Transparenz durch Archive

Sowohl das Schweizerische Bundesarchiv wie auch private Konzerne stehen vor einem Problem: Wie regelt man einen freien und koordinierten Zugang für Bürgerinnen und Bürger respektive für Kunden wie auch für eigene Angestellte, ohne noch mehr Berge von Daten versetzen zu müssen?

Transparenz durch Archive3

 

 

 

Es ist ein imposantes Gebäude, in dem sich das Schweizerische Bundesarchiv (BAR) be-findet. Hier wird im wahrsten Sinn des Worts Schweizer Geschichte geschrieben. Das BAR dient der Rechtssicherheit, der «kontinuierli-chen und rationellen Verwaltungsführung» . Es ermöglicht erst Transparenz und staatli-ches Handeln – heisst es gebündelt auf Wiki-pedia.

 

Wikipedia hielt im BAR von 2013 bis 2014 eine Residenz. Thema: 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs. Das Archiv, welches verwaltungstechnisch dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) angegliedert ist, wirkt in heutigen Zeiten etwas zurück-haltend, was «Wikipedia in Residence»-Pro-jekte angeht. Wikimedia Schweiz und Wiki-pedia Partner stossen inzwischen an renom-mierten Orten wie der British Library in London oder dem Metropolitan in New York auf hohe Resonanz. Ziel von Wikimedia Commons, der Zentralstelle für freie Medi-endateien, ist es, den Open-Source-Grund-gedanken weiterzuknüpfen,­ hierbei soll möglichst viel Archivgut­ von freiwilligen In-stitutionen und Autoren veröffentlicht wer-den.

 

Enzyklopädien zusammenfassen und di-gitalisieren – wie könnte man das besser ma-chen als über Wikipedia? Wieso zeigen die hel-vetischen Kollegen kein Interesse für grössere Synergien? Zweifelsohne eröffnet das Schwei-zerische Bundesarchiv schon seit eh und je be-stimmten Gruppen die Eidgenössischen Ar-chivbestände.

Wertvolle Informationen
Das Bundesarchiv bietet Kantonen, Gemein-den und weiteren Institutionen die digitale Archivierung an. Hierzu hat es der Bundesrat mit einem Leistungsauftrag gemäss Art. 18 Bundesgesetz über die Archivierung (BGA, SR 152.1) ermächtigt. Dies geschah jedoch erst kürzlich – im Mai 2014. Die öffentliche Hand möchte «eigenen kostenintensiven Entwick-lungen» entgegenwirken und gleichzeitig ei-nen «wirtschaftlichen Betrieb» sicherstellen.

 

Grosso modo befinden sich im Bundes-archiv rund 60 000 Laufmeter analoge und über 15 Terabyte (a. d. Red.: 1 TB Speicher ent-spricht 2000h CD-Aufnahmen) digitalisierte Dokumente. Weil sich quasi die Rechenleis-tung von Chips alle 18 Monate verdoppelt – um kurz das Mooresche Gesetz einzuführen – steht der schweizerische Bund vor grossen EDV-Herausforderungen. Speziell auch, weil die mobile Gesellschaft täglich Millionen von Daten verschickt.

 

Deshalb sollen nun Archivinhalte des BAR mit der Geschäftsverwaltung (GEVER) des Bunds in digitaler Form aufgearbeitet und synchronisiert werden.

 

Bestände, die besonders gefragt sind, werden nun vermehrt an der Archivstrasse 24 in Bern digitalisiert und online zur Verfügung gestellt.

 

Die Dokumente aus dem Bundesarchiv sind heute schon «wertvolles Gut». Die Infor-mationen, die aus jahrhundertalten Daten-banken und Verwaltungssystemen stammen, müssen per Leistungsauftrag «Originalität», «Integrität» und langfristige Nutzbarkeit der Daten (siehe Info-Box) sicherstellen. – Um das staatliche Handeln jedoch zu gewährleisten, muss das BAR eine Deutungshoheit vor pri-vaten Institutionen beibehalten können.

Open Government Data
Ein typischer Archivierungsprozess aus dem BAR reicht von der vorarchivischen Beratung bis zur Vermittlung der Unterlagen, etwa mit-tels Kopien alter Landkarten oder Auszügen nachrichtenlosen Vermögens. So ein Prozess beinhaltet immer organisatorische wie tech-nische Aspekte.

 

«Bei der digitalen Archivierung sind ne-ben dem Inhalt Kontextinformationen (Meta-daten) wichtig. Diese werden bei der Über-nahme von ihren spezifischen IT-Umgebun-gen entkoppelt (Datenbank- und Betriebssyste-me), zum Beispiel von Applikationen und der eigentlichen Hardware separiert und in ar-chivtauglichen Formaten abgelegt», erklärt ein Kommunikationsverantwortlicher des BAR. «Ist es zur Erhaltung der Lesbarkeit nö-tig, werden sie zudem in neue Formate kon-vertiert (Migrationsverfahren).»

 

In Zusammenarbeit mit anderen Insti-tutionen entwickelt das Bundesarchiv Lösun-gen für die Archivierung spezieller Daten, bei-spielsweise Geodaten oder Webseiten. Der Bund sorgt sich jedoch speziell auch um eige-ne Open-Data-Veröffentlichungen, so beispiels­ weise auf dem Pilotportal opendata.admin.ch. Hier können Schweizer Bürger und Bürgerin-nen kostenlos Behördendaten herunterladen.

