Skyguide nimmt Stellung zur Sicherheitskultur
Skyguide nimmt Stellung zur Verurteilung eines Flugverkehrsleiters. Die Verurteilung sei für die Schweiz und für Europa ein Präzedenzfall, durch den die tief verankerte Sicherheitskultur in der Flugsicherung gefährdet wird.
Skyguide nimmt das Urteil des Obergerichts Zürich gegen einen Flugverkehrsleiter mit Unverständnis und Enttäuschung zur Kenntnis. Die Verurteilung stellt die Schweizer Flugsicherung in Frage.
Sicherheitskultur in Gefahr
Um die Sicherheit im Flugverkehr kontinuierlich ausbauen zu können, ist die Luftfahrt darauf angewiesen, dass etwa FlugverkehrsleiterInnen, TechnikerInnen und PilotInnen, die nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten, ohne Angst Vorfälle von sich aus aktiv melden.
Nur so kann eine kontinuierliche Flugsicherheit eingehalten und optimiert werden. Die bisher gelebte „Just Culture“ am Flughafen Zürich könnte mit dem Urteil des Obergerichts Zürich einen Rückschlag erleiden. Skyguide befürchtet gar, dass die die heute in der Schweiz hohen Meldequoten zurückgehen.
Unverhältnismässiges Urteil
Vor über 7 ½ Jahren, am 15. März 2011 um 12.40 Uhr, erhielten am Flughafen Zürich zwei Maschinen kurz nacheinander eine Freigabe und setzten zum Start auf den sich kreuzenden Pisten 16 und 28 an. Die Maschine auf Piste 16 startete wie vorgesehen, während die Maschine auf Piste 28 den Start abbrach.
Der Lotse hatte einer Maschine Richtung Moskau mit 135 Personen an Bord auf Piste 16 Richtung Süden die Abflugerlaubnis erteilt. Nur eine Minute darauf gab der Flugverkehrsleiter einem Flugzeug mit 127 Leuten an Bord und Destination Madrid auf der Piste 28 Richtung Westen ebenfalls die Startfreigabe. Die beiden Pisten kreuzen sich.
Der am Vorfall beteiligte Flugverkehrsleiter meldete diesen Vorfall, der weder zu Personen- noch zu Sachschaden führte, freiwillig und trug damit zur Aufklärung der Hintergründe aktiv bei. Ende November 2018 rollte das Obergericht Zürich den Prozess wieder auf. Gegen den Lotsen wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Er musste sich bereits im Dezember 2014 und im April 2016 vor dem Bezirksgericht Bülach wegen Störung des öffentlichen Verkehrs verantworten, dort wurde er jedoch freigesprochen. Der interne und der externe Untersuchungsbericht hatten keinen Anlass gegeben, disziplinarisch gegen den Flugverkehrsleiter vorzugehen. Am 27. November 2018 musste der Lotse dann vors Obergericht.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine bedingte Geldstrafe von 18000 Franken wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs. Die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer sei für den Lotsen eine Belastung, sagt der Skyguide-Sprecher Vladi Barrosa (Quelle: NZZ).
Barrosa: „Der Lotse hat unbestritten einen Fehler gemacht, diesen aber selbst bemerkt und einen Startabbruch befohlen. Somit hat er korrekt gehandelt.“ Ob ein Schaden gedroht hätte, sei spekulativ. Skyguide kritisiert grundsätzlich, dass ein Lotse für einen folgenlosen Fehler juristisch verfolgt wird. Das sei auch im internationalen Vergleich absolut unüblich, so der Sprecher. Der Mann arbeitet zwar nach wie vor bei der Flugsicherung, wird seither aber nicht mehr als Lotse eingesetzt, sondern als Sicherheitsexperte im Hintergrund.
Durch Alarmsysteme gestützt worden
Die Katastrophe blieb Zürich aus mehreren Gründen erspart. Erstens bemerkte der Pilot der Maschine auf Piste 28 das sich von rechts nähernde Flugzeug und brach den Start ab. Zwei Sekunden darauf gab der Lotse, zweitens, ebenfalls den Abbruchbefehl. Ein elektronisches Alarmsystem hatte ihn gewarnt. Drittens wäre es nicht zur Kollision gekommen, wie eine Animation der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) aufgezeigt hat.
Allerdings wäre die zweite startende Maschine Luftturbulenzen der ersten ausgesetzt gewesen, was im schlimmsten Fall zum Absturz hätte führen können.
Urteil verbessere die Sicherheit nicht
Die Verurteilung leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der Flugsicherheit. Die Sicherheitskultur in der Luftfahrt beruht auf freiwilligen Meldungen aller Art von Vorfällen. Wenn solche Meldungen über Vorfälle, die nicht durch Nachlässigkeit oder Mutwilligkeit entstanden sind, zu einer Verurteilung führen, wird die Sicherheitskultur geschwächt mit unweigerlichen Folgen für die Flugsicherheit.
Skyguide selbst hat seit dem Vorfall vom 15. März 2011 aufgrund stringenter Sicherheitsüberprüfungen am Flughafen Zürich diverse Massnahmen zur Minderung der Risiken eingeführt, „soweit dies der politische Rahmen erlaubt“, heisst es in der jüngsten Medienmitteilung des Luftverkehrsunternehmens. Skyguide hat die Arbeitsabläufe stark angepasst. Zu Spitzenzeiten ist die Schicht doppelt besetzt, wobei der eine Lotse sich um die Anflüge und der andere sich um die Abflüge kümmert.
Ausserdem wurden die notwendigen Messflüge in die Nachtstunden verschoben. Seit 2018 ist zudem ein eigens entwickeltes Sicherheitssystem in Betrieb, das auf sich kreuzende Pisten angelegt ist.
Zur Just Culture
„Just Culture“ nimmt auch eine bedeutende Rolle in anderen Bereichen ein, beispielsweise in Spitälern oder in Atomkraftwerken. Offene Feedbacks und Rückmeldungen sind in diesen Bereichen unverzichtbar für die laufende Verbesserung von Prozessen, Technologien und Kompetenzen.