Wenn James Bond Starthilfe leistet
Das Schilthorn durfte 2017 das 50-Jahr-Jubiläum seiner Erschliessung durch eine Luftseilbahn feiern. CEO Christoph Egger weiss um die Stärken der Tourismusregion Berner Oberland. Dank geschicktem Marketing und laufender Erneuerung gehört das Schilthorn zu den Highlights einer jeden Schweizreise.
Aller Anfang war schwer 1967: Der Gipfel des 2970 m hohen Schilthorns war zwar erschlos-sen, noch fehlte aber der Endausbau des Gip-felrestaurants. Dafür reichte das Geld (noch) nicht. Doch dann fand dort eine britische Filmcrew den geeigneten Drehort für einen neuen James-Bond-Film und übernahm gleich den Endausbau. Der Rest ist bekannt: Das 007-Abenteuer «Im Geheimdienst Ihrer Ma-jestät» wurde 1969 an den Kinokassen ein Kas-senschlager, der «Piz Gloria» mit seinem Dreh-restaurant zu einer Destination mit weltweiter Ausstrahlung. Und laufend kommen neue At-traktionen hinzu.
Herr Egger, Ihr Unternehmen hat in letzter Zeit viel investiert. Für wie lange ist man nun wieder gerüstet?
Christoph Egger: Das ist natürlich eine «Ne-ver ending story» … Eine Erneuerung ist nie abgeschlossen. Wir haben in den letzten fünf Jahren nicht unbedingt in die Infrastruktur investiert – ausgenommen die Auffrischung des Drehrestaurants «Piz Gloria». Bei allen an-deren Projekten handelte es sich um Investiti-onen in Erlebnisse. Vor diesem Hintergrund haben wir uns von einer Transportunterneh-mung zu einem Erlebnisunternehmen entwi-ckelt. Genau in diesem Bereich ist die Erneue-rung in die Attraktivitätssteigerung nie fertig; immer wenn der Gast wieder kommt, ist er gespannt, was er gegenüber seinem letzten Besuch Neues erleben kann.
Eine schöne Natur allein verkauft sich heute nicht mehr?
Das ist so. Wir sind in unserer Branche von einer Pionier- und Wachstumsphase nun in eine Reifephase gelangt. Da braucht es eben mehr als nur reine Transportdienstleistun-gen und das Skipisten- und Wanderweg-Angebot. Man muss sich heute mit anderen Elementen von Mitbewerbern abheben. Er-lebnisse sind nun mal etwas vom Wichtigs-ten in den Ferien. Schliesslich erzählt man danach von diesen und nicht von der Farbe des Polsters im Postauto.
In Sachen Erlebnisse ist das Schilthorn gewissermassen Pionier. Was wäre das Schilthorn ohne James Bond?
Wir wären dann halt 50 Jahre lang anderwei-tig gefordert gewesen und hätten eine andere gute Geschichte gefunden … Aber es war schon eine glückliche Fügung, dass jener Scout Ende der 1960er-Jahre auf der Suche nach Drehorten auf das Schilthorn gestossen ist. Ein Glück ist natürlich auch, dass die Film-serie um James Bond über Jahrzehnte immer noch so erfolgreich ist.
Im Prinzip hat damals das Kino jene Rolle gespielt, welche heute die sozialen Medien einnehmen. Auf Instagram veröffentlichte Bilder von schönen Gegenden haben ja bereits andernorts Wirkung gezeigt.
In der Tat. Mit neuen Attraktionen und den mannigfaltigen Fotomöglichkeiten sowie na-türlich allem, was das Filmthema geschaffen hat, lebt das Ganze weiter. Die James-Bond-Community ist sehr gross und lebendig und pflegt einen exhibitionistischen Stil. Die Leu-te besuchen die Filmschauplätze, lassen sich dort fotografieren, zeigen damit, wo sie sind. Das hilft uns enorm im Social-Media-Alltag.
Die Infrastruktur ist das eine, die Marke und das Marketing die andere Seite. Was müssen Touristiker in der Schweiz heute marketing- mässig unternehmen? Klotzen statt kleckern?
Das hängt von der Ausgangslage ab, in der sich die jeweilige Unternehmung oder Desti-nation befindet. Wir sind in der angenehmen Situation, dass wir in einer Destination mit einer hohen internationalen Ausstrahlung integriert sind. Nicht jede Schweizer Region hat das Potenzial, weltweit auftreten zu kön-nen. Mit Eiger, Mönch und Jungfrau haben wir nun mal ein Alleinstellungsmerkmal im weltweiten Wettbewerb.
Aber es scheint, als würde die «reine Natur» nicht mehr ausreichen, und es müssen nun Attraktionen wie «Skyline Walks» und Ähnliches her.
Man braucht Geschichten, welche eben diese Natur erlebbar und verkaufbar machen. Von solchen «Sky Walks» sieht man ja die gleichen Berge, aber sie sind verbunden mit Thrill, ei-nem speziellen Gefühl, kurz: Mit einem Er-lebnis, das man an einem anderen Ort so nicht hat. Ich glaube, das ist ein Trend, um den man heute nicht herumkommt. Gegen-über früher verändert hat sich auch die ste tige Internationalisierung der Märkte: Da spricht man nicht mehr nur von Deutsch-land, Benelux und vielleicht noch England, sondern die Klientel ist global geworden.
Und das sind alles Gäste, die genau diesen «Thrill» suchen? Immerhin lassen sich solche Attraktionen auch kopieren – gerade, wenn man an China denkt, wo an vielen Destina-tionen ebenfalls Hängebrücken, schwindel-erregende Stege usw. installiert werden.
