Wenn es sich ums Produkt «Fahrbahn» im Gotthard- Basistunnel dreht
Im Herbst 2014 hat der Generalunternehmer Bahntechnik Transtec Gotthard (TTG) die Feste Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel nach 40 Monaten Bauzeit tagesscharf im Bau-Soll innerhalb des vereinbarten Kostenrahmens fertiggestellt. Über Perfektion und Qualität in der Realisierung eines Grossprojekts.
Das aussergewöhnliche Ereignis im schweizerischen Jahrhundertprojekt wurde mit hochrangigen Vertretern der Alp- Transit Gotthard (ATG), der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), des Bundesamtes für Verkehr (BAV) sowie des Kantons Uri in einer feierlichen Zeremonie mit dem Einbau der «Goldenen Schwelle» gegenüber dem Unternehmer Bahntechnik Transtec Gotthard gewürdigt.
Mit diesem Fachartikel (Teil 1) werden die Erfolgsfaktoren der Qualitätskontrolle am Objekt beschrieben, mit welchen das Projektteam der ARGE Fahrbahn Transtec Gotthard AFTTG, Sub-Arge von Transtec Gotthard für das Gewerk Fahrbahn, diese erste Etappe der Projektrealisierung der Festen Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel erfolgreich umgesetzt hat.
Ausgangslage
AlpTransit Gotthard, Tochter der SBB, ist als Bauherr verantwortlich für die Projektierung und den Bau der neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Die NEAT ist das Herzstück der Nord-Süd-Achse des europäischen EU-Verkehrs-Korridors von Rotterdam bis Genua. Das Gotthard-Basistunnel-Projekt, mit 2 Tunnelröhren zu je 57 Kilometern Länge sowie der Zulaufstrecken Nord und Süd mit einer Gesamtlänge von 35 Kilometer, ist das zentrale Bauvorhaben innerhalb der NEAT. Ein weiteres Hauptprojekt für die Bahntechnik, der Ceneri-Basistunnel an dem südlichen Achsenende, wurde Ende 2014 an Schweizer Baukonsortien zur Realisierung vergeben. Mit dem Abschluss der NEAT wird die Schweiz in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz integriert sein.
Transtec Gotthard ist für die Planung, Realisierung und Inbetriebsetzung des Gesamtsystems Bahntechnik im Gotthard-Basistunnel- Projekt verantwortlich. Die Arbeitsgemeinschaft besteht aus den vier Gesellschaftern Alpiq, Alcatel-Lucent/ Thales RSS, Balfour Beatty Rail und Renaissance Construction. Das Leistungsportfolio von TTG umfasst neben den temporären Anlagen, wie der Errichtung von Installationsplätzen, Lüftung/Kühlung und der Baulogistik, ebenso die Gewerke Fahrbahn, Fahrstrom 16.7 Hz, Stromversorgung 50 Hz und Kabelanlagen sowie Telekommunikation und Sicherungsanlagen als bleibende Anlagen.
Projektorganisation ARGE Fahrbahn Transtec Gotthard
ARGE Fahrbahn Transtec Gotthard (AFTTG) ist innerhalb der Bahntechnik Transtec Gotthard (TTG) verantwortlich für die Erfüllung aller werkvertraglich zu erbringenden Leistungen für das Gewerk Fahrbahn. Sie wurde von den beiden Gesellschaftern Balfour Beatty Rail und Renaissance Construction gegründet.
In ihrer Aufbauorganisation (Abb. 1) sind alle erforderlichen Funktionen/ Rollen aufgeführt, die zur werkvertraglichen Erfüllung vom Kunden ATG gefordert sind. Eine Besonderheit stellt hierbei die Q-Organisation dar, die innerhalb der AFTTG eine unabhängige Rolle gegenüber der Bauausführung einnimmt.
Der Kunde hat keine permanente und externe Qualitätskontrolle/ Bauüberwachung installiert. Der Generalunternehmer Bahntechnik (TTG) und seine Gewerke Organisationen übernehmen im Rahmen des GU Auftrages die Gesamthaftung für das Werk Bahntechnik im Gotthard-Basistunnel. Verantwortlich für die Erzeugung der Qualität ist die Linie Bauausführung. Verantwortlich für die Kontrolle der Qualitätserzeugung ist die Linie Qualitätskontrolle. Organisatorisch sind diese Linien innerhalb der Organisation getrennt und berichten jeweils direkt an die Projektleitung.
Die Q-Organisation der AFTTG ist somit das «Auge» des Kunden und die Qualitätsversicherung für alle geforderten und zu erwartenden Produkteigenschaften.
AFTTG hat darüber hinaus ein zertifiziertes Managementsystem nach ISO 9001:2008 implementiert. Die Betonherstellung wird gemäss werkseigener Produktionskontrolle nach SN EN 206-1:2000 intern überwacht und wurde durch die Schweizerische Zertifizierungsstelle für Bauprodukte S-CERT zertifiziert.
