Verstärkte Leadership-Anforderungen

Die im September des Jahres in Kraft tretende neueste Version der ISO 9001 legt u.a. stärkeren Wert auf die Führung des Qualitätsmanagementsystems und der Prozesse und damit der Organisation.

Verstärkte Leadership-Anforderungen

 

 

«Durch verstärkte Führungsanforderungen (Mitarbeitende, Kontext, Strategie, Prozessführung Ergebnisorientierung, Integration), wird das QMS nachhaltiger in die Organisation integriert.» Dadurch werden massgebende Erfolgsfaktoren einer Organisation, die ein QMS nach ISO 9001 betreibt, systematischer in die Führungsarbeit einbezogen (NK 5.1). Im Zentrum für ein QMS mit grösstmöglicher Wirkung stehen:

 

Die Rechenschaftsverpflichtung über die Eignung und Wirksamkeit eines QMS liegt als nichtdelegierbare Aufgabe bei der obersten Leitung. Sie schafft die wesentlichen Voraussetzungen, dass die in einem QMS erforderlichen Konzepte mit den dahinterstehenden Mitarbeitenden geeignet sind und zum Tragen kommen, d.h. die beabsichtigten Ergebnisse erzielt werden. Die oberste Leitung lebt diese Verpflichtung aktiv vor. Die 10 erfolgsrelevanten Punkte sind in der Norm als Anforderungen vorgegeben.

 

Mitarbeitende verantworten auf allen Stufen Qualität und produzieren diese tagtäglich. Deshalb befasst sich einer der 10 Leadership- Faktoren mit diesem Erfolgsfaktor «Mitarbeiterbefähigung & deren Einbezug». Faktoren aus dem Umfeld der Organisation verändern sich dynamischer und nicht immer planmässig. Somit steigt die Bedeutung eines rechtzeitigen Erkennens von Risiken und Chancen hinsichtlich beabsichtigter oder möglicher Veränderungen an kurz- und längerfristigen Unternehmensergebnissen (s. Teil1). Der Einbezug des Kontexts und der Strategie bei der QMSPlanung ist eine neue Anforderung. Dieser verpflichtet zu einer längerfristigen Sicht und entsprechender QMS-Planung. Die oberste Leitung sorgt dafür, dass die QMS-Planung mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und dem Kontext im Einklang steht und diesbezügliche Entwicklungen und Veränderungen beachtet.

 

Der Betreiber eines QMS verfügt über eine hohe Freiheit in der Bestimmung, Ausgestaltung und Dokumentierung der Prozesse. Er ist aber nicht frei darin sicherzustellen, dass die festgelegten Prozesse zweckdienlich und voll wirksam sind. Die in der ISONorm eingebauten Freiheiten ermöglichen es in der heutigen Dynamik und Unterschiedlichkeit von Geschäftsmodellen, ein QMS nach ISO 9001geeignet und effizient zu betreiben. Die ISO9001 fordert die Integration der QMS-Anforderungen in die Prozesse.

Instrumente zur Erfüllung der Normforderungen

 

Die klassischen Instrumente wie Qualitätspolitik, Leitbild, Vision/ Mission, Führungsgrundsätze, Grundsätze der internen Kommunikation, Prozesslandschaft sowie Organigramm, Stellen-/Funktionsbeschreibungen, Aufgabenmatrix etc. werden zu diesem Zweck im Folgenden ergänzt. Die ergänzenden Instrumente stellen Möglichkeiten und Anregungen dar, die Normforderungen umzusetzen, erheben jedoch nicht den Anspruch, die einzig möglichen oder in dieser Form zwingend zu sein. Als wirkungsvolles Instrument zur Erfüllung der verstärkten Leadership- Anforderungen des Normkapitels 5 (NK 5) bietet sich ein erweitertes Managementreview an. Kundenergebnisse, Mitarbeiterergebnisse, Systemleistung, Prozessleistung und wirtschaftlicher Erfolg als Ergebnis der Tätigkeit der Organisation (NK3.6.8) werden als geschlossener PDCA-Regelkreis (Plan, Do, Check, Act) zur Erreichung der Unternehmensziele genutzt. Mit Hilfe der im Teil 1 (April-Ausgabe der Management& Qualität) beschriebenen kontextrelevanten Trends, SWOT etc. ergeben sich von der strategischen Ebene bis zur operativen Tätigkeit geschlossene Führungsregelkreise als eine Managementaktivität (Vgl. Abb.1).

Das Managementreview als Führungsinstrument

 

«Durch eine systematische Bewertung von Veränderungen im Kontext, der Risiken und Chancen, sowie den Qualitätszielen ist die Organisation in der Lage, zeitnahe Massnahmen einzuleiten» (NK 9.3). Der Managementprozess sollte ein geschlossener Regelkreis aus strategischer Führung, operativer Führung und dem jährlichen Managementreview sein, wobei das Review eine Analyse der Wirksamkeit der Führungstätigkeit bezweckt. Vor dem Hintergrund von Strategie und Politik werden idealerweise Kundenergebnisse, Mitarbeiterergebnisse, die Leistung der Geschäftsprozesse, die Systemleistung sowie der wirtschaftliche Erfolg gemessen sowie Ziele und Massnahmen daraus abgeleitet und priorisiert. Da eine Momentaufnahme der genannten Faktoren keine fundierte Analyse zulässt, sollte der Verlauf der gewonnenen Daten über mehrere Jahre dokumentiert sein. Mit einer solchen Forderung nähert sich das Modell der ISO 9001 an die Darstellungen im Ergebnisteil des Business Excellence Modells der European Foundation for Quality Management (EFQM) an.

Kundenbedürfnisse erfassen

 

«Durch das systematische Behandeln von Risiken und Chancen können Nichtkonformitäten vermieden, Prozesse verbessert und die Zufriedenheit von Kunden und Interessengruppen nachhaltig gesteigert werden.» (NK 3.26/3.57/ 4.2/5.1.2/9.1.2) Das klassische Vorgehen erfasst häufig die Kundenzufriedenheit, nicht jedoch die Gewichtung der Kundenbedürfnisse. Für eine Priorisierung von Massnahmen sind beide Faktoren wichtig. Es ist wenig sinnvoll, verstärkt Ressourcen für die Verbesserung von – für den Kunden weniger bedeutsamen – Bedürfnissen einzusetzen. Eine grafische Auswertung der Befragungsstatistik, die beide Komponenten wiedergibt, lässt mit einem Blick Schwerpunkte für Massnahmen erkennen. In einer Matrix mit den Achsen «Zufriedenheit » und «Gewichtung» ist der rechtwinklige Abstand eines Messpunktes von der Diagonalen ein Mass für die Handlungsnotwendigkeit. Stark vereinfacht ausgedrückt: Je grösser der Abstand zur Diagonalen bei einer Untererfüllung, desto eher sollte eine Massnahme ins Auge gefasst werden. Bei der Formulierung der Fragen empfiehlt sich ein Pretest in Zusammenarbeit mit ausgesuchten Kunden, damit die Bedürfnislage der Kunden sowohl umfassend als auch präzise erfasst werden kann und die Brauchbarkeit des Vorgehens sichergestellt ist.

 

Zukünftige Bedürfnisse sind durch Umfragen nur schlecht ermittelbar. Es gilt, den Prozess der Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung zu verstehen. Möglichkeiten bieten vertiefte Kontakte zu Kunden (Lead-User-Ansatz) oder die Beobachtung durch Shadowing. Ziel ist u.a., Ideen zur besseren Erfüllung von Kundenbedürfnissen zu sammeln. Im Idealfall können neue, vom Kunden noch nicht ausgesprochene Bedürfnisse abgeleitet werden. Bei den Massnahmen zur Erfassung und Umsetzung von Kundenbedürfnissen ist es je nach Geschäftsaktivität auch ratsam, spezifisch nach Kundenloyalitätssegmenten zu agieren. Je nach Dauer, Intensität und Zukunftspotenzial von Kundenaktivitäten können sich unterschiedliche Ziele und Bedürfnisse herausstellen.

