wo die Hochschule Luzern beinahe Tür an Tür mit der Novartis oder der Merck AG (Schweiz) steht, wurden rechtliche Lücken in Sachen Datensicherheit und Vernetzung diskutiert.

 

Beispielsweise, so erläuterte Dr. Karjoth, könnte ein Dossier relevante, persönliche Daten durchrinnen lassen, würde es in einer uncodierten Cloud verwendet. Daher, so sind sich Schweizer Gesundheitsexperten einig, soll das elektronische Patientendossier (EPD) nicht nur einen ausgewiesenen Mehrwert für die Versicherten, sondern auch einen Schutz für die Patienten und Patientinnen bieten. Hierunter fällt ebenso eine neu zu chiffrierende Datenanonymisierung wie ein modernes Identityund Access-Management.

 

Darüber hinaus fördert das EPD sicher auch Synergien für Kliniken und Versicherungen. PwC befragte kürzlich die Direktoren von rund 300 Schweizer Spitälern und Kliniken. Die Erhebung zeigt, dass die Spitalverantwortlichen eine immense Marktveränderung erwarten, bei welcher primär die Effizienz überwiegt

 

Weitere allgegenwärtige Trends wie Simulation, digitale Patientenüberwachung, Datenanalyse Social Media sehen 76 Prozent der CEOs aus strategischer Sicht als «wichtig bis sehr wichtig» an. Gleichwohl heisst das Credo der Direktoren: «Patient first».

Patienten auf Augenhöhe
Ohne Fokussierung und Einbindung in ein grösseres Netzwerk wird es für kleine Kliniken sicher ökonomisch schwieriger werden. Ihre anstehenden Investitionen müssten die erwarteten digitalen Trends mitberücksichtigen – ausserdem müssten Spitalverantwortliche genügend Handlungsspielraum für gesellschaftliche Änderungen vorsehen.

 

Um für Spezialisten wie für Patienten die gestiegene Mitbestimmung zu respektieren, berücksichtigen Klinikbetreiberinnen und Versicherungen neue Geschäftsmodelle und Kooperationen. Der ewige Wunsch, mit Ärzten und Ärztinnen auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren, könnte jedoch aus Gründen von Rationalisierungen und zu laschen Strukturen im Datenschutz ins Stocken geraten.

 

Das EPDG müsste bis 2020 so ausformuliert sein, dass die medizinische Versorgung und kleine Komfortansprüche der Patienten nicht mit einer schwindeligen Rekonstruktion der eigenen Privatsphäre verwechselt werden.

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