Verstärkte Anforderungen an die Ergebnisund Prozessorientierung

Die im September dieses Jahres in Kraft tretende neueste Version der ISO 9001 stellt u.a. verstärkte Anforderungen an die Ergebnisorientierung der Organisation basierend auf einem unbürokratischen, wirksamen Prozessmanagement. Möglichkeiten für eine praktische Umsetzung werden anhand eines durchgängigen und strategiekonformen Prozessmanagements aufgezeigt.

Verstärkte Anforderungen an die Ergebnisund Prozessorientierung

 

 

 

Den dritten Teil der vorliegenden Artikelserie schliessen Hinweise für die Handhabung von Wissen im Zusammenhang mit dem Prozessmanagement ab. Die in diesem Artikel vorgestellten ergänzenden Instrumente stellen Möglichkeiten und Anregungen dar, die Normforderungen umzusetzen, erheben jedoch nicht den Anspruch, die einzig möglichen oder in dieser Form zwingend zu sein.

Was gilt für das QMS?

 

«Gemäss der Festlegung zum Anwendungsbereich muss die Organisation sicherstellen, dass Kontext, interessierte Parteien sowie Produkte und Dienstleistungen berücksichtigt wurden» (NK 4.3.5.). Bisher galt es, den Anwendungsbereich und allfällige Ausschlüsse als Teil des QM-Handbuchs festzulegen. Neuerdings ist die Bestimmung eines Anwendungsbereichs präziser vorgegeben: So können z.B. Organisationsteile, physische Standorte etc. abgegrenzt werden. Innerhalb der vorgenommenen Abgrenzung sind alle ISO-9001-Anforderungen anzuwenden, soweit diese anwendbar sind (keine freien Ausschlüsse). Der dokumentierte Anwendungsbereich muss die Art der abgedeckten Produkte und Dienstleistungen umfassen und zu jeder Normforderung, welche die Organisation als nicht anwendbar klassifiziert, eine Rechtfertigung beinhalten. Bei der Festlegung des Anwendungsbereichs sind die Kontextthemen, d.h. relevante interne und externe Themen, die Anforderungen identifizierter wichtiger interessierter Parteien (NK 4) sowie die Produkte und Dienstleistungen der Organisation zu beachten.

Prozesse für Ergebnisse

 

Die neuen Normforderungen zum Prozessmanagement treffen einen wichtigen Punkt der Wettbewerbsfähigkeit. Der aktuelle wirtschaftliche Kontext zwingt Unternehmen häufiger dazu, Prozesse in kürzeren Zeitabständen anzupassen, wenn ständig ändernde Forderungen erfolgreich bewältigt sein wollen. Was hinsichtlich eines wirksamen und geeigneten QMS an Prozessen benötigt wird, ist durch das Unternehmen selbst zu bestimmen. Das NK 4.4.1 gibt dazu präzise Vorgaben und erläutert, wie Prozesse unter Beachtung von Risiken und Chancen auszustatten sind, damit sie hinsichtlich Erreichung der beabsichtigten Ergebnisse des Unternehmens volle Wirksamkeit erlangen.

 

Dokumentierte Prozesse helfen dem Unternehmen bei der Umsetzung eines wirksamen Prozessmanagements. Dokumentationen sind neu wesentlich stärker mit der Nutzenbrille zu betrachten und nicht als starre Pflicht zu sehen. Dokumentierte Prozessinformation (Prozessdokumente) ist mindestens in dem Masse aufrechtzuerhalten, wie diese die Durchführung der Prozesse geeignet zu unterstützen vermag. Der Umfang an dokumentierter Information ist abhängig vom zu erwartenden Risiko und von effizienzmindernden Faktoren wie Missverständnisse, Fehlerquellen, höhere Aufwendungen, Kommunikationsmängel u.a.m. Die Norm enthält in der Einleitung (NK 0.3) zudem eine hilfreiche schematische Darstellung der Elemente eines Einzelprozesses inklusive der Wechselwirkungen seiner Elemente und der für die Steuerung benötigten Kontrollpunkte zur Überwachung und Messung.

Prozesse im Regelkreis führen und verbessern

 

Die stärkere Ergebnis- und Nutzenorientierung eines QMS äussert sich insbesondere im Verbesserungskreislauf der Prozessleistung und (QM-) Systemleistung nach dem PDCA-Modell (Plan, Do, Check, Act). Dies gilt insbesondere für die (Geschäfts-) Prozesse.

 

«Die stärkere Betonung der Qualitätsziele in Bezug auf die Prozesse stellt sicher, dass die Organisation die Anforderungen der Leistungsempfänger quantifiziert und konsistent erfüllt, eine effektive Prozessleistung anstrebt und ihre Prozessverbesserungen basierend auf der Evaluation von Daten und Informationen lenkt» NK 6.2.1. Hilfestellung dazu bieten die Anforderungen der Norm in Bezug auf den Reifegrad der Prozesse (NK 4.4.1.). Folgende Festlegungen werden verlangt:

 

  • Abfolge und Wechselwirkungen der Prozesse, 
  • Eingabe, (Durchführung) und Ergebnisse,
  • Verantwortungen und Befugnisse,
  • Verfügbarkeit von Ressourcen,
  • Risiken und Chancen,
  • Wirkung und Lenkung der Prozesse, 
  • Methoden für Überwachung, Messung und Bewertung,
  • Chancen zur Verbesserung.

Abfolge und Wechselwirkung der Prozesse

 

«Konsistente und vorhersehbare Resultate können wirksamer und effizienter erzielt werden, wenn Tätigkeiten als miteinander in Wechselwirkung stehende Prozesse – die als kohärentes System funktionieren – verstanden, geleitet und gelenkt werden» (NK 4.4.5.1.). Ein solches System von Prozessen wird als Prozessarchitektur oder Prozesslandschaft bezeichnet. Ein oder mehrere Geschäftsprozesse (GPs) stellen die Ergebnisse für externe Kunden sicher. Wirksame GPs werden durch die Analyse der Bedürfnisse und Erwartungen (Anforderungen) der Kunden identifiziert. Haben alle Kunden in etwa die gleichen Anforderungen, reicht ein GP. Bei Kundengruppen mit jeweils stark unterschiedlichem Leistungsbedarf (z.B. Unternehmensfinanzierung vs. Jugendsparkonto einer Bank) oder mit stark unterschiedlicher Komplexität der Anforderungen (z.B. Standard- vs. Spezialprojekt, Standardmaschine vs. Spezialanlage etc.), liegt die Einrichtung mehrerer GPs nahe (was noch nicht bedeutet, dass sie unterschiedliche Ressourcen nutzen). Die Supportprozesse laufen von den Anforderungen der internen Kunden bis zu deren Erfüllung. Die Managementprozesse haben sowohl externe (z.B. Kapi

 

Als Bindeglied zwischen Strategie und operativen Prozessen sollte eine prägnante Darstellung und die Abbildung in der IT erfolgen.

 

talgeber, Öffentlichkeit) als auch interne Anspruchsgruppen (z.B. Mitarbeitende). Als Bindeglied zwischen Strategie und operativen Prozessen sollte eine prägnante Darstellung und die Abbildung in der IT erfolgen.

Eingabe, (Durchführung) und Ergebnisse

 

«Durch eine prozess- und risikobasierte Planung und Steuerung soll sichergestellt werden, dass die Outputs der Planung für die Organisation geeignet sind» (NK 8.1). Für die Darstellung der Prozesse existieren diverse Methoden, z.B. Ablaufdiagramm, BPMN (Business Process Model and Notation), Swim-Lane-Darstellung etc. Auf operativer Ebene sollte die Verwendung von Checklisten geprüft werden, die bei Bedarf als Vorgabe- und Nachweisdokument dienen können (oder für ITgestützte Workflows). Verfahrensanweisungen bieten weitere Unterstützung.

Verantwortungen und Befugnisse

 

in Bezug auf ernannte Prozesseigner und Mitarbeitende können z.B. in einer Verantwortungsmatrix und/oder als Berechtigungen im Workflow, in Informations-, Planungs- und Steuerungssystemen festgehalten sein.

Verfügbarkeit von Ressourcen

 

Die für die Prozesse erforderlichen Ressourcen müssen festgelegt und verfügbar gemacht werden. Es muss klar sein, welche Art von Ressourcen benötigt werden, wo allenfalls Begrenzungen bestehen und was demnach von extern bezogen wird. Die Planung von Ressourcen bezieht sich vorab auf Personen, Infrastruktur, Prozessumgebung, und sie schliesst speziell auch die diejenigen Ressourcen mit ein, welche zur Messung und Überwachung der Prozesse und der Qualität von Produkten und Dienstleistungen benötigt werden: «Durch eine systematische Analyse und Bewertung der internen Ressourcen können Engpässe vermieden und ggf. rechtzeitig externe Ressourcen evaluiert und bereitgestellt werden» (NK 7.1). Dies kann z.B. bedeuten, dass die Fähigkeiten der Mitarbeiter in Kompetenzmatrizen festgehalten sind, auch als Basis für deren Weiterentwicklung. Fähigkeiten und Leistungsgrenzen von Anlagen und Infrastruktur sollten  in ähnlicher Form bekannt sein. Auswahlkriterien für externe Anbieter, «make or buy»-Evaluationen etc. sowie deren Dokumentation dienen dem Nachweis.

Risiken und Chancen

 

Eine Beschreibung in einem Prozessblatt enthält in konzentrierter Form Angaben zum Prozessverantwortlichen, einzuhaltende Vorschriften und Richtlinien, besondere Risiken, eingesetzte Methoden und IT-Tools, Inputs, Outputs und Schnittstellen des Prozesses, die Lieferanten in den Prozess, die (internen) Kunden und insbesondere Prozessmessgrössen mit deren Zielen für die Messung und Verbesserung der Prozessleistung (s. dazu auch das Managementreview in der Juni-Ausgabe dieser Zeitschrift).

Wirkung und Lenkung der Prozesse

 

Die ISO-9001-Forderungen auf der Beschaffungsseite umfassen die 3 Kategorien «Produkte, Dienstleistungen und Prozesse», welche über externe Anbieter besorgt werden und das Leistungsvermögen des Unternehmens mitbestimmen. Dabei

 

  • muss die Fähigkeit des Unternehmens, seinen Kunden fortgesetzt konforme Produkte und Dienstleistungen zu liefern (Leistungsversprechen) und Kundenzufriedenheit und/oder Kundenloyalität zu erreichen, gewahrt bleiben,
  • müssen Prozesse oder Funktionen, welche durch einen externen Leistungserbringer bereitgestellt werden, unter der QMSKontrolle des Unternehmens bleiben,
  • muss sich Art und Umfang der Steuerung derjenigen Prozesse, welche externe Anbieter und ihre relevanten Ergebnisse betreffen, vom Unternehmen risikobasiert erfolgen (Einfluss auf die Fähigkeit, beabsichtigte Ergebnisse zu liefern).

 

«Durch eine risikobasierte Kontrolle externer Anbieter stellt die Organisation somit auch sicher, dass Kundenanforderungen nachhaltig erfüllt werden können.» (NK 8.4.2). Hierzu dienen Lieferantenaudits, Leistungskontrollen, Validierungs-/ Verifizierungsnachweise etc.

 

Z u den Prozessen werden mit Vorteil risiko- (und chancen-) orientierte Leistungsmessgrössen eingeführt.

 

Zu beachten ist, dass die Steuerung der Herstellung und der Dienstleistungserbringung ebenfalls die Tätigkeiten nach Auslieferung geeignet einschliesst. Es sind dies z.B. Leistungen

 

  • welche auf Kundenanforderungen und/oder Leistungsversprechen basieren (Garantie, Unterhalt, Recycling, Rücknahmen, Reparatur, Kommunikation etc.),
  • welche auf gesetzlichen/behördlichen Anforderungen basieren (z.B. Kontrollaufgaben, Produktüberwachungen, Rückruffähigkeiten, Informationsund Meldepflichten etc.),
  • welche risikobasiert entschieden werden, um unerwünschte Konsequenzen im Zusammenhang mit der Produktverwendung oder Dienstleistungsnutzung zu vermeiden, 
  • welche chancenorientiert entschieden werden, um sich über besondere (Service-) Leistungen zu positionieren/zu differenzieren, 
  • sonstige Kundendienstleistungen beinhalten (Feedbacks, Reklamationsbehandlung, Kundensupport, Loyalitätsprogramme etc.).

Methoden für Überwachung, Messung und Bewertung

 

Zu den Prozessen werden mit Vorteil risiko- (und chancen-) orientierte Leistungsmessgrössen, Key Performance Indicators etc. unter Angabe der Messanlässe, -häufigkeit und Massnahmen bei Abweichungen im Prozessblatt (s. oben) festgelegt. Vielfach werden die Messresultate übersichtlich in einem Prozesscockpit zusammengefasst. Ein Ampelsystem erlaubt einen raschen Überblick über den Leistungsstand aller relevanten Prozesse. Nicht zuletzt dienen die Resultate (z.T.) als Basis in der Prozessperspektive einer Balanced Scorecard. Grundlage ist die Festlegung der verwendeten Messmethode je Prozess.

Chancen zur Verbesserung

 

Mit den (priorisierten) Massnahmen wie etwa interne Audits von Prozessen, Prozessanalysen, Trainings, Verbesserungsworkshops etc. schliesst sich der (PDCA-)Regelkreis. Die permanente Verbesserung der Prozesse wird durch Methoden, wie etwa Brainstorming, Ishikawa-Diagramm oder Prozess-FMEA, unterstützt.

Was wissen wir und wie nutzen wir unser Wissen?

 

Eine anspruchsvolle Neuerung von ISO 9001 ist der erforderliche systematische Umgang mit dem Wissen der Organisation. Handhabung von Wissen steht hier klar im Fokus und Dienste erfolgreicher und effizienter Prozesse und der Erzielung beabsichtigter QMS-Ergebnisse. Eine wirksamer Einsatz von Wissen funktioniert besser wenn

 

  • das für die Schlüsselprozesse erforderliche Wissen geeignet definiert, aufrechterhalten und optimal zugänglich ist, 
  • ändernde Erfordernisse und massgebende Trends regelmässig beachtet werden, um Zusatzwissen, notwendige Updates etc. rechtzeitig einsatzbereit zu haben.

 

«Ein systematischer Umgang mit Wissen der Organisation aus

 

  • – internen Quellen wie z.B. geistiges Eigentum, gewonnene Erfahrungen, Lernen aus Fehlern oder erfolgreichen Projekten (PDCA!), Erfassen von nicht dokumentiertem Wissen, Spezialisten- Know-how in der Organisation sowie aus 
  • externen Quellen wie Normen, Wissenschaft, Konferenzen oder im Austausch mit Kunden und Lieferanten befähigt die Organisation zur Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. » (NK 7.1.6. )

 

Neben der verstärkten Dokumentation des Erfahrungswissens in den Prozessbeschreibungen und Arbeitsanweisungen, aus FMEAs etc. können leicht zugängliche Sammlungen von Informationen z.B. in einer Mediathek oder in Wissens-Datenbanken und ein regelmässiger Austausch in Arbeitsgruppen (z.B. ERFA oder in Verbesserungs-Projektguppen) beitragen.

 

 

 

 

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