Vom Homo sapiens zum Homo digitalis

Die Digitalisierung schreitet mit Tempo voran. Der Autor macht sich seine eigenen Gedanken dazu und findet einige Entwicklungen beunruhigend.

Vom Homo sapiens zum Homo digitalis

 

 

Davonlaufen geht nicht, kleinreden nützt nichts. Was als reine Umwandlung von ana-logen in digitale Daten begonnen hat, ist Fakt. In der Industrie verbreiten sich zügig die Roboter, und 3D-Drucker bilden die verschie-densten Gegenstände schnell und perfekt nach. Drohnen und selbstfahrende Autos sind keine Science-Fiction mehr. Realität und Vir-tualität verschmelzen zusehends. Ein Ende ist nicht in Sicht.

 

Bereits im Gang ist die nächste Stufe der Evolution – das Internet der Dinge. Der Kühlschrank bestellt den Nachschub selbst, das Auto empfiehlt beim Reifenwechsel gleich die Pneumarke, der Kopierer fordert nicht nur Papier, sondern bestellt in der richtigen Quali-tät.

 

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei das Tempo der Entwicklung. Wie prä-gend das ausfallen kann, haben uns die An-fänge der Digitalisierung vor Augen geführt, als Medienmanager und Händler das Thema zuerst ignorierten, dann zu spät oder halb-herzig reagierten. Heute müssen sie zusehen, wie sie mit den Plattformen der Amerikaner zurande kommen – die Medien mit Facebook, die Händler mit Amazon. Die Spielregeln de-finieren sie jedenfalls nicht mehr. Manager, deren Märkte sich in der digitalen Transfor-mation befinden, sollten aus diesen Erfah-rungen lernen und handeln. Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Es ist nur ei-

 

«Wir sind daran, unser wichtigstes Individualbedürfnis aufzugeben – die persönliche Freiheit.»

 

ne Frage der Zeit, wann welche Branche er-fasst wird. Das Tempo macht letztlich den Sieger. Bereits einen sehr hohen Transforma-tionsgrad haben jene Zweige, deren Produkte komplett digitalisierbar sind (Hightech, Me-dien, Finanzen) oder deren Produkte vorwie-gend von privaten Konsumenten nachgefragt werden. Was nun folgt, sind die B2B-Märkte.

 

Digitalisierung ist für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Die effektiven Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, un-sere Werte und unser Leben werden wir aber erst in ein paar Jahren feststellen. Wir können per App einkaufen, Filme und Musik streamen, Bankgeschäfte online erledigen, uns mit einem Fitnesstracker bewegen. Wir können Selfies, Bilder und Videos von uns mit Freunden und Followers auf den unterschiedlichsten Social-Media-Plattformen teilen, und so weiter. All das bringt Erleichterungen, da und dort aber auch Negatives. Dann sollten wir uns persön-lich einmal kritisch fragen: «Wollen wir das überhaupt?» Ein Zurück gibt es nicht. Wozu auch? Aber wir können abwägen und entschei-den, was uns nützen soll.

 

In der Tat: Der Homo sapiens wandelt sich zum Homo digitalis. Stand in den 1990er-Jahren die Maslowsche Bedürfnispyramide noch auf festem Grund, so hat sich diese heute in eine völlig andere Richtung entwickelt. Zu den Grundbedürfnissen des Homo digitalis zählen jetzt eine stabile und schnelle Internet-Standleitung, überall WLAN, 4G-Netze und Hotspots, Smartphone und Strom. Die Bedürf-nisse nach Geborgenheit, Verständnis und Si-cherheit wurden durch Whatsapp, Google, Navi und Wetter-App abgelöst. Auch unsere sozialen Anker wie Familie, Freundschaft, Liebe und Gruppenzugehörigkeit wurden mit der Digitalisierung durch Facebook, Twit-ter, Instagram und Youtube uminterpretiert. Und wir sind daran, unser wichtigstes Indivi-dualbedürfnis aufzugeben – die persönliche Freiheit. Dafür haben unsere Vorfahren noch gekämpft. Im Internet aber geht es meist dar-um, attraktiver Youtuber zu werden und Mil-lionen Follower zu haben.Völlig überdreht ist das Streben nach Selbstverwirklichung. Wir posten ungehemmt unsere intimsten Ge-heimnisse und Wünsche im Internet auf #meinleben. Wollen wir das wirklich?

 

Persönlich finde ich einige Entwicklun-gen beunruhigend. Ich frage mich, was das wohl für Konsequenzen haben wird. Aber eben, in der digitalen Welt gibt es keinen Aus-Schalter, es gibt lediglich online oder offline. Die Zukunft wird vermutlich nicht besser oder schlechter als die Vergangenheit, sicher aber komplett anders als heute. Anders, als wir uns das jetzt vorstellen können. So oder so: Bereit sein ist alles.

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