Unternehmenswerte – eine unterschätzte Grösse im Change Management

«Die Planungstheorien spiegeln den Machtträgern eine Objektivität vor, die zur Un- terdrückung der Partizipation mit ihrer wechselhaften Unberechenbarkeit verführt.» (Lucius Burckhardt). Persönlich betroffen von der mittlerweile zweiten Reorganisati- on seines ehemaligen Arbeitgebers – ein mittleres KMU tätig im Gesundheitswesen – stolperte der Verfasser dieses Beitrags über dieses Zitat. Im Rahmen einer Mas- terarbeit zum Thema «Change Management» verarbeitete er seine Erfahrungen.

Unternehmenswerte – eine unterschätzte Grösse im Change Management

Viel war und ist in Bewegung, und immer ist die Rede von «Change Management», «Partizi­ pation», «Unternehmenswerte», «vorleben», oder auch das berühmte «Führen durch Vor­ bild». Nur allein die Praxis bzw. die Erlebens­ welt der Mitarbeitenden zeigte das genaue Ge­ genteil von all dem durch das oberste Manage­ ment Proklamierte und – schlimmer noch – Vorgelebte.

 

So nutzte ich meine berufliche Situati­ on also, um das Praktische mit dem Nütz­ lichen zu verbinden, und beschäftigte mich mit der Frage, welche Konzepte des Change Management von Führungskräften angewen­ det werden müssen, um die Unternehmens­ werte von Organisationen der Langzeitpflege nachhaltig, auf positive Weise, zu beeinflus­ sen.

Einführung und Methodik
Um die Fragestellung nach einem möglichen Zusammenhang beantworten zu können, wählte ich eine Literaturrecherche und such­ te in den gängigsten Datenbanken wie Pub­ Med, Cochrane Library, ScienceDirect, WISO, EconLit und ERIC nach bedeutungsvollen Studien und Artikeln zum Thema, um an­ schliessend in einem Reduktionsverfahren die gefundenen Studien auf die zehn für die Fragestellung relevantesten Studien zu redu­ zieren. Im Anschluss an die Literaturrecher­ che wurde anhand der gewonnenen Erkennt­ nisse ein Fragebogen entwickelt und zwei Experten aus der Praxis in qualitativen Inter­ views zum Thema befragt.

 

Das Change Management bildet die Grundlage jeden Wandels. Es beschreibt Techniken und Konzepte, die sich mit dem Faktor «Mensch» und dessen Einfluss auf Veränderungen befassen, damit die ange­ strebten Veränderungen zum Erfolg führen (Keuper et al. 2007, S. 11ff.). Trotz des vor­ handenen Wissens schlagen die meisten Change­Management­Projekte fehl bzw. sind nicht nachhaltig. Davon ausgehend, stellte ich in meiner Arbeit die Ausgangs­ hypothese, dass Führungskräfte dieses vor­ handene Wissen, die Theorien, Konzepte und Techniken des Change Management nicht adäquat anwenden. Die Missachtung der Theorien führt in der Praxis zu fehl­ geschlagenen bzw. nicht nachhaltigen Change­Management­Projekten. Würden die vorhandenen Theorien, Konzepte und Techniken von den Führungskräften korrekt angewendet werden, wären nachhaltige Er­ gebnisse von Change­Management­Projek­ ten und tatsächlich gelebte Unternehmens­ werte die logische Folge.

Ergebnisse und Erkenntnisse
Führungskräfte spielen in den Verände­ rungsprozessen von Unternehmen eine Schlüsselrolle. Die reine Beschränkung der Change­Management­Projekte auf einige Konzepte aus der Theorie des Change Ma­ nagement ist isoliert betrachtet nicht der Er­ folgsfaktor. Im Rahmen meiner Masterarbeit war es mir möglich, nachzuweisen, dass es die Verbindung zwischen den Unterneh­ menswerten, der Unternehmenskultur und einer dementsprechend kongruenten Füh­ rung ist, die zu einem nachhaltigen Umset­ zungserfolg von Change­Management­ Projekten führt.

 

Vor allem in Veränderungsprozessen geht es um den Faktor Mensch, der mit seinen Wertvorstellungen, Handlungen, Einstellun­ gen und Ideen massgeblich am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens beteiligt ist (Keuper et al. 2007, S. 11ff.).

 

Die Kultur eines Unternehmens kann als anthropologische Metapher, als ein Wer­ tegerüst gesehen werden, welches dazu dient, das Unternehmen in seinen agieren­ den Umfeldern darzustellen und den Mitar­ beitenden eine sinnstiftende Zielsetzung zu bieten. Eine Veränderung von Organisatio­ nen im Rahmen von Change­Projekten muss also unter Einbezug der geltenden Kulturen, Normen und Werte eines Unternehmens er­ folgen.

