Schwachstellen im Finanzmarkt ausloten
Der Schweizer Finanzplatz steht aufgrund seiner zentralen Bedeutung immer wieder im Visier illegaler Transaktionen. Ausserdem sehen sich die Banken und kontrollie-rende Behörden mit Herausforderungen konfrontiert, was Anpassungen des neuen Geldwäschereigesetzes betrifft. Die KPMG-Studie «Clarity on Financial Crime in Ban-king» verweist auf so einige Handlungsbereiche.
Datenveruntreuung, Geldwäscherei, Ruf schädigung, zunehmende Cyberaktivitäten fordern die Verantwortlichen grösserer und kleinerer Finanzinstitute – dies besonders auch, weil eine strengere Einhaltung und Umsetzung des Schweizer Geldwäscherei gesetzes (GwG) gefordert wird. Je nachdem könnten die neuen Prüfungsverfahren zur Regelung des neuen GwG die Volkswirt schaft teuer zu stehen kommen.
«Kriminelle schätzen den Schweizer Bankenplatz.»
«Bei zwei Unternehmen mit gleicher Anzahl, aber unterschiedlich komplexen Kunden, können beim Unternehmen mit den komplexeren Fällen zwei bis zu vier Mal höhere Aufsichtskosten anfallen, da die Prü fung eines Dossiers entsprechend zeitauf wendiger ist», heisst es im «Erläuternder Be richt zur Vernehmlassungsvorlage» vom 1. Juni 2018 (siehe Infobox rechts) über die «Än derung des Bundesgesetzes über die Be kämpfung der Geldwäscherei und der Terro rismusfinanzierung».
Die Aufsichtskosten seien zudem höher in stark automatisierten Geschäftsbereichen (etwa im Bereich von Zahlungssystemen), bei denen ganze IT-Systeme einer Prüfung unter zogen werden müssen, als wenn es sich pri mär um manuelle Kontrollen handelt. Zwi schen den legitimen Geldüberweisungen kursiert auch immer wieder ominöses Geld wie etwa Schwarz- oder Schmiergeld. Solche illegitimen Geldverschiebungen zu identifizieren, ist und bleibt neben technischen Auf rüstungen das A und O für Compliance-Re präsentanten. Finanzexperten plädieren für die richtige Umsetzung eines transparen ten Finanzgeschäftsmodells, aber auch für Alarmsysteme für Anti-Korruptions-Verant wortliche. Allerdings, auf welche aktuellen
Schwachpunkte weist ein erfahrener «Regu latory & Compliance»-Experte hin, und wie könnte man sich gegen diverse, irreguläre Geschäfte und Verbrechen rüsten?
Internationaler Handlungsbedarf gegeben
Der Staat will die Finanzintermediäre durch Regulierungen stärker in die Pflicht nehmen: Diese sollen eine präventive Rolle einneh men, indem sie beteiligte Parteien und die Herkunft neuer Gelder umfassender prüfen. Keine leichte Aufgabe, zumal neue Technolo gien und digitale Währungen Kriminellen in die Hände spielen und grenzüberschreitende Geldströme immer schwieriger nachzuver folgen sind. «Demgegenüber wirkt die Regu lierung zum einen reaktiv, da sie der techno logischen Entwicklung hinterherhinkt. Zum anderen weisen einige Banken Defizite hin sichtlich ihrer Risikoansätze sowie IT-Infra strukturen auf», heisst es in der neuen Studie «Clarity on Financial Crime in Banking» von KPMG, in deren Rahmen 50 Schweizer Ban ken zu den Herausforderungen im Kampf ge gen organisiertes Verbrechen und Geldwä scherei, aber auch zu regulatorischen Rah menbedingungen befragt wurden.
«Die Schweiz als internationaler Fi nanzplatz ist grossen Risiken durch Finanz delikte ausgesetzt. Erhöht wird die Gefahr durch veraltete Transaktionsüberwachungs systeme, unzureichende Identifizierungs bemühungen (engl.: KYC, Abkürzung aus «know your customers») und mangelhafte Definition der Risikobereitschaft», erklärt Pascal Sprenger, Partner bei KPMG Schweiz im Bereich Financial Services.
Der Co-Autor der Studie gibt Einsich ten in sensible Compliance-Bereiche, wieso zum Beispiel Privatbanken zunehmend «Mühe» zeigen, sich auf dem internationalen Markt zu behaupten. Pascal Sprenger verweist im Interview im Nachgang zur Studie auf vorliegende Megatrends: «Eigentlich schätzen Kriminelle den Schweizer Banken platz aus denselben Gründen wie gute Bank kunden. Der Schweizer Finanzplatz hat sich seit Jahrzehenten etabliert und operiert grenzüberschreitend, er ist hochgradig pro fessionell.»
In der Folge kursieren mehr und mehr Angebote an Finanzdienstleistungen sowie grosse Änderungen in der Rechtssicherheit. «Globale Regulierungen und Nationalisierun gen wie etwa neu aufgenommene Brexit-Ver handlungen durchqueren die Compliance-Anpassungen Schweizer Finanzinstitute», er klärt der Insider von KPMG.
Problem unterschiedlicher Risikoeinstufung
Schon seit einer Weile wird mehr Trans parenz über die wirtschaftliche Berechtigung von Finanzintermediären verlangt. Die Grou pe d’action financière (GAFI) hat 2012 mit der
«Privatbanken zeigen immer mehr Mühe sich zu behaupten.»
Überarbeitung der 40+9 GAFI-Empfehlun gen den risikobasierten Ansatz durchgesetzt. Allerdings wird mit solchen Regulierungen zur Identität der wirtschaftlich Berechtigten vieles aufwendiger werden. Die Anforderun gen in Bezug auf «politisch exponierte Perso nen» (PEPs) wurden ausgeweitet, auch für in ländische PEPs zwingend anwendbar.
So müssten seit Dezember 2013 zur Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Emp fehlungen zum Beispiel Steuerdelikte neu als «Vortaten» zur Geldwäscherei erfasst wer den. Gemäss der Vorlage geht es im Wesent lichen um weitere folgende Änderungen:
– Alternative zum Bargeldverbot
Wenn künftig Händler mehr als 100 000 Franken in bar entgegennehmen, unterste hen sie ebenfalls Geldwäscherei-Sorgfalts pflichten (ansonsten hat die Transaktion über Finanzintermediäre zu erfolgen). Bei kon kursamtlichen Steigerungen wird ebenfalls eine Limite (im Gegensatz zu tieferen Bar geldlimiten wie Schweden oder Italien) von 100 000 Franken eingeführt.
– Transparenz bei Inhaberaktien
Wer künftig Inhaberaktien einer Gesellschaft erwirbt, deren Aktien nicht an der Börse ko tiert sind, muss den Erwerb der Gesellschaft melden und sich identifizieren. Die Gesell schaft muss zudem ein Verzeichnis über die Inhaber führen.
Dabei hat ebenso die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Personen (Inha ber ab 25 Prozent) bei operativ tätigen juristi schen Personen zwingend zu erfolgen. Wie schätzen allerdings aktuelle Compliance-Ver antwortliche wie Pascal Sprenger die Trans aktionsüberwachungssysteme der Banken ein? Sprenger: «Mit unserer Studie können wir zeigen, dass nur 12 Prozent der Finanzdelikte von den bestehenden Transaktionsüberwa chungssystemen identifiziert werden. Für 11 Prozent der Finanzintermediäre lag eine der grössten Herausforderungen der letzten zwei Jahre in der Bewältigung zu vieler falscher Treffer in den Überwachungssystemen. Für den Aufwand, welchen die Systeme verursa chen, sind sie also vergleichsweise ineffizient.»
Die Schweiz sei per se kein guter Ort, Gelder zu waschen. «Zum Beispiel kann man in der Schweiz nicht so einfach eine AG grün den, wie dies in gewissen Off-Shore-Destina tionen möglich ist», meint der Experte weiter, es gebe jedoch «verschiedene Stufen wie etwa Veruntreuung oder auch Geldstreuung, die Geldwäscher bewusst fingieren. Es gibt heute per se gute technische Systeme, illegale Transaktionen aufzudecken, doch sie nutzen niemandem, wenn sie nicht optimal auf die Risiken einer Bank kalibriert worden sind.»
Pascal Sprenger, Financial Services (Re gulatory & Compliance) bei KPMG: «Um Com pliance-Systeme effizient aufstellen zu können, sollte ein Geschäftsmodell nie einem ‹Ge mischtwarenladen› gleichen. Sie müssen je doch klar definieren, was und was eben nicht gegeben ist.»
Gezielteres Engagement in der Prävention
Weshalb es viele Mängel respektive so eine tiefe Entdeckungsquote im Bereich der Finanzdelikte gibt, habe so einige unterschied liche Gründe, heisst es in «Clarity on Financial Crime Banking», der über 80-seitigen Studie, die auch Interviews mit namhaften Compli ance-Exponenten der Schweizer Finanzwelt beinhaltet. Hierbei äussern sich beispielsweise Expertinnen wie Gemma Aiolfi, Head of Com pliance am Basel Institute on Governance.
83 Prozent der in der Studie befragten Banken waren in den letzten drei Jahren von irgendeiner Form von Finanzkriminalität be troffen. Sieben von zehn Gruppen organisier ter Kriminalität sind in der Regel in mehr als drei Ländern tätig, wie Quellen von Europol aufzeigen. Compliance-Insider wissen: Die Transaktionsüberwachung greift nach wie vor nur in einzelnen Bereichen. Nebst dem Umstand, dass nicht alle Banken gleich gut gegen Finanzkriminalität gerüstet sind, un terstreicht auch KPMG, dass viel mehr Berei che und Dienstleistungen im Finanzwesen stringenter zu kontrollieren sind.
Darunter fallen nicht nur aufsichts rechtliche Kontrollen über die FINMA, da runter fallen auch unangemessene Verfahren im HR-Bereich (Beispiel: Umstrukturierungs massnahmen und Informations- und Mit arbeitersicherheit).
Unangebrachte oder zu einseitige In vestitionen in Compliance-, IT-Sicherheits-und andere Identifikationsprozesse seien gemäss KPMG eher kontraproduktiv.
Pascal Sprenger: «Commitment ist zent ral für alle Tätigkeiten im Finanzwesen.» Die Banken investieren in Personal, aber auch in immer mehr automatisierte Technologien. KPMG ist überzeugt: In dem Bereich «blind» mehr Geld zu investieren, würde keinen gros sen Mehrwert bringen. Es brauche eindeutige Strukturen und Prozesse, aber auch regelmä ssigere interne wie externe Überprüfungen, damit die Compliance effektiv ist.