Das muss man berücksichtigen, ja. Aber mit gewissen Kopiereffekten lebt wohl jede Bran-che. Das führt letztlich zu genau diesem Druck, sich laufend neu erfinden zu müssen. Stillstand ist Rückschritt und Niedergang.
Was mich zu folgender Frage führt: Viele Hotels, Bergbahnen, Skigebiete haben Inves-Was mich zu folgender Frage führt: Viele Hotels, Bergbahnen, Skigebiete haben Inves- grund von Schneemangel um ihre Existenz fürchten müssen. Inwiefern findet da eine schleichende Marktbereinigung statt?
Eine Bereinigung ist im Gang, findet aber nicht über wirtschaftliche Rahmenbedin-gungen statt, sondern aufgrund klimatischer Veränderungen. Auf wirtschaftlicher Seite ist immer wieder die öffentliche Hand da, wel-che Bergbahnen in der Regel unterstützt. Das ist sehr gut nachvollziehbar, denn es sind nicht nur Banken «too big to fail», sondern für
«Man braucht Geschichten, welche die Natur erlebbar machen.» Christoph Egger
eine Randregion ist oftmals auch eine Berg-bahn oder ein Skigebiet «too big to fail». Denn fällt eine Bergbahn mal weg, dann verschwin-den Arbeitsplätze, und es bricht die Grundla-ge für einen Aufenthalt weg. Was machen die Hotels dann ohne Gäste? Auch Handel und Gewerbe zieht es den Boden weg. Die Folge ist die weitere Entvölkerung von Randregionen.
Wie sieht es beim Schilthorn bezüglich Finanzmittel aus? Haben Sie die jüngsten Investitionen durch eigene Mittel finanziert oder kamen da auch Gelder der öffentlichen Hand und Bankkredite zum Zug?
Finanzielle Unterstützung durch die öffentli-che Hand haben wir nicht und brauchten sie bisher auch noch nie. Wir sind in der erfreuli-chen Lage, dass wir die letzten Investitionen aus eigener Kraft finanzieren konnten. Klar sind wir temporär immer mal wieder auf Fi-nanzinstitute angewiesen, vor allem wenn es um den Ausgleich von Liquiditätsschwan-kungen geht.
Noch ein Blick in die Zukunft: Mit welchen weiteren neuen Attraktionen wird das Schilthorn demnächst aufwarten? Wohin wollen sich die Schilthornbahnen weiter entwickeln?
Die Schilthornbahn ist ans Schilthorn gebun-den. Wir können uns also nur in diesem Raum weiterentwickeln. 2017 feierten wir das 50-Jahr-Jubiläum der Gipfelerschliessung. Das sagt etwas aus über das Alter gewisser Infra-strukturen. Diese haben wir zwar immer wie-der erneuert und an den neusten Stand der Technik angepasst. Aber trotzdem bewegen wir uns hier zuweilen in einem engen Korsett: Je höher die Nachfrage aus den Märkten ist, desto enger wird das Erlebnis am Berg. Das sind Dinge, die sich gegenseitig etwas beissen. Insofern liegen keine neuen spruchreifen Pro-jekte auf dem Tisch. Aber es ist absehbar, in welchen Bereichen wir Handlungsbedarf ha-ben: Weitere Erneuerungen der Infrastruktur stehen an, aber parallel dazu gilt es immer auch den Erlebnisfaktor weiterzuentwickeln. Ein Wesen der Digitalisierung liegt etwa darin, dass vieles fast schon wieder veraltet ist, wenn man es endlich implementiert hat. Entspre-chend schnell muss hier die Erneuerung ver-laufen, damit man sich immer den aktuellen Trends anpassen kann.
Auch im Tourismus nehmen demnach die Ge-schwindigkeit und der Innovationsdruck zu?
Ja. Von der Idee zum verkaufbaren Produkt dürfen nicht Jahre vergehen, denn sonst ist der Trend vorbei. Das ist ein grosses Problem. Denn vieles unserer Tätigkeit spielt sich auf fremdem Boden, im öffentlichen Raum, ab. Wir benötigen deshalb immer viel Überzeu-gungskraft gegenüber den Grundeigentü-mern, der Bevölkerung und den Behörden, wenn wir eine neue Idee verwirklichen wol-len. Dies in möglichst kurzer Zeit zu vollbrin-gen ist immer eine Challenge – aber das ist auch ein Teil der Spannung, die diese Tätig-keit mit sich bringt.
Wenn wir die langfristigen Entwicklungen anschauen: Da ist sicher auch der Klima-wandel zu nennen. Wie weit sind da schon erste Folgen spürbar?
Da sind Auswirkungen selbstverständlich bemerkbar. Wer in dieser von Gletschern geprägten Region aufgewachsen ist, dem fallen die Veränderungen ganz klar auf: Das Eis zieht sich zurück, die Vegetation rückt von Jahr zu Jahr höher. Solche Auswirkun-gen sind offensichtlich. Bei der Infrastruk-tur bemerkbar wird das Auftauen des Per-mafrost-Bodens. Der Klimawandel und die Erderwärmung bietet für uns aber auch Chancen – so schizophren dies auch klingen mag. Viele unserer Gäste reisen aus tropi-schen Ländern hierher, aus urbanen Gegen-den, wo Hitze, Smog, verschmutztes Wasser riesige Probleme verursachen. Diese Men-schen sehnen sich nach reiner Luft, saube-rem Wasser und klarer Sicht auf Berge. Dies spielt uns im Ausflugsgeschäft sehr in die Hände, weil wir jene tief sitzenden Bedürf-nisse mit der Aussicht vom Schilthorn be-friedigen können.