Und nichts geht mehr!

Ohne Internet stünde so manches auf der Welt Kopf. Auch in der Schweiz. Ein landesweiter oder gar globaler Ausfall des Internets sei kaum möglich, sagen Experten. Doch selbst punktuelle Unterbrüche können schwerwiegende Folgen haben.

Und nichts geht mehr!

 

 

 

Vor wenigen Jahren machte die Firma Zumsteg Druck AG in Frick AG unliebsame Erfahrungen mit den Gefahren des Internets. «Ein Hackerangriff hat unseren Betrieb praktisch lahmgelegt», erzählt Verkaufsleiter Stefan Leimgruber. Das Internet, und somit der Mailserver wie auch der Onlineshop, funktionierten zwei Tage nicht mehr. Die Bestellungen konnten nicht wie gewünscht verarbeitet werden. «Dieser Angriff hat uns einen Schaden bzw. eine Umsatzminderung im Umfang eines zweistelligen Prozentsatzes verursacht», schildert Stefan Leimgruber. Das Internet spielt für das Unternehmen eine wichtige Rolle, betreibt es doch mit flyeronline.ch, buchmodul.ch und swiboo.ch mittlerweile drei Onlineportale. «Ein kürzerer oder gar längerer Ausfall des Internets hätte für uns als KMU mit zehn Mitarbeitenden fatale Folgen», sagt Stefan Leimgruber.

Zwei Drittel Chinas ohne Netz

 

Einen Albtraum im InternetZeitalter erlebten vor zwei Jahren Millionen von Menschen in China, als sie durch einen massiven Ausfall des Internets plötzlich keinen Zugang mehr zu Webseiten, sozialen Medien und anderen Online-Diensten hatten. Mehr als zwei Stunden dauerte der Ausfall. Danach waren die meisten Webseiten wieder zugänglich. Laut der Nachrichtenagentur Xinhua könnte ein Hackerangriff Ursache für diese ungewöhnliche Unterbrechung gewesen sein, von dem rund zwei Drittel des chinesischen Internets betroffen waren. Ebenfalls für grosse Aufregung sorgte 2012 in den USA die Schadsoftware DNS-Charger. Ein Internetausfall wurde befürchtet. Internetprovider rüsteten ihre Service-Hotlines auf. Der Trojaner sorgte dafür, dass sich befallene Computer statt mit den normalen DNS-Servern mit Rechnern der Hacker in Verbindung setzten. Nach FBISchätzungen waren mehr als 570 000 Rechner mit der Schadsoftware infiziert.

Eher unwahrscheinlich, aber …

 

Wie gross ist heute die Gefahr eines grösseren Ausfalls des Internets? Für Bernhard Plattner, emeritierter Professor für Technische Informatik an der ETH Zürich und vormals Leiter des Instituts für Technische Kommunikation und Kommunikationsnetze, ist ein Totalausfall des Internets eher unwahrscheinlich. «Allein der Ausfall der Infrastruktur der Swisscom beispielsweise würde in der Schweiz das Internet nicht lahmlegen. In so einem Fall wären andere Anbieter nicht unbedingt betroffen.» Kritischer wäre eine Störung an den sogenannten «Internet Exchange Points» (IXP), wo die verschiedenen Internetprovider für den Datenaustausch zusammengeschlossen sind. Käme es hier zu einem Defekt, wären mehrere Provider betroffen – jedoch nicht das gesamte Internet, betont Bernhard Plattner. «Die Topografie des Internets besteht aus gewachsenen Strukturen mit verschiedenen Verbindungen. Diese Redundanz innerhalb des Systems kann nicht einfach ausgeschaltet werden.» Problematischer präsentierte sich die Gefahrensituation 2002 und 2007: «Damals gab es Angriffe auf das DNS, bei denen in der Folge einige DNS-Server kurzzeitig ausfielen. Das war für die Verantwortlichen ein Weckruf», erinnert sich der ETH-Professor. Das DNS (Domain Name System) verfügte damals weltweit über (nur) 13 Server, welche die unzähligen Computernetzwerke miteinander verbanden. Mittlerweile stehen 129 Server auf der ganzen Welt im Einsatz, um die Web-Anfragen der Benutzer an die richtigen Web-Server zu leiten. Ein Internetausfall durch Angriffe auf das DNS sei daher – so Bernhard Plattner – eher unwahrscheinlich. Eine Angriffswelle im November und Dezember 2015 war denn auch – so Bernhard Plattner – weitgehend wirkungslos.

Vielfältige Gefahren

 

Das Internet verbindet Menschen, Maschinen, Technologie und Wirtschaft. Das birgt jedoch Gefahren für alle, die am Netz angeschlossen sind. «Die Möglichkeiten, aber auch die daraus entstehenden Bedrohungen sind das Resultat unzähliger technischer Innovationen und darauf aufbauender Applikationen und Dienste», sagt Stefan Frei, Security Architekt der Swisscom und

 

Besonders empfindlich auf Störungen sind GPS-Signale.

 

Autor des Dossiers «Cyber Security: die aktuelle Bedrohungslage und ihre Entwicklung». Mit anderen Worten: Der Ursprung von Bedrohungen rund um das Internet finde sich in der stetigen Entwicklung von neuen Technologien und deren Anwendung sowie Verbreitung in der Gesellschaft. Je mehr das Internet vernetzt und in die Gesellschaft eingebunden werde, umso mehr entstehen neue und teils überraschende Interaktionswege für die Bedrohungslage. So könnten zum Beispiel kleine oder gut gemeinte Eingriffe an einem Ort des Systems zu schweren und unvorhergesehenen Auswirkungen an einem gänzlich anderen Ort des Internets führen. Stefan Frei erwartet vermehrt, dass kleine Fehler oder Attacken durch eine Kaskadierung überraschende Schäden anrichten.

Kein Strom, kein Internet

 

Auch längere Stromausfälle sind mögliche Gründe für einen Ausfall der Internetkommunikation. Ruedi Rytz, Leiter der Geschäftsstellen Transporte und Informationsund Kommunikationstechnologien (IKT) vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), schliesst nicht aus, dass einzelne Dienste wie etwa im Bereich der Strom- und Wasserversorgung über das Internet von Hackern angegriffen werden könnten. Besonders empfindlich auf Störungen sind offenbar GPS-Signale, die zur Ortsbestimmung eingesetzt werden. In San Diego (USA) sind 2007 nach einem Ausfall von GPS-Signalen durch unabsichtliches «Jamming» (Störmassnahmen) stadtweit Notfallpager, Mobiltelefone, Verkehrsmanagementsysteme und Bankomaten für zwei Stunden ausgefallen. «Die Abhängigkeiten von GPS zur Synchronisation vieler Prozesse sind seit diesem Ereignis noch gewachsen. Unzählige Dienste können von einem Ausfall betroffen sein», gibt Stefan Frei von der Swisscom zu bedenken.

Grosser wirtschaftlicher Schaden

 

Was sind die Folgen eines regionalen, nationalen oder auch internationalen Internetausfalls? Allein schon die Verbreitung des Internets spricht für die Tragweite eines Ausfalls: Heute haben über drei Milliarden Menschen Zugang zum Internet, was 42 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Der Anteil der mobilen Nutzung steigt dabei stetig. «Ein Ausfall des Internets löst unweigerlich einen grossen wirtschaftlichen Schaden aus», sagt Peter Grütter, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikation (asut). Viele Firmen seien von Internet und E-Mail abhängig. Aber auch öffentliche Dienste wie die Stromund Wasserversorgung oder der Verkehr sind heute über das Internet vernetzt und wären daher bei einem Ausfall betroffen. Peter Grütter unterscheidet allerdings zwischen privaten Netzen und dem öffentlichen Internet: Grosse Unternehmen, Spitäler, Elektrizitätsversorger usw. haben oft eigene gesicherte Netzinfrastrukturen. Die Höhe des Schadens hänge von der Dauer und vom Umfang eines Internetausfalles ab. «Je grösser das betroffene Gebiet, desto höher konsequenterweise der Gesamtschaden», so der asut-Präsident

Netzstabilität stetig verbessern

 

Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung beschäftigt sich seit 1997 mit den Gefahren rund um das Internet, wie Ruedi Rytz informiert. Dazu gehöre zum einen, mögliche Gefahren im Voraus zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Bund führe auch regelmässige Übungen durch, um sich auf Szenerien vorzubereiten. Zum andern sei man bestrebt, die Stabilität des Netzes stetig zu verbessern. Im Falle eines Zusammenbruchs des Swisscom-Netzes sei

 

«Heute haben über drei Milliarden Menschen Zugang zum Internet.»

 

es wichtig, dass man in der Schweiz auf andere Provider ausweichen könne, um die Versorgung aufrecht zu erhalten, sagt Peter Grütter von asut. Auch die Kabelversorgung lasse sich als Alternative für die Telekommunikation nutzen. Jedes einzelne Unternehmen kann sich vor Angriffen von Trojanern und Hackern schützen. Dazu gehört laut Bernhard Plattner von der ETH Zürich auch ein Backup-Konzept, das gezielt auf Cyber-Angriffe ausgerichtet ist. Leider sind viele Schweizer KMU-Betriebe gemäss einer Befragung der Universität St.Gallen unzureichend geschützt. Gemäss der Studie waren im vergangenen Jahr weit mehr als 90 Prozent aller Unternehmen von Hackerangriffen betroffen. Ruedi Rytz vom BWL geht davon aus, dass die Abhängigkeit von der virtuellen Welt in Zukunft weiter zunehmen wird, ebenso auch die Stabilität des Internets.

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