 

Neu sind insbesondere Daten der Karten-dienste des Bundesamts für Umwelt und des Bundesamts für Gesundheit. Gleichzeitig zum Weiterbetrieb des Pilotportals wird unter Fe-derführung des Informatiksteuerungsorgans des Bundes eine Open-Government-Data-Stra-tegie Schweiz erarbeitet.

Recht auf eigene Kopie
Hierbei spielt das «Recht auf die Kopie» eine nicht unbedeutende Rolle in der Selbstbe-stimmung der Schweizer Bürger und Bürge-rinnen.

 

Gesetzliche Voraussetzungen: Art. 13 BV (Schutz der Privatsphäre)

1) Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung so-wie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs.

2) Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten.

 

Art. 107a BV (Nutzung persönlicher, digitaler Daten)

1) Der Bund erlässt Vorschriften über die Nut-zung persönlicher Daten, die sich aus dem Umgang Privater mit digitalen Netzwerken gewinnen lassen.

2) Als Nutzung dieser Daten gelten alle Tätigkei-ten, bei denen zum Zweck der Schaffung eines wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder ide-ellen Mehrwerts persönliche Daten gesam-melt, gespeichert oder weiterverwendet wer-den.

 

Problemstellung: Per se soll es keine «Da-tenerfassung» von persönlichen Daten im Bund geben. Die Schutzrichtung (von Art. 13 Abs. 2 BV) über einen Anspruch gegenüber dem Staat (nicht gegen Private) ist nach wie vor offen. Der Datengebrauch durch kom-merzielle Anbieter ist gegenwärtig kein «Vergehen». (Quelle: Verein Daten & Gesund-heit Zürich)

Digitalisierung der juristischen Arbeit
Seit mehr als 150 Jahren macht die Basler Versicherung die Welt sicherer. Die Baloise Group mit Sitz in Basel agiert als Versicherer und Vorsorgeleister­. Beim Konzernrechts-dienst der Baloise Group wurden kürzlich jegliche juristischen Inhalte durch Such-technologien vereint. Die Abteilung Recht und Steuern der Baloise nutzt seit Frühling 2017 die Suchmaschine «Lawsearch Enter-prise». Juristen und Steuerspezialisten­ fin-den damit alle nötigen Informationen: «Die Business Software der Firma Weblaw lässt sich bestens an unsere Kundenanforderun-gen anpassen», meint Andreas Burki, Leiter Recht und Steuern.

 

Interne Dokumente und Dossiers sowie Gesetzestexte und Gerichtsentscheide kön-nen nun über ein Dossierverwaltungssystem (CRM und ERP-System) namens Vertec koor-diniert werden. Die Abteilung Recht und Steu-ern nutzt die neuste Version 3 der Suchma-schine. Diese Version bringt eine Facettensu-che mit graphischen Filtern und personalisier-ten Suchfunktionalitäten mit sich. Sie vernetzt alle internen Datenquellen (über die Win-dows-Ablage, Muster-Dokumente, E-Mails usw.) und kann auch die wichtigsten juristi-schen Dokumente aus dem Internet (z. B. Ge-setze und Gerichtsentscheide von Bund und Kantonen) durchsuchen.

 

Selbstverständlich», so Christoph Gee­ ring, ein Projektleiter im Fachbereich Digital Transformation @Baloise, «können wir die Suchmaschine auf einen eindeutig geregelten Personenkreis beschränken.» Baloise, ebenso ein Anbieter von Versicherungen gegen Cyber-Schäden, kontrolliert ihr digitales Archiv, gene-rell ihre IT-Infrastruktur durch Ausgliederun-gen in Teilbereiche – schliesslich auch durch gespeicherte digitale Protokolle (über die Be-nutzererkennung).

 

Der Projektleiter meint jedoch auch, dass noch einige Relaunches mit definierten Rollen durchgeführt werden müssen, bis bei der Baloise eine durchgehende «Transparenz im analytischen Getriebe» (über IoT-Cluster-Analysen) möglich sein wird.

«Single Point of Search»
«Single Point of Search» statt Bücherregale lautet jetzt die Devise: Die Juristen und Steu-erspezialisten der Basler Versicherung AG profitieren von der fortgeschrittenen Digita-lisierung. Ein einzelner SPoS-Bezugspunkt für alle Informationen beschleunige die Effi-zienz und erleichtere die tägliche Arbeit. Geering,­ der Baloise Projektleiter, sieht der vernetzten Zukunft positiv entgegen:

 

«Die Mitarbeiter werden von frustrieren-den Vergleichen befreit und können sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren.» Die neue Suchmaschine erhöhe die Zusam-menarbeit erheblich. Gewiss müssten noch einige Daten umstrukturiert werden, letzten Endes hätte jedoch jede und jedermann einen erleichternden Zugang – Stichwort: «Self-Ser-vice» – auf bedeutende Archive.

 

 

(Visited 170 times, 1 visits today)

Weitere Artikel zum Thema