 

Einige der analysierten Studien gehen auf die Rolle der Führungskräfte im Bereich des Change Management ein. Sie weisen nach, dass ein möglicher Mangel an Füh­ rungskompetenzen bei den Führungskräften Ursache für fehlgeschlagene bzw. nicht nach­ haltige Change­Projekte sein können. So sind es in der Hauptsache die Führungskräfte, die mit ihrer Führungskultur und ihrem Füh­ rungsverständnis die Unternehmens­ und Arbeitskultur massiv beeinflussen.

Unternehmenswerte: Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Unternehmenswerte sollten den Mitarbei­ tenden ihren Handlungsrahmen aufzeigen und ein verlässlicher Anhaltspunkt beson­ ders in unruhigen Zeiten sein. Damit dies so ist, ist es von absoluter Wichtigkeit, dass die Unternehmenswerte klar definiert und in erster Linie von den Führungskräften vorge­ lebt werden.

 

Die Erfahrung der interviewten Exper­ ten zeigt, dass es oftmals eine Differenz zwi­ schen den postulierten und den tatsächlich gelebten Unternehmenswerten gibt. Diese Differenz kann bei den Mitarbeitenden gros­ se Unsicherheit bis hin zum Gefühl der Ver­ ängstigung auslösen. Das wiederum kann zu einem Misserfolg bei Change­Projekten bzw. der angestrebten Nachhaltigkeit führen. Im Kern geht es darum, dass sich ein Unterneh­ men sehr gezielt mit seinen Werten ausei­ nandersetzt und gemeinsam mit den Mitar­ beitenden in Verhandlungen um dieselben tritt. Es sollte ein Findungsprozess, ein Rin­ gen um die einheitliche Auslegung der postu­ lierten Werte gehen.

 

Die Experten sind sich in diesem Punkt einig und bestätigen aufgrund ihrer Praxis­ erfahrung, dass die unterschiedliche Ausle­ gung oftmals auf eine mangelnde Kommuni­ kation bzw. eine zu wenig ehrliche und tief­ gehende Auseinandersetzung mit den Unter­ nehmenswerten zurückzuführen ist. Sie wei­ sen darauf hin, dass Führungskräfte durchaus der Meinung sein können, im Sinne der pos­ tulierten Werte zu agieren, die Mitarbeiten­ den aber etwas völlig anderes aus dem erleb­ ten Führungsverhalten interpretieren.

 

Aufgrund der Erkenntnisse aus meiner Forschungsarbeit scheint klar zu sein, dass sich Faktoren wie Unabhängigkeit, Engage­ ment, Loyalität, Partizipation, Autonomie und Akzeptanz positiv auf Change­Projekte sowie deren Nachhaltigkeit auswirken.

Handlungsempfehlungen
Die Umsetzung der postulierten Unterneh­ menswerte muss von der obersten Führung durch ein klares Vorleben gewährleistet sein. So bedingen sich Veränderungsprojekte und Unternehmenswerte.

 

«Die Kultur eines Unternehmens kann als Wertegerüst gesehen werden.»

 

Folgende Erkenntnisse und Tipps für die Praxis ergeben sich aus meiner Arbeit:

 

  • Offene und ehrliche Auseinandersetzung mit den Unternehmenswerten: Eine brei­ te Auseinandersetzung mit den Unterneh­ menswerten ist unerlässlich, um zu einem stabilen und akzeptierten Wertegerüst zu Die Delegation dieser «Arbeit» an externe Berater oder Marketingfirmen, oh­ ne Einbezug der Mitarbeitenden, verhin­ dert eine Identifikation mit den Werten.
  • Klare Definition von Unternehmenswer- ten: Die wissenschaftliche Auseinanderset­ zung mit dem Thema zeigt auf, dass es sich bei Unternehmenswerten oftmals eher um Phrasen denn um klar ausformulierte Wer­ te handelt. Somit ist der Interpretations­ spielraum gross. Wer versteht unter den postulierten Werten was? Unternehmens­ werte müssen so klar wie möglich, allenfalls mit Beispielen, definiert werden und im­ mer wieder Bestandteil der Kommunikati­ onskultur sein. Entscheidungen sollten an­ hand der Unternehmenswerte herbeige­ führt und getroffen werden.
  • Prämissen des Change Management ernst nehmen: Es ist heute unbestritten, dass kei­ ne Veränderung ohne Widerstände durch­ geführt werden Die Frage, die sich ein Management oder eine Führungsperson hier stellen sollte, ist, wie mit diesen Wider­ ständen umgegangen wird. Als Grundlage für den Umgang sollten wieder die Unter­ nehmenswerte dienen.
  • Mut für «Eigenes» im Change Manage- ment: Die Aussage des zweiten Experten, dass er noch nie bewusst Konzepte des CM angewandt hat und trotzdem zu sehr positi­ ven Ergebnissen gekommen ist, zeigt mir, das es wichtig sein kann, den Mut zu haben, eigene Wege zu gehen. Dies kann bedeuten, wieder vermehrt auf die Intuition zu hören, als sich auf erlernte Theorien zu stützen.
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