Über Gesetze, Guide-lines und Normen für mehr Nachhaltigkeit
Prozesse werden ausgelagert, Teile im Ausland vorgefertigt: Die Globalisierung hat die Bedeutung der Lieferketten für die Unternehmen verstärkt. Dass gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Lieferketten je länger je wichtiger wird, zeigt sich nicht zuletzt bei den neuen Regularien und Qualitätsstandards, die aktuell entwickelt werden.
In der Schweiz steht aktuell die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) zur Diskussion, zu der die Kommission für Wirtschaft und Abgaben soeben die Detailberatung fortgesetzt hat. Der Aspekt der Nachhaltigkeit soll darin stärker aufgenommen werden. Ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit bei öffentlichen Beschaffungen bietet die Chance, die Schweizer Wirtschaft und insbesondere diejenigen Unternehmen zu stärken, welche sich durch hohe Qualitäts- und Nachhaltigkeitsansprüche auszeichnen. Eine Aufwertung der Rolle von Nachhaltigkeitskriterien bei der öffentlichen Beschaffung liegt auch im Sinne der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016-2019, in welcher der Bund festhält, dass er in seinem Konsumverhalten eine Vorbildfunktion einnimmt.
Mit dem aktuellen Revisionsentwurf bliebe noch genügend Spielraum, um je nach Auftrag individuelle Kriterien und Ziele festzulegen. Einerseits würden so Unternehmen begünstigt, die fortschrittlich sind und bereits griffige Nachhaltigkeitskriterien anwenden. Andererseits haben aber auch Unternehmen, die erst damit beginnen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, einen Anreiz, ihre Lieferkette umfassend zu überprüfen und eigene Ziele bezüglich Nachhaltigkeit zu setzen.
Reputations- und Compliance-Risiken
Nachhaltiges Lieferkettenmanagement kann nicht nur die Wettbewerbsposition bei öffentlichen Ausschreibungen stärken, sondern sie können dadurch auch Reputationsrisiken minimieren sowie regulatorische und Compliance- Risiken reduzieren. Innerhalb der folgenden Themenbereiche besteht besonders grosses Risikopotenzial:
Treibhausgasemissionen: Hohe THGEmissionen in der Lieferkette führen zu regulatorischen sowie Kosten-Risiken. Ausserdem können durch veränderte Klimabedingungen auch physische Risiken auftreten – etwa wenn Extremwetterereignisse in Regionen stattfinden, in denen (Vor-)Lieferanten tätig sind.
Luftverschmutzung: Für Unternehmen ergeben sich, z. B. durch verschärfte Auflagen zur Luftreinhaltung, vor allem regulatorische Risiken entlang ihrer Wertschöpfungskette. Beispielsweise wurden in China die gesetzlichen Regelungen zur Feinstaubbelastung verstärkt.
Wasserverbrauch: Akuter Wassermangel führt zu Produktionsausfallrisiken bei Lieferanten. Zudem können künftige gesetzgeberische Massnahmen für Einschränkungen des Wasserverbrauchs oder für steigende Wasserkosten in der Lieferkette sorgen. Schliesslich bestehen Reputationsrisiken im Fall von sozialen Konflikten aufgrund von Wassermangel in Regionen, in denen (Vor-)Lieferanten tätig sind.
Landnutzung: Auch im Bereich Landnutzung bestehen regulatorische Risiken für Unternehmen. Ausserdem können der Ver-lust von Naturflächen sowie die Einschränkung von Lebensräumen zu Reputationsrisiken bei denjenigen Unternehmen führen, deren Lieferkette ein hohes Mass an Landnutzung aufweist.
Erste ISO-Norm für nachhaltige Beschaffung
Es gibt diverse Standards und Labels, die bestimmte Abschnitte einer Lieferkette zertifizieren, aber nie die gesamte Lieferkette umfassen. Um die Zusammenarbeit mit Zulieferern zu fördern, die nach sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten nachhaltig arbeiten, hat das Komitee der ISO/PC 277 deshalb im Jahr 2017 einen neuen Standard eingeführt.
