Vernetzte Autos sollen von kommerzieller Software profitieren
Vernetzte Autos, die von kommerzieller Software profitieren, können Automobilherstellern helfen, Technologie schneller auf den Markt zu bringen. Dieser Auffassung sind die Autoren Aniello Pepe und Marco Lanzetta in ihrem Gastkommentar.
Ein Auto ist nicht mehr nur eine eigenständige Maschine für den persönlichen Transport. Es ist mit einem umfangreicheren digitalen Ökosystem verbunden und sollte als Erweiterung für die Mobilität dienen, genauso wie das Smartphone für die Kommunikation. Vernetzte Autos sind auf dem Vormarsch und machen bereits 50 % der weltweit verkauften Neuwagen aus. Bis 2030 soll der Anteil 95 % erreichen. Ein Auto wird heutzutage auf Software aufgebaut – nicht mehr umgekehrt – und Hersteller können alle Möglichkeiten nutzen, die diese datenreichen Fahrzeuge bieten.
Vernetzte Autos sind die Zukunft – doch es gibt noch Lücken
Die Automobilindustrie verändert sich in einem noch nie dagewesenen Tempo. Laut einem Bericht der Beratungsfirma McKinsey & Co. soll der Markt für Fahrzeugsoftware bis 2030 jährlich um 9 % wachsen. Das betrifft alle Bereiche, von der Forschung und Entwicklung bis hin zu den Fahrzeugfunktionen und anderen Bereichen, die einer digitalen Transformation unterliegen, wie Vertrieb, Kundendienst und Produktion.
Das wirkt sich auch auf das Fahrerlebnis aus. Wenn Autohersteller die Konnektivität der Fahrzeuge verbessern und Daten nutzen können, können sie intuitive, personalisierte Services erstellen, mit denen die von ihnen erwarteten „intelligenten“ Erlebnisse bereitgestellt werden. Daten können alles antreiben – von KI-Assistenten bis zu intelligenten Navigationslösungen. Ausserdem nutzen Marken wie Hyundai oder Ferrari bereits die Chance, Daten einzusetzen, um das Kundenverhalten besser zu verstehen, was wiederum zu weiteren Geschäftsmöglichkeiten führt. Doch wie können Autohersteller die Konnektivitätslücke schliessen, um diese neuen Möglichkeiten und Erfahrungen zu bieten?
Ein Data-First-Ansatz
Je intelligenter Fahrzeuge werden, desto mehr wächst die Datenmenge, die sie generieren, exponentiell. Original Equipment Manufacturers (OEMs) sind sich darüber im Klaren, dass sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten analysiert werden können, um wertvolle Einblicke und konstantes Produktfeedback zu erhalten. Mit einer datengesteuerten Infrastruktur können sie agiler werden, sich an die Verbrauchernachfrage anpassen und die Markteinführungszeit für neue digitale Produkte und Mobilitätsservices verkürzen.
Autohersteller, die bereits von Legacy-Systemen zur Cloud gewechselt sind, modernisieren nun ihre Geschäftsanwendungen und -prozesse und nutzen gleichzeitig die unvergleichliche Sicherheit, Skalierbarkeit und Agilität von Cloud-Plattformen. Cloud-Infrastruktur und -Anwendungen helfen dabei, datengesteuerte Fahrzeuge zu optimieren, Lieferketten-Management und intelligente Fabriken miteinander zu verbinden und verschiedene Aspekte des Kundenservice zu automatisieren.
Der Data-First-Ansatz hat sich bewährt. Mazda Motor Europe spart beispielsweise Zeit und steigert die Effizienz mit einer cloudbasierten Kundendatenplattform. Mit einer umfassenden Suite von Datenmanagementlösungen kann das Unternehmen nahtlos auf allen Märkten zusammenarbeiten, die Kontinuität der Customer Journeys sicherstellen und den Umsatz durch Automatisierung steigern.
Die Inhouse-Frage
Autohersteller haben eine Entscheidung zu treffen: Entwickeln sie ihre Konnektivitätsdienste selbst oder beziehen sie Lösungen von anderen Anbietern? Eine weitere McKinsey-Studie zur Mobilitätsinvestitionslandschaft ergab, dass Konnektivität mit Investitionen in Höhe von 61 Milliarden US-Dollar die unbeliebteste Investitionskategorie ist, verglichen mit den 206 Milliarden US-Dollar, die in autonome Fahrzeuge und intelligente Mobilitätstechnologien fließen. Während das darauf hindeutet, dass viele Unternehmen für Konnektivität eine Inhouse-Entwicklung bevorzugen, hat diese jedoch sowohl Vor- als auch Nachteile.
Die intern entwickelte Technologie kann OEMs von der Konkurrenz abheben. Kunden und Autofahrer werden sich für sie entscheiden, weil sie einen Mehrwert bieten – zum Beispiel die ausschließlich von ihnen entwickelte Technologie, die andere nicht anbieten. Wenn Sie jedoch alles selbst entwickeln, besteht die Gefahr einer Überanpassung, die Ihre Ressourcen belastet und Ihre digitalen Dienste von einer vollständigen, Smartphone-ähnlichen Konnektivität abhält.
