Weitsicht statt Vorsicht

Die Schweiz, ein Land ohne natürliche Ressourcen, hat sich ihren Wohlstand hart erarbeiten müssen. Es heisst, einer der wichtigsten Rohstoffe der Eidgenossen sei ihr Wissen. Mit dem heutigen Trend zur Informations- und Wissensgesellschaft nimmt die Bedeutung der Forschung noch zu, und doch regeln andere Wettbewerbs-und Rahmenbedingungen den hiesigen Werkplatz in unbestimmter Zeit.

Weitsicht statt Vorsicht

 

 

In der aktuellen Rangliste steht die Schweiz zum neunten Mal in Folge an der Spitze der 137 untersuchten Länder. Punkto Innovati-onsfähigkeit, betriebliche Standortattraktivi-tät und Arbeitsmarktflexibilität ist die Schweiz laut WEF-Index Weltspitze – das sind drei von zwölf Hauptkriterien des aktuellen «Global Competitiveness Report 2017–2018».

 

In anderen Bereichen wie Bildung, In­ frastruktur, Staatshaushalt und technologi-scher Entwicklungsgrad steht das Land eben-falls in den vordersten Rängen.

 

Der emeritierte St. Galler Wirtschafts­ professor Franz Jaeger ist überzeugt: «Kleine Volkswirtschaften verzeichnen so einige Vor-teile im internationalen Wettbewerb, weil sie sich naturgemäss stärker an der Konkurrenz aus dem Ausland orientierten.» Zum Beweis verweist der gern zitierte Professor auf den Index der wettbewerbsstärksten Länder der Welt, wie ihn der ökonomische Thinktank des Davoser Wirtschaftsforums (WEF) seit über 30 Jahren publiziert.

 

Eine Übersicht, die Herr und Frau Schweizer schmeichelt. Schliesslich sind die Schweizerinnen und Schweizer mit einem Netto-Geldvermögen von durchschnittlich gegen 170 000 Franken pro Kopf die Reichs-ten der Welt, wenn man dem soeben publi-zierten Global Wealth Report des Allianz-Konzerns Glauben schenkt. Zweifelsfrei lässt sich die Spitzenstellung der Schweiz im WEF-Index aber nicht herleiten. Zwei grundlegen-de Probleme dabei:

 

Die Schweiz und einzelne Gemeinden, schliesslich auch das Gross- und Kleingewer-be sind abhängig von importierten Rohstof-fen. 2010 löste der Transithandel mit Rohstof-fen die Finanzdienstleistungen der Schweizer Banken als wichtigsten Dienstleistungsexport ab, und sein Anteil am BIP (über drei Prozent) übertraf denjenigen des Tourismus (Quelle: Schweizerischer Bundesrat. 2013. Grundlagen-bericht Rohstoffe. Bericht der interdepartemen-talen Plattform Rohstoffe an den Bundesrat).

 

«Schliesslich sind auch KMU abhängig von Rohstoffen.»

 

Ein bekanntes Problem von Wertschöp-fungs-Ratings ist auch die Messmethode, die oftmals auf zu einseitigen Manager-Befra-gungen abstützt. So ist zum Beispiel nicht eindeutig feststellbar, ob und wie die positi-ven Bewertungen im WEF-Index mit der Wirtschaftspolitik zusammenhängen. Führt der wirtschaftliche Erfolg wirklich zum Spit-zenplatz oder ist die Kausalität werbebedingt genau umgekehrt?

 

Im Folgenden eine Übersicht der kon-kreten Rahmenbedingungen, welche den Werkplatz Schweiz tatsächlich bewegen.

Drei wichtige Säulen
Eine produktivere und bewusst offene Wirt-schaft, insbesondere in Richtung der EU, die in der Lage ist, Konjunkturschocks abzufe-dern und für nachhaltigen Wohlstand zu sor-gen: Das ist das Ziel der Wachstumspolitik, die im Juni 2016 vom Bundesrat verabschie-det wurde. In dieser Strategie 2016–2019 ist die Arbeitsproduktivität die prioritäre Säule.

 

Die Hälfte der 14 im erwähnten Bericht genannten Massnahmen ist damit verbun-den. Der Begriff Produktivität wird vom Bundesrat in einem weiten Sinne verstan-den: Er beinhaltet die Öffnung der Wirt-schaft, den Abbau von Handelshemmnissen und die immer weitere Ausweitung der Märkte und der Absatzmöglichkeiten für die Unternehmen.

 

«Ziel ist es, eine Ungleichheit zu vermeiden.»

 

Vor diesem Hintergrund wird die Fort-setzung der bilateralen Beziehungen mit der EU als unerlässlich erachtet, insbesondere, um es den Unternehmen zu ermöglichen, weiterhin die benötigten Fachkräfte anzu-werben. Doch die Schweizer Wachstumspoli-tik sieht auch Massnahmen für binnenmarkt-orientierte KMU vor.

