SNV 1990–2000: Als die ersten Websites entstanden

Ein weiteres Kapitel in der 100-jährigen Geschichte des SNV: In den 1990er-Jahren nimmt nicht nur die private Nutzung von Computern und Mobiltelefonen zu, sondern auch das Internet wird der Öffentlichkeit zugänglich. Auch die SNV erhält ihre erste Website.

Websites kamen in den 1990er-Jahren immer mehr auf: So sah die erste Webseite der SNV aus. (Bild: SNV)
Im Jahr 1993 veröffentlichen der britische Physiker und Softwareentwickler Tim Berners-Lee und der belgische Informatiker Robert Cailliau am CERN in Genf die erste Website. Grund dafür ist, dass die Laboratorien des CERN teils auf französischem und teils auf schweizerischem Gebiet liegen. Beide Länder verfügen über unterschiedliche Netzwerkinfrastrukturen, die den Informationsaustausch erschweren. Seit 1989 arbeiten die beiden Wissenschaftler an einem Projekt, das den weltweiten Austausch sowie die Aktualisierung von Informationen zwischen Wissenschaftlern vereinfachen soll. In der Folge entwickeln die beiden die Programmiersprache HTML, das Transferprotokoll HTTP, die URL und den ersten Browser, WorldWideWeb. Am 30. April 1993 wird die erste Website info.cern.ch für die Öffentlichkeit live geschaltet. Beeindruckend ist, dass die Erfinder des World Wide Web keinerlei Absicht haben, ihre Entwicklung zu patentieren. Bis heute werden nur patentfreie Standards verabschiedet.
Die erste Generation von Websites: Die Internet-Seite des CERN, so wie sie erstmals online ging. (Quelle: line-mode.cern.ch/www/hypertext/WWW/TheProject.html)

Erste Website im Oktober 1997: «Die SNV neu auf Internet»

Im Oktober 1997 titelt die SNV in ihrem Bulletin «Die SNV neu auf Internet». Mit Stolz wird im Beitrag erläutert, dass die SNV  mit ihrer ersten Website im World Wide Web präsent ist. Von Beginn an sind zahlreiche Informationen über die SNV sowie ihre Produkte und Dienstleistungen, inklusive Bestellformular, erhältlich. Was als erste Website vor über 20 Jahren noch etwas farblos und mit wenigen Icons auskommt, entwickelt sich im Lauf der nächsten 20 Jahre zu einer umfangreichen Plattform mit wichtigen Inhalten rund um die nationale und internationale Normung.

Heute finden unsere virtuellen Besucherinnen und Besucher nicht nur sämtliche Normen im SNV-Onlineshop. Sie können sich auch zu diversen Themengebieten weiterbilden oder beispielsweise über den Mitgliederbereich Normen mitgestalten. Wichtig ist, dass Unternehmen ihren Normenbestand aktuell halten. Sie können dafür ein SNV-Normenabonnement lösen. Zudem bieten wir Unterstützung bei der Lizenzierung des Produktportfolios.

«Es war eine umwälzende und prägende Zeit, in der wir in der Normung stark gefordert waren»

Peter Scheibli war von 1986 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 in der SNV als Leiter Normung und Internationale Beziehungen sowie als stellvertretender Direktor im Rang eines Vizedirektors tätig. In unserem Interview erinnert er sich an die Anfänge der Digitalisierung innerhalb der SNV.

Peter Scheibli (Bild: SNV)

Während Ihrer Zeit als Leiter Normung und Internationale Beziehungen ist das World Wide Web entstanden. Wie hat diese Entwicklung Ihre Arbeit beeinflusst?
Es war eine umwälzende und prägende Zeit, in der wir in der Normung stark gefordert waren. Zum einen wurde die Normungsarbeit durch die Digitalisierung komplett verändert. Der Austausch fand zunehmend auf elektronischem Weg statt. Zum anderen konnte die Verteilung der Normen ebenfalls auf digitalen Kanälen erfolgen.

Als wir uns für die Einführung des Normendownloads im Internet zu entscheiden hatten, gab es grosse Fragezeichen in Bezug auf das Copyright. Würden die Einnahmen nun sinken, weil die Empfänger die Normen unerkannt weiterreichen konnten? Wir waren uns jedoch der Tatsache bewusst, dass wir uns dem Gang der Technik nicht widersetzen konnten, und erwarteten dank des vereinfachten Zugangs für die vielen Interessierten eine Steigerung des Normenverkaufs. Bei der Einführung legten wir die Preise einer downloadbaren Norm höher an als für die Papierversion. Wie erwartet, stieg der Normenverkauf an. Sehr bald kippte das Verhältnis der Anzahl Downloads zu Papierversionen und so hatten wir auch die Preise anzupassen. Heute ist die Papierversion leicht teurer.

Die Einführung des elektronischen Normendownloads gingen wir zusammen mit der deutschen Normenorganisation «DIN» an, was uns erhebliche Synergien brachte.

Wann erkannten Sie bei der SNV die Relevanz des Internets?
Da wir intensiv in unzähligen internationalen Gremien arbeiteten, war uns der Bedarf an Förderung von IT-relevanten Themen sehr früh bewusst. Ich würde sagen, dass wir die Digitalisierung von 1995 bis 2000 angingen und den Bedürfnissen der SNV entsprechend umsetzten.

Wie muss man sich die Arbeit Ihres Teams vor der Digitalisierung in der Normung vorstellen?
Vor der Digitalisierung bestellten unsere Kunden Normen per Telefon und liessen sich von unseren Mitarbeitenden beraten, weil ihnen oft nicht bekannt war, welche konkrete Norm auf ihren Bedarf anwendbar war. Unser Team suchte die passende Norm in einem gedruckten Katalog, holte diese in gedruckter Form im Lager und sandte sie per Post an die Bestellerin oder den Besteller.

Mit der Zeit wurde das Recherchetool Perinorm entwickelt, in welchem wir die bestehenden Normen finden konnten. Unsere Kunden konnten dieses Tool in Form einer CD kaufen und sich damit selbst auf die Suche nach passenden Normen machen. Perinorm ist heute noch verfügbar und umfasst über zwei Millionen Normen (www.perinorm.com).

Was bedeutete die Einführung des Normendownloads für Sie und Ihr Team?
Es handelte sich um ein immenses Projekt. Wie bereits erwähnt, arbeiteten wir bei diesem Projekt glücklicherweise mit dem DIN zusammen. In einem ersten Schritt musste der gesamte Normenbestand digitalisiert, also gescannt, werden.

Ich habe mich von Beginn an für die Digitalisierung interessiert und hatte deshalb auch Einsitz im Komitee der World Standards Cooperation (WSC; Anm. d. Red.: Die WSC besteht aus der Internationalen Organisation für Normung ISO, der Internationalen elektrotechnischen Kommission IEC und der Internationalen Fernmeldeunion ITU), das sich mit der Digitalisierung der Normungsarbeit und Normenverteilung auseinandersetzte. So kannte ich die Themen aus erster Hand und konnte den Wissenstransfer in die SNV sicherstellen. Die Ausbildung unseres Teams, inklusive der Expertinnen und Experten, war aufwendig und wichtig, damit die anschliessende Einführung in der SNV reibungslos erfolgen konnte. Mit der Einführung des elektronischen Normendownloads verschoben sich die Anforderungen an unsere Mitarbeitenden immer mehr von der Beratung hin zu IT-Kenntnissen.

In den 1990er-Jahren setzten sich diverse neue Technologien und damit neue Bedürfnisse durch. War die SNV in die Entwicklung von IT-relevanten Normen involviert?
IT-Normen wurden eher ausserhalb der üblichen Normung erarbeitet, insbesondere beschäftigte sich auch die in Genf ansässige European Computer Manufacturers Association (ECMA) damit. Ihr Geschäftsleiter hatte Einsitz im IT-Komitee der SNV und hielt uns auf dem Laufenden, was die Entwicklung und die Normungsarbeit auf dem IT-Sektor betraf. Die Schweiz selbst war eher selten aktiv bei IT-Normen involviert. Eine Ausnahme bildeten die sicherheitsrelevanten Normen für Banken, bei deren Entwicklung sie eine wichtige Rolle spielte.

Welches Erlebnis während Ihrer Tätigkeit bei der SNV ist Ihnen bis heute in Erinnerung geblieben?
Besonders bewegt hat mich das Abschiedsfest, das zu meiner Pensionierung organisiert wurde. Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa reisten dazu in die Schweiz und nahmen an meiner Verabschiedung teil. Wir trafen uns am Sitz der SNV in Winterthur, besuchten anschliessend die Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz und liessen den Tag mit einem exklusiven Abendessen ausklingen. Die illustre Gesellschaft, die sich extra zu meiner Verabschiedung eingefunden hatte, hat mich ausserordentlich gefreut, und ich fühle mich bis heute geehrt, dass man mir diese persönliche Anerkennung zukommen liess.

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