Diese Art der Überanpassung hat die Fähigkeit der Fahrzeughersteller zur Einführung neuer digitaler Modelle und Dienste verlangsamt. Für viele wäre es besser, sich von den Zwängen der bestehenden Systemarchitektur zu lösen und einen stärker standardisierten, modularen Ansatz zu wählen. Auf diese Weise können sie mehr Services von Drittanbietern integrieren, schneller skalieren und das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt ihres Unternehmens stellen.
Skalierung mit Out-of-the-box-Lösungen
Im neuen Zeitalter der Autokonnektivität überdenken OEMs die Art und Weise, wie sie Software entwickeln. Sie erwägen die Verwendung von standardmäßigen Komponenten etablierter Anbieter, um die Komplexität zu reduzieren und die Markteinführungszeit zu verkürzen. Es gibt inzwischen zahlreiche Digital-Native-Anbieter mit Software, die in der Automobiltechnologie verwendet werden kann und die reibungslosen Smartphone-Funktionen widerspiegelt, die Kunden gewohnt sind. Der Trick besteht darin, eine Möglichkeit zu finden, digitale Services einzusetzen, die Kunden bereits nutzen, und diese out-of-the-box bereitzustellen. Das würde zu einem flexibleren System führen, das die Monetarisierung sowohl im B2B- als auch im B2C-Kontext ermöglicht, indem neue Einnahmequellen durch die digitalen Funktionen der Autos, den Verkauf der erfassten Daten etc. erschlossen werden. Das bedeutet im Endeffekt mehr Umsatz und ein erstklassiges Kundenerlebnis.
Ein Bereich, der für diesen Fertiglösungs-Ansatz geeignet ist, ist die Umsatzverwaltung für digitale Services. Bei vielen OEMs ist dieser Bereich fragmentiert, da die Zahlungsfunktionen auf mehrere Abteilungen verteilt sind. Einige verwalten abonnementbasierte Modelle für vernetzte Fahrzeugfunktionen, während andere die API-Überwachung und -Monetarisierung für dritte Datenaggregatoren oder Anbieter, Online-Verkäufe und mehr abdecken. Diese Abteilungen und Kunden-Frontends mögen zwar von verschiedenen Systemen betrieben werden, sie haben aber dasselbe Ziel – Datenflüsse oder Services für Dritte, Kunden oder Fuhrparkmanager zu aktivieren und modernste Zahlungsmethoden bereitzustellen. Warum also nicht zum Beispiel Zahlungsdienste in einen Out-of-the-box-Stack integrieren, den das gesamte Unternehmen nutzen kann? Tatsächlich gibt es bereits E-Commerce-Funktionen für Autos, um Maut- und Parkgebühren zu bezahlen.
Neben der Bezahlung gibt es eine Reihe von autospezifischen Softwarelösungen, von denen Fahrer und Unternehmen profitieren können. ODO DRIVE etwa nutzt Autodaten, um eine intelligente Fahrzeug- und Fahrermanagementplattform mit Oracle Cloud bereitzustellen. Das Dashboard bietet eine vollständige Übersicht über alle Fahrzeuge und umfassende Analysen basierend auf Echtzeitdaten. Auf diese Weise können Kosten gesenkt werden – vom Kraftstoff über die Wartung bis hin zur Versicherung.
Zukunftsorientierte Mobilität
Angesichts der Tatsache, dass sich vernetzte Autos laut verschiedenen Prognosen im nächsten Jahrzehnt allgemein durchsetzen werden, ist es unerlässlich, dass sich die OEMs entsprechend vorbereiten. Die meisten haben Pläne für hochautonome Fahrzeuge angekündigt, und sogar eine vollständige Automatisierung könnte früher erreicht werden, als wir denken. Um dorthin zu gelangen, muss jedoch die Konnektivitätslücke überbrückt werden, die durch die interne Serviceentwicklung noch weiter vergrößert werden könnte.
Vernetzte, autonome, Sharing- und Elektrofahrzeuge eröffnen lukrative Möglichkeiten für die Automobilindustrie. Angesichts der technologiegetriebenen Trends in Bezug auf die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen und Elektroautos ist es für Automarken jetzt an der Zeit, sich Daten und all ihre Vorteile zu eigen zu machen. Wenn diese ihre Ressourcen effizient einsetzen und dort, wo es sinnvoll ist, Out-of-the-box-Software verwenden, können sie ihr Ziel, Fahrzeuge so zu vernetzen wie Smartphones, effektiver verwirklichen. Auf diese Weise erhalten sie die Anpassungsfähigkeit, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein, während Fahrer von intuitiven Erlebnissen profitieren.
Autoren:
Aniello Pepe ist Global Director for Automotive bei Oracle in Mailand. Marco Lanzetta ist Director of Digital Transformation and Connectivity for Automotive bei Oracle in Zürich.