ISO 20400 ist der weltweit erste Standard für nachhaltige Beschaffung und zielt darauf ab, Unternehmen dabei zu unterstützen, Praktiken und Richtlinien für eine nachhaltige Beschaffung zu entwickeln und zu
«Die Norm zur nachhaltigen Beschaffung ist eine Guidance-Norm.»
Ähnlich wie die ISO 26000 zur Unter-nehmerischen Gesellschaftlichen Verantwor-tung, ist die Norm zur nachhaltigen Beschaf-fung eine Guidance-Norm und kann daher nicht zertifiziert werden. Vielmehr zeigt sie den anwendenden Unternehmen den Pro-zess zur kontinuierlichen Verbesserung auf. Aufgrund der fehlenden Zertifizierung ist sie als Instrument zur externen Kommunikation wenig geeignet.
Ob sich ein Unternehmen an einem Standard, einem Label oder einer Norm orientiert, hängt davon ab, was es mit seinem Engagement bezweckt. Für eine strategische, fundierte Überarbeitung des Lieferketten managements gemäss nachhaltigen Kriteri-en empfiehlt sich eine Norm, wie die neue ISO 20400. Zusätzlich dazu kann es für das Unternehmen lohnend sein, sich an be-stimmte Standards und Labels zu halten.
Einerseits dienen diese als Informations-quelle für die Formulierung einer Beschaf-fungsstrategie oder von Verhaltenskodizes und vereinfachen den Prozess der Bewertung von Lieferanten oder Produkten durch Audits. An-dererseits sind sie unabdingbar für das Messen von Nachhaltigkeitsleistungen in der Lieferket-te – und schliesslich die Kommunikation der Leistungen an die Kunden. Dieser letzte Punkt ist denn auch nicht zu vernachlässigen. Denn die Wachstumsraten des Marktes von zertifi-zierten und gemäss freiwilligen Nachhaltig-keitsstandards produzierten Produkten über-treffen das Wachstum des Marktes konventio-neller Produkte schon seit Jahren.
Kakao-Lieferkette umkrempeln
Abgesehen von den zur Verfügung stehenden Informationen, Tools und Zertifizierungs-möglichkeiten, gibt es auch Branchen, welche neue Wege gehen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Schokoladebranche. CHOCOSUISSE, der Verband Schweizerischer Schokoladefabri-kanten, hat im Jahr 2017 zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO und Nichtregierungsorganisationen wie Swiss-contact und Helvetas die Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao ins Leben gerufen. Die Kakaoplattform setzt sich zum Ziel, mit die-sem Multi-Stakeholder-Ansatz die Lebensbe-dingungen von Produzentinnen und Produ-zenten substanziell zu verbessern und einen attraktiven Kakaosektor für die heutigen und zukünftigen Generationen zu schaffen.
Kurzum: Die Plattform will die Wert-schöpfungskette der Schokolade nachhaltig umkrempeln. Neben der Vernetzung der Sta-keholder – von den Akteuren in den Produ-zentenländern bis hin zu den Schokoladefab-rikanten in der Schweiz – sind auch die Inno-vationsförderung und die Erarbeitung von Best-Practice-Guidelines wichtige Tätigkei-ten der Trägerorganisationen.
Das Beispiel ist exemplarisch dafür, dass es keinen Königsweg gibt, sondern dass je nach Branche verschiedene Wege nach Rom führen. Es kann und muss sich nicht jedes Unternehmen zertifizieren lassen. Vielmehr ist allen diesen Ansätzen gemein, dass die Transparenz in der Wertschöpfungskette und die vermehrte Kommunikation gegen-über den Kunden für ein Nachhaltiges Liefer-kettenmanagement absolut zentral sind.