Servicequalität bei Bike-Sharing verbessern

Bike-Sharing ist in immer mehr Städten verbreitet. Doch die Anforderungen an die Bereitstellung von Fahrrädern oder E-Scooter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist für die Citybike-Anbieter eine Herausforderung. Ein Forschungsprojekt aus Norwegen hat einen Algorithmus entwickelt, um die Verteilung von Citybikes zu optimieren und so die Servicequalität zu verbessern.

Gewohntes Bild in den Städten: Fahrräder von Bike-Sharing-Anbietern. (Bild: Pixabay.com)

Bike-Sharing ist inzwischen vielerorts Alltag geworden, und gewiss haben Sie sie auch schon in verschiedenen Schweizer Städten gesehen: Elektro-Fahrräder oder E-Scooter in knalligen Farben, die sich an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten – meistens per App – benutzen lassen, um mal schnell von A nach B zu kommen. Nur: Oft genug werden diese Vehikel nach der Benutzung irgendwo abgestellt, etwa auf Trottoirs, in Hauseingängen oder sonstwo im öffentlichen Raum. Dort werden sie häufig zu einem Ärgernis für andere Verkehrsteilnehmer oder für Anwohner. Und sie müssen von den Citybike-Anbietern aufwändig wieder eingesammelt werden.

Die Erwartungen der Nutzer an Bike-Sharing sind vielfältig: Sie wollen ein Fahrzeug, das schnell verfügbar und funktionsfähig ist. Und sie wollen es dort, wo für sie ein Bedarf besteht, d.h. nicht nur an Bahnhöfen, sondern beispielsweise auch bei Konzertsälen, Sportstadien oder Restaurants, um von dort schnell und sicher nach Hause zu kommen. Eine Studie der Norwegischen Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim hat sich deshalb mit der Frage befasst, wie Städte und Anbieter von Bike-Sharing den Service und auch die Verkehrslenkung verbessern können.

Wie auf ein bewegliches Ziel schiessen

Fahrräder oder E-Scooter dort bereitzustellen, wo und wann die Menschen sie brauchen, ist eine Herausforderung. Das Problem wird als dynamisch beschrieben, weil es sich ständig ändert, und als stochastisch, weil es sich auf zufällige und oft schwer vorhersehbare Weise ändert. Steffen Bakker, ein Forscher am NTNU-Department für Industrieökonomie und Technologiemanagement, erklärt dies wie folgt: „Die Nutzer des Bike-Sharing-Systems holen ihre Fahrräder an einem Ort ab und bringen sie dann an einen anderen Ort. Dann ändert sich der Zustand des Systems, weil die Fahrräder plötzlich nicht mehr dort stehen, wo sie ursprünglich standen, das ist der dynamische Teil“, sagte er. „Hinzu kommt, dass man nicht weiss, wann die Kunden die Fahrräder abholen und wo sie sie abstellen. Das ist der stochastische Teil. Wenn man also zu Beginn des Tages planen will, weiss man nicht, was passieren wird.“ Das sei wie das Schiessen auf ein bewegliches Ziel. Das bedeutet: Erwünscht ist ein System, mit dem sich genauere Vorhersagen treffen lassen, wo und wann ein erhöhter Bedarf für Fahrräder und E-Scooter besteht. Bakker und seine Forscher-Kolleginnen und -Kollegen haben deshalb ein Optimierungsmodell entwickelt, das den Betreibern von Bike-Sharing Empfehlungen abgibt, wie sie die Fahrräder und Scooter sowie auch ihre Servicefahrzeuge disponieren sollen. Es geht darum, den Prozess des sog. «Rebalancings», also das Einsammeln und Transportieren von Fahrrädern von einer Abstellstation zu einer anderen, zu verbessern.