 

Ziel ist es, eine Ungleichheit zu vermei-den zwischen den Unternehmen, die in wett-bewerbsfähigen Exportbranchen tätig sind, und denjenigen, die auf die Binnennachfrage beschränkt sind und strukturell höhere Kos-ten haben. Die jüngsten wirtschaftlichen Turbulenzen, die besonders seit der Aufhe-bung der Kursuntergrenze zwischen dem Euro und dem Schweizer Franken auftraten, veranlassen den Bundesrat dazu, die Wider-standsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken; das schliesst die Fähigkeit ihrer Akteure mit ein, Schocks abzufedern. Das ist die zweite Säule seiner «Wachstumspolitik 2016–2019».

 

Die dritte zielt auf ein nachhaltiges Wachstum mit möglichst wenigen negativen Nebenwirkungen.

Wichtige Bedingungen
Um die Schweizer Wirtschaft anzukurbeln, hat der Bund eine umfassende Wachstums-politik beschlossen. Eine Auswahl der Mass-nahmen der «Schweizer Wachstumspolitik 2016–2019», die besonders die Unternehmen im Visier haben:

 

  • Erhalt und Weiterentwicklung des bilatera­ len Wegs mit der EU

Die bilateralen Abkommen sollen erhal-ten und erneuert werden, wodurch die Unternehmen weiterhin Zugang zu Fach-kräften haben werden und die Rechts­ sicherheit erlangt wird, die für das Ver-Die bilateralen Abkommen sollen erhal-ten und erneuert werden, wodurch die Unternehmen weiterhin Zugang zu Fach-kräften haben werden und die Rechts­ sicherheit erlangt wird, die für das Ver-

 

  • Erweiterung des Marktzugangs für Schweizer Unternehmen

Hier geht es darum, den Aussenhandel und die Wettbewerbsfähig-keit zu fördern, indem die bestehenden Freihandelsabkommen ge-stärkt und neue geschlossen werden, insbesondere im Rahmen der WTO.

 

  • Entwicklung von geeigneten Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen in der digitalen Wirtschaft

Die Digitalisierung wird als Quelle für Geschäftsgelegenheiten und Wachstum gesehen. Der Bundesrat möchte Rahmenbedingungen schaffen, die Innovation und die Weiterentwicklung von Lösungen durch die Unternehmen, aber auch die Weiterbildung der Arbeit-nehmenden ermöglichen.

 

  • Liberalisierung des Strommarktes und Regulierung des Gasmarktes

Die vollständige Öffnung – bisher für Strom und noch nicht für Gas beschlossen – soll die Energiepreise senken und so den Unternehmen in Form von höherer Wettbewerbsfähigkeit zugutekommen. Die Öffnung für den Wettbewerb soll auch eine Verbesserung der Angebotsqualität ermöglichen.

 

«Ein Problem bei Wertschöpfungs-Ratings ist die Messmethode.»

 

  • Administrative Entlastung und bessere Regulierung für Unternehmen

Die bestehenden Massnahmen zur Reduzierung der administrativen Belastung werden fortgesetzt und erweitert.

 

  • Stärkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch Erleichterung
    der Importe

Die Vereinfachung der Zollverfahren bringt direkte Einsparungen für die Firmen mit sich, die Zwischenprodukte verbrauchen, und indirekte Einsparungen, indem eine administrative Entlastung er-folgt. Die Mehrwertsteuer beim Import könnte vereinfacht werden.

 

  • Agrarpolitik 2022–2025: konsequente Weiterentwicklung der Agrarpolitik

Die gegenwärtige Agrarpolitik wird nicht in Frage gestellt, doch für den Zeitraum 2022–2025 werden Reformen, insbesondere in Form von gezielten Anreizen, angekündigt, die ein Plus von 400 bis 600 Millionen Franken einbringen dürften und sich positiv auf den De-tailhandel, den Tourismus und die Gastronomie auswirken sollten.

 

  • Zweites Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050

Für Strom und Brennstoffe sind Lenkungsabgaben geplant, die zu einer Senkung des Energieverbrauchs und folglich der Treibhaus-gasemissionen beitragen sollen. Für Unternehmen, deren Betrieb oder Produktion viel Energie benötigt, sind jedoch Entlastungen vorgesehen.

 

  • Effizientere Nutzung und zielgerichteter Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen

Geplant sind Massnahmen für den Ausbau des Strassen- und Schie-nenverkehrs und für einen besseren Verkehrsfluss, die einen positi-ven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ha-ben dürften, da die Kosten im Zusammenhang mit Unfällen und Staustunden gesenkt werden.

 

  • Klimagesetzgebung nach 2020

Um den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren, soll die CO2-Lenkungsabgabe auf Brennstoffen erhalten bleiben. Auch hier gel-ten jedoch Ausnahmen für CO2-intensive Unternehmen.

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