Qualitätsplanung
Um die hohen Anforderungen an die Produktqualität der Festen Fahrbahn sicherzustellen wurde eine Qualitätsplanung erstellt. (Abb. 2). Sie ist Teil des projektbezogenen Qualitätsmanagementsystems (PQM) nach der in der Schweiz geltenden SIA 2007 – Qualität im Bauwesen. Als Prüfgrundlage der «Kontrolle am Objekt» wurden die Werkvertragsanforderungen, unter Beachtung der geltenden Vorschriften und Regelwerke, in einem Kontrollplan überführt. In einem weiteren Schritt wurden die spezifischen Anforderungen je Montageprozessschritt in einer Prüfanweisung heruntergebrochen. Sie sind eine verbindliche Grundlage zwischen den Bauausführenden und den Qualitätsinspektoren. Die Qualitätssicherung wird so zu einer beherrschbaren und standardisierten Aufgabe für die Mitarbeiter vereinfacht. Audits und Inspektionen bei Lieferanten und Dienstleistern, Bemusterungen von Prototypen, Werkprüfungen von Einzelkomponenten, sind ebenso Inhalte des PQM wie die Qualitätsprüfungen im Montageprozess der Festen Fahrbahn. Sie werden jedoch übergeordnet geführt und nicht auf der Montagebene.
Qualitätskontrolle
Der Montageprozess der Festen Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel ist in 21 aufeinanderfolgende Prozessschritte unterteilt. Der Prozess beginnt mit der Wareneingangskontrolle und verläuft über Schienen auslegen und verschweissen, Beton-Einzelblock-Schwellen auslegen, Gleisrostmontage, Grobund Feinvermessung, Betonherstellung, Betonage bis zu den Restarbeiten nach erfolgter Betonage. Dieser Montageprozess wiederholt sich alle 20 Tage (rollierendes Einbauverfahren) mit einer Einbaulänge von 2160 m fertigem FF-Gleis. Dieser 20-Tage-Rhythmus hat sich circa 53-mal in den 2 Tunnelröhren wiederholt und gleicht einem industriellen Fertigungsprozess entlang einer Linienbaustelle.
Die Qualitätskontrolle gliedert sich in 3 Phasen. In Phase 1 werden Qualitätskontrollen im laufenden Montageprozess des Gleisrostes bis zum Start der Betonage durchgeführt. Die Qualitätsinspektoren überwachen die Einhaltung der Toleranzvorgaben je Prozessschritt. Ziel in dieser Phase ist es, die Früherkennung von Fehlentwicklungen zu identifizieren und Vorbeugemassnahmen einzuleiten, damit zu jedem Zeitpunkt ein fehlerfreier und kontinuierlicher Montageprozess sichergestellt ist. Unmittelbar vor dem Start der Betonage des Gleisrostes wird eine Qualitätsendkontrolle durchgeführt. Die «Technische Freigabe zur Betonage» wird gemeinsam vom Baupolier, dem Vermessungsingenieur und dem Qualitätsinspektor Gleismontage erteilt. Die Technische Freigabe hat den Charakter einer formalen Abnahme und Betonierfreigabe. Dieser Haltepunkt ist ein wesentlicher Punkt der Risikobeherrschung, da nach erfolgter Betonage die Gleislage nicht mehr korrigiert werden kann bzw. nur mit sehr hohem Aufwand.
In Phase 2 wird der Beton hergestellt und eingebaut. Mit einer fahrbaren Betonmischanlage (Betonzug) wird Frischbeton direkt im Tunnel im Baufeld produziert, überwacht und an die Einbauspitze mittels Betonshuttle übergeben. Die Betonproduktion wird vom Qualitätsinspektor Beton überwacht und zum Einbau formal per Betonlieferschein an den Baupolier freigegeben. Für die Durchführung der Frischbetonprüfungen und Probenentnahme für die Festbetonprüfungen ist ein mobiles Betonprüflabor im Bereich der Betonmischanlage eingerichtet.
In Phase 3 werden die Restarbeiten nach der Betonage durchgeführt und abgenommen. Es erfolgt eine vermessungstechnische Ist-Aufnahme des betonierten Gleises, Bohrkernentnahme aus dem erhärteten Beton, Kontrolle des Luftblasengehaltes unter den Beton-Einzelblock- Schwellen und weitere Prüfungen. Sämtliche Prüfungen werden nachweislich dokumentiert und im Requirement- Tracing-System (RTS) mit der entsprechenden Werkvertragsanforderung verknüpft. Die Nachweise auf Stufe Montageprozess sind dabei nur eine Teilmenge aller Nachweisdokumente im Gesamtprojekt. Komponentenqualifizierungen, Werkprüfungen, Lieferanteninspektionen, Auditberichte usw. werden ebenfalls in das RTS eingepflegt und mit den WK-Anforderungen verknüpft.
Prüfgrundlage für den Montageprozess ist die jeweilige Prüfanweisung je Prozessschritt. Kontrollpunkt, Prüfmethode, Messmittel, Prüfhäufigkeit, Sollwert, Toleranzwert, Fehlermassnahme, Nachweisdokument und Verantwortlichkeit sind in den Prüfanweisungen festgelegt.
Resümee
Für den strukturierten Ablauf der Qualitätskontrolle am Objekt in komplexen GU-Bauprojekten ist eine systematische Qualitätsplanung erforderlich. Standardisierungen von komplexen Montageprozessen ermöglichen eine effiziente und industrielle Fertigung und Qualitätssicherung bei Linienbaustellen. Die «Fabrik» bewegt sich entlang des Produktes. Um die Unterhaltskosten im Systemlebenszyklus gering zu halten, ist eine hohe Anfangsqualität erforderlich. Die Unterhaltskosten sind eine signifikante Einflussgrösse in der Life-Cycle-Betrachtung für die Feste Fahrbahn, da die Herstellungskosten gegenüber einer Schotterfahrbahn etwa doppelt so hoch sind.