Schuhe nach Mass für jedes Portemonnaie

Im schnelllebigen und stark umkämpften Schuhmarkt müssen sich Schuhproduzen- ten diversen Herausforderungen stellen. Die Kunden erwarten eine ständige Verfüg- barkeit und die Anforderungen an Qualität, Komfort und Ästhetik sind individuell sehr unterschiedlich. Zudem sind auch die Dimensionen der Füsse sehr verschieden.

Schuhe nach Mass für jedes Portemonnaie

Die modischen Trends ändern sich immer schneller und erst wenn die Verkäufe der ak- tuellen Kollektion gestartet sind, zeigt sich, welche Modelle gut nachgefragt werden. Die Nachproduktion dieser Modelle gelingt in der geforderten kurzen Zeit nur selten, da bei- spielsweise die Lieferzeit für Leder, das auf eine ganz bestimmte Farbe eingefärbt wer- den muss, mehrere Monate betragen kann.

 

Unter anderem führt all dies dazu, dass im Durchschnitt weniger als die Hälfte der ge- samten Schuhproduktion für Westeuropa in diesem Zielmarkt regulär verkauft werden kann. Der Rest wird zu teilweise massiv redu- zierten Preisen abgesetzt oder muss sogar entsorgt werden.

Lösungsansatz Mass Customization
Mass Customization bedeutet Schuhe auf Mass, kosteneffizient gefertigt auf Massenpro- duktionsmaschinen. Eine Marktumfrage in Westeuropa hat gezeigt, dass die Kunden be- reit sind, auf massgefertigte Schuhe bis zu zwei

 

Wochen zu warten und 20 % mehr zu bezah- len. Damit wird der Mass-Customization-An- satz für Schuhproduzenten attraktiv, wenn es gelingt, die Produktion kostengünstig auf Los- grösse 1 umzustellen, die geforderte Lieferzeit von maximal zwei Wochen zu erreichen und einen durchgängigen, konsistenten Informa- tions- sowie Materialfluss zu etablieren.

 

Durch Mass Customization können Schuhproduzenten bis zu 100 % der gesamten produzierten Menge zu regulären Preisen ab- setzen. Der heute hohe Anteil an nicht regulär verkauften und deswegen stark reduzierten oder gar entsorgten Schuhen entfällt. Denn hinter jedem Paar Schuhe, das produziert wird, steht ein realer Kundenbedarf und eine verbindliche Kundenbestellung. Dies hat gleichzeitig einen direkten positiven Einfluss auf die Ökobilanz. Weiter vergrössert sich der Marktanteil, denn Mass Customization ver- einigt die Kundenanforderungen nach ge- nauer Passform und gewünschtem Design.

 

Das bestehende Verkaufsstellennetz lässt sich auf ein paar wenige, gezielt platzierte Showrooms reduzieren. In diesen können die Kunden z.B. die Modelle und Materialien an- schauen und anfassen. Das kompetente Ver- kaufspersonal hilft beim Erstellen des Kunden- profils, unterstützt bei der Konfiguration und scannt die Füsse. Die generierten Daten werden anschliessend im Kundenprofil hinterlegt und sind danach für den Kunden online verfügbar.

 

Für die Kunden bedeutet das ein ganz neues und erweitertes Einkaufserlebnis. Sie konfigurieren und bestellen ihr ganz persön- liches Produkt jederzeit und von jedem belie- bigen Ort. Dieses wird ihnen dann bequem z.B. via Post nach Hause geliefert. Für die An- bieter erschliesst sich damit zugleich ein riesi- ges Potenzial an Informationszugewinn, da die von den Kunden hinterlegten Daten und

 

Onlineaktivitäten gespeichert sind und ge- zielt ausgewertet werden können. Daraus las- sen sich beispielsweise künftige Bedarfe ablei- ten, die entsprechenden Rohstoffe frühzeitig bestellen sowie die Kunden gezielt bewerben.

 

Ein weiterer, entscheidender Vorteil ist der radikal veränderte Cashflow. Bei Mass Customization bezahlen die Kunden ihre Schuhe, bevor sie produziert werden. Zusätz- lich entfallen die nicht wertschöpfende Lager- haltung und die damit verbundenen Kosten.

Industrie 4.0 als Wegbereiter für Mass Customization
Die Entwicklungen von Industrie 4.0 nach heutigem Stand der Technik bieten die Chan- ce, Lösungsansätze wie Mass Customization in die Realität zu übertragen und kosteneffi- zient umzusetzen.

 

Im Kern von Industrie 4.0 steht die Durchgängigkeit von Daten und Informations- flüssen über die gesamte Wertschöpfungsket- te, was eine zwingende Voraussetzung für die Produktion von Losgrösse 1 darstellt. Dazu gehören auch die durchgehende Verknüpfung und laufende Synchronisation der in der Wertschöpfungskette eingesetzten Datenma- nagementsysteme.

 

Die digitale Produktentwicklung bietet heute ausgereifte Methoden und Werkzeuge, um den Kunden viele Varianten anbieten zu können, bei vollständig definierten generi- schen Produktstrukturen. Für die Produzen- ten bedeutet dies eine hohe externe Varian- tenvielfalt (grosse Auswahl für die Kunden) bei gleichzeitig geringer interner Varianz dank Standardisierung und modularem Auf- bau der Produkte. Die hohe Variantenvielfalt für die Kunden entsteht durch Kombination der Produktkomponenten oder -module. Zur Veranschaulichung: Beispielsweise besitzt ein Schuh fünf Komponenten, die alle in drei un- terschiedlichen Varianten vorliegen, so be- trägt die innere Varianz drei mal fünf (15) und die äussere Varianz drei hoch fünf (243). Da- neben hat die generische Produktstruktur einen weiteren entscheidenden Vorteil: alle Stücklisten, Montagepläne usw. der zugehöri- gen Varianten (im obigen Beispiel 243) wer- den vollautomatisch, regelbasiert und nur auf Bedarf aus der generischen Struktur abgelei- tet, z.B. direkt durch die Konfiguration des Kunden im Webshop.

 

Industrie 4.0 ermöglicht ein vollautoma- tisches Durchsteuern der kundenspezifischen Produkte durch die automatisierte oder auch teilautomatisierte Produktion. In der Ferti- gung gilt es, die Komponenten und Module nach den kundenspezifischen Massen und al- lenfalls weiteren Spezifikationen wie Material- auswahl usw. herzustellen. Dazu wird der Steuerungscode für automatisierte Fertigungs- maschinen wie zum Beispiel CNC-Fräsmaschi- nen oder 3D-Drucker definiert und paramet- riert. Die Parameter wirken auf alle Elemente des Steuerungscodes, die material- oder kun- denspezifisch sind, also vom gewählten Mate- rial und/oder von den Massen der Kunden ab- hängen. Durch die Konfiguration der Kunden wird der Maschinensteuerungscode vollauto- matisch auf die Kundenspezifikationen ver- vollständigt. Damit können auch varianten- spezifische Komponenten ohne Mehraufwand gefertigt werden, vergleichbar zu einer Mas- senproduktion von Standardprodukten.

 

Über den gesamten Fertigungs- und anschliessenden Montageprozess wird dank durchgängigem Informationsfluss sicherge- stellt, dass die korrekten Komponenten und Module dem richtigen Kunden zugeordnet und in der vorgesehenen Reihenfolge mitein- ander verbaut werden. Dazu müssen alle Ein- zelteile gekennzeichnet sein und maschinell erkennbar sein. Es existieren heute viele ver- schiedene und weit verbreitete Lösungen für alle denkbaren Automationsgrade der Pro- duktion; angefangen bei manueller Kommis- sionierung und Warenerkennung mit Strich- code bis hin zu vollautomatischer Zusammen- stellung und Transfer an die Montageplätze.

Erprobte Beispiele
In der Schuhindustrie wurde ein solcher Lö- sungsansatz bereits mehrfach erfolgreich um- gesetzt. Zwei zufällig ausgewählte Beispiele dazu sind:

 

– myVALE: Flipflops mit massgefertigtem Fussbett anhand des Fussabdrucks, kun- denspezifisches Design mittels Konfigura- tion (>35 Mio. Möglichkeiten)

– Risch Shoes: Herrenschuhe nach Mass mit Fussscan, kundenspezifisches Design mit- tels Konfiguration, Show Room mit sämt- lichen Modellen der Kollektion

 

Analoge Lösungsansätze sind für die Pro- duktion von vielen weiteren Gütern umsetz- bar und bringen entsprechende Vorteile. Es lohnt sich, die Möglichkeiten von Industrie 4.0 zu nutzen, neue Geschäftsmodelle zu entwi- ckeln und anzubieten. Die damit verbundenen Chancen und Potenziale sprechen für sich.

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