Die Teile richtig zusammenfügen

Die norwegischen Forscher führten zu diesem Zweck in Trondheim einen Pilotversuch durch. „Damit wollen wir bestehende Citybike-Systeme als Testbasis nutzen und durch die Entwicklung neuer Entscheidungshilfen die Effizienz der Rebalancing-Teams um 30 % und die Lebensdauer der Fahrräder um 20 % erhöhen“, so Jasmina Vele, Projektleiterin bei Urban Sharing, der am Forschungsprojekt beteiligten Bike-Sharing-Firma. „Dies kann durch bessere Entscheidungen in Bezug auf das Rebalancing und die präventive Wartung erreicht werden, was zu einer großen Kostenreduzierung in den bestehenden städtischen Fahrradsystemen führen wird.“ Mit Hilfe des Optimierungsmodells, das sich noch in der Entwicklungsphase befindet, kann den Fahrern der Servicefahrzeuge jedes Mal, wenn sie an einer Fahrradstation ankommen, ein neuer Plan übermittelt werden.

Genau das ist der knifflige Teil. Es sei wichtig, nicht zu kurzsichtig zu sein und sich nur auf den aktuellen Zustand des Systems zu konzentrieren, sagt Bakker, vor allem, wenn zu erwarten sei, dass bestimmte Stationen in der nächsten Stunde oder so mehr Nachfrage haben werden. „Es ist sehr komplex, weil es ein grosses System ist“, sagt er. „Vielleicht wird es in einer Stunde eine grosse Nachfrage an der Station geben. Man möchte also schon einige Fahrräder dorthin bringen. Gleichzeitig kann es aber auch Bahnhöfe geben, die jetzt fast leer sind und Fahrräder brauchen. Man muss also einen Kompromiss finden.“

Bike-Sharing modellieren mit digitalem Zwilling

Bakker und seine Kollegen arbeiten mit dem Fachbereich Informatik der NTNU zusammen, um einen „digitalen Zwilling“ oder eine Computersimulation der Systeme zu erstellen. Damit können sie verschiedene Modelle testen und verschiedene Ansätze ausprobieren, ohne sie in der realen Welt testen zu müssen. Erste Tests haben gezeigt, dass das von der Gruppe erstellte Modell die Anzahl der Probleme (d. h. entweder zu wenig Fahrräder an der Stelle, an der der Benutzer eines haben möchte, oder zu viele Fahrräder, so dass der Benutzer sein Fahrrad nicht abstellen kann) um 41 % verringern kann, verglichen mit dem Verzicht auf eine Neugewichtung.

Das Team rund um Steffen Bakker hat auch an einer Komponente des Optimierungsmodells gearbeitet, dem sog. Kritikalitäts-Score. Ein Kritikalitäts-Score ist im Grunde eine Punktzahl, die den verschiedenen Bike-Sharing-Parkplätzen auf der Grundlage der Anzahl der Fahrräder, die sie derzeit enthalten oder benötigen, zugewiesen wird. Diese Werte sind relativ einfach zu berechnen und können den Fahrern während ihrer Fahrt durch die Stadt zur Verfügung gestellt werden, um die Anzahl der Fahrräder an jeder Station auszugleichen. „Es ist eine Punktzahl, die dem Servicefahrer sagt, welche Station er unbedingt aufsuchen sollte“, so Bakker. „Damit können wir etwas anbieten, das zwar nicht das Beste ist, aber wahrscheinlich gut und viel besser als das, was Bike-Sharing-Unternehmen aktuell zur Verfügung haben.“ Jasmina Vele von Urban Sharing bestätigt denn auch, dass der Einsatz diese Art von Optimierungsmodellen dazu beitragen kann, Bike-Sharing zu einem wichtigen Bestandteil des städtischen Verkehrs zu machen. „Die Vision von Urban Sharing für die Mobilität der Zukunft ist ein Verkehrssystem, das reaktionsfähig und anpassungsfähig ist. Durch den Einsatz von Daten und Algorithmen für maschinelles Lernen/Optimierung können wir das Beste aus traditionellen und modernen Verkehrssystemen kombinieren und ein ressourceneffizientes System schaffen, das auf die Nachfrage reagiert und sich an die individuellen Bedürfnisse der Nutzer anpasst“, so Vele.

Die Forschungsarbeit wurde im European Journal of Operational Research veröffentlicht. Quelle: Techexplore.com

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