Mitarbeitende fördern

 

«Durch den Einbezug der Mitarbeitenden und externer Auftragnehmer wird das Bewusstsein bezüglich des eigenen Beitrages zur Qualitätsleistung sowie möglicher Konsequenzen bei Nichteinhaltung geschärft» (NK 7.3).

 

Die Durchführung von Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit wird in der Norm nicht explizit gefordert. Im NK 5.1 (Leadership) und im Anhang C wird jedoch darauf verwiesen, dass der Einbezug und die Kompetenz der Mitarbeitenden für alle Normkapitel gelten. Gefordert wird die Identifizierung, Entwicklung und Evaluation des Wissens, der Fähigkeiten, des Verhaltens und der Arbeitsumgebung der Mitarbeitenden (NK 4-10). Mit der ISO 10018 wird hierfür ein eigener Standard veröffentlicht. Eine nutzenorientierte Mitarbeiterbefragung (inkl. Erfüllungsgrad und Gewichtung der Kriterien) zur Mitarbeiterförderung macht also durchaus Sinn. Für diese Befragungen gilt das bereits unter «Kundenbedürfnisse erfassen» gesagte (Vgl. Abb.2). Anstösse für zukünftig benötigtes Wissen, Fähigkeiten, Verhalten und evtl. auch einer veränderten Arbeitsumgebung ergeben sich nicht nur durch den Input der Kundenseite, sondern auch durch die Erkenntnisse der im Teil 1 vorgestellten Analyse des Unternehmenskontexts.

Systemleistung messen

 

«Durch eine integrierte Planung der internen Audits nutzt die Organisation diese als Führungsinstrument zur kontinuierlichen Steigerung der Kundenzufrieden-heit und der Ergebnisse der Organisation » (NK 9.2). Die Systemleistung wird normalerweise im Jahresrhythmus durch interne bzw. durch externe Audits einer zertifizierenden Stelle ermittelt. Auch wenn ein dokumentiertes Verfahren (oder ein schriftlich festgelegter Prozess) für interne Audits nicht mehr gefordert wird, sind dokumentierte Informationen zur Verwirklichung des Auditprogramms sowie dessen Ergebnisse aufzubewahren. Weiterhin besteht die Möglichkeit, ein externes Assessment nach dem Ansatz «Committed to Excellence» bzw. «Recognised for Excellence» der EFQM durchzuführen (In der Schweiz z.B. durch die SAQ, Bern, angeboten). Ein Fragebogen der SwissBex Initiative auf der Homepage der SAQ erlaubt eine interne Kurzbewertung. Eine Zwischenstufe wird in der Form einer Kombination des Audits nach ISO 9001 mit einer Erweiterung der Aspekte der ISO 9004 von zertifizierenden Stellen angeboten.

An Ergebnissen orientieren

 

«Durch eine detaillierte Planung stellt die Organisation sicher, dass relevante Führungsinformationen zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität bereitgestellt werden können.» (NK 9.1). Es ist sinnvoll, betriebswirtschaftliche Daten in den Review einzubeziehen. Die Vernetzung der Finanzdaten mit der Analyse auf Kunden-, Mitarbeiter-, System- und Prozessseite erlaubt die Ableitung wichtiger Ursache/ Wirkungs-Relationen. Im Minimum sollte die Darstellung von Umsatz, Kosten und Cash Flow (vereinfacht als Summe von Gewinn und Abschreibungen) erfolgen. Falls die Angabe in absoluten Zahlen nicht erwünscht ist, kann mit der relativen Entwicklung gearbeitet werden. Hierbei wird der Umsatz eines bestimmtem Jahres zu 100 % gesetzt und die Faktoren, auch im zeitlichen Verlauf, darauf bezogen. Die operativen Daten zu Kunden, Mitarbeitern, Prozessen, wirtschaftlichen Ergebnissen und Verbesserungsaktivitäten können als Teil des Managementreviews in einem operativen Cockpit zusammengeführt werden. Eine Balanced Scorecard oder analoge Ansätze dienen als Wegweiser für den Fortschritt der Strategieumsetzung.

Realitäten sowie komplexe Ursachen- Wirkungs-Zusammenhänge besser verstehen

 

«Durch eine systematische Erfassung, Analyse und Beurteilung von Daten schafft die Organisation eine solide Grundlage, damit betriebliche Realitäten und komplexe Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge besser verstanden und daraus mit grösserer Objektivität und Vertrauen erforderliche Entscheide gefällt werden können. » (NK 9.1.3)

 

Eine besondere Herausforderung ist das Erkennen der Stellhebel und komplexen Wirkmechanismen eines Systems. Hierzu eignet sich die Methode des vernetzten Denkens mit der grafischen Verdeutlichung als Relationendiagramm. Dabei können sowohl die Art (positiv, negativ) und Stärke (schwach, mittel, stark) der Einflüsse als auch die Reaktionsgeschwindigkeit (kurz-, mittel-, langfristig) aufgezeigt werden (Vgl. Abb. 3). Eine andere Methode ist der Einsatz von Entscheidungsbäumen.

Verbesserung führen

 

«Erfolgreiche Organisationen haben einen starken Fokus auf der fortlaufenden Verbesserung – denn Verbesserung ist essenziell, um gegenwärtige Leistungsniveaus aufrechterhalten zu können, um auf Veränderungen im Kontext der Unternehmung reagieren und neue Chancen und Möglichkeiten wahrnehmen zu können.» (NK 10.3) Die Bedeutung geschlossener Verbesserungsregelkreise nach dem PDCA-Ansatz wird durch ein eigenes Kapitel (NK 10) unterstrichen. Die einschlägigen Methoden der permanenten Verbesserung sind hinreichend bekannt. Nützlich sind aber auch z.B. die weniger eingesetzte Fehlermöglichkeits- und einflussanalyse (FMEA) oder das Quality Function Deployment (QFD). Wichtig für die Führung – und insbesondere – Selbstführung der Teams und Mitarbeitenden ist die Visualisierung der konkreten Ziele, laufenden Aktivitäten und erreichten Ergebnisse (Storyboard-Ansatz). Durch die Visualisierung wird zudem die Übertragung in andere Teams, Prozesse oder Bereiche der Organisation unterstützt.

Das System dokumentieren

 

Die Normrevision wurde genutzt, die Wirksamkeit und den strategischen Nutzen eines QMS ins Zentrum zu stellen (s. Textbox «beabsichtigte Ergebnisse eines QMS nach ISO 9001»). Dokumentenforderungen kommen da zum Zug, wo tatsächlich nötig und geeignet. Faktoren wie Unternehmensart und Grösse, Komplexität, Geschäftsmodell, Kompetenz &Wissen, Lenkungsgrad der Prozesse, Nachweissicherheit, Erwartung interessierter Parteien, eigene Zielsetzungen wie z.B. Kommunikation, Bewusstseinsbildung, Wissenszugang, etc., spielen dabei eine Rolle (NK 7.5.1).

 

Durch den Begriff «dokumentierte Information» statt «Dokumente » wird u.a. Unabhängigkeit vom eingesetzten Medium signalisiert. Erforderliche dokumentierte Informationen sind jeweils am Ende eines Normkapitels explizit erwähnt, da wo ISO 9001 Vertrauen über die Lenkung der betreffenden Geschäftstätigkeit oder über die Nachweisführung spezifisch erwartet. Es liegt in der Verantwortung des Anwenders – auf seine Organisation zugeschnitten – das geeignete Mass an dokumentierter Information zu bestimmen und sicherzustellen.

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