Risikoausblick 2023: Unternehmen geraten in Dauerkrisen-Modus
Geopolitische Verschiebungen und steigende Lebenshaltungskosten versetzen Unternehmen in einen Dauerkrisen-Modus. Dies zeigt der Risikoausblick 2023 von International SOS. Für die Unternehmen bedeutet das unter anderem, dass sie verstärkt präzise und aktuelle Informationen nutzen sollen, um Mitarbeitende bei dem Umgang mit steigenden Lebenshaltungskosten, geopolitischen Risiken und zunehmenden Unruhen in einigen Regionen weltweit zu unterstützen.
Obwohl die akuten Auswirkungen der Pandemie in vielen Ländern abklingen, werden Unternehmen auch 2023 weltweit mit erheblichen Risiken konfrontiert sein. Experten prognostizieren, dass globale Risiken das Potenzial haben, das Produktivitätsniveau zu senken, da sich die Krise der Lebenshaltungskosten und die schwierige Sicherheitslage auf die Mitarbeitenden auswirken. Dies geht aus dem neuen Risikoausblick „Risk Outlook 2023“ von International SOS und der aktualisierten Welt-Risikokarte „Risk Map“ hervor. Diese enthalten Daten zum medizinischen und sicherheitspolitischen Umfeld von Ländern auf der ganzen Welt mit einer Einstufung von „unbedeutend“ bis „extrem“.
Viele der Ergebnisse für den Risikoausblick 2023 basieren auf einer Umfrage unter 1218 leitenden Fachkräften für Mitarbeitergesundheit und -sicherheit in 108 Ländern. Aus der DACH-Region haben 108 Experten teilgenommen. Daraus ergibt sich ein detaillierter Überblick über einige der grössten Risiken, mit denen sich Unternehmen im Jahr 2023 auseinandersetzen müssen. Neben bestehenden Problemen, wie etwa der psychischen Gesundheit, zeigt sich, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitende dabei unterstützen sollten, genaue Informationsquellen zu nutzen, da sie in der Dauerkrise von ständig ändernden Ereignissen betroffen sind.
Risikoausblick 2023: Die fünf Prognosen von International SOS
Basierend auf den Ergebnissen der Risk Outlook-Umfrage, des Workforce Resilience Council und der eigenen Daten der Organisation hat International SOS die fünf wichtigsten Trends ermittelt, die Unternehmen im Jahr 2023 beachten müssen:
- Wichtigkeit der Nachrichten/Information bei der Entscheidungsfindung: Der Einfluss aktueller, vertrauenswürdiger, akkurater und umsetzbarer Informationen bzw. Nachrichten auf die Entscheidungsfindung von Unternehmen wächst stetig.
- Anpassung an die „Dauerkrise“: Unternehmen müssen sich an eine Dauerkrise mit geopolitischen Verschiebungen, sozioökonomischen Herausforderungen und zunehmender Polarisierung anpassen.
- Das Unplanbare planen – Geschäftsreisen und Auslandsaufenthalte kehren langsam auf das alte Level zurück, werden aber mit weitaus mehr Vorsicht und Sorgfalt durchgeführt. Geschäftsreisende wollen mehr Unterstützung.
- Der Klimawandel und andere Ereignisse: Der Klimawandel bzw. deren Folgen und andere Gegebenheiten, wie Epidemien und Pandemien, erhöhen die Gesundheitsrisiken mit weitreichenden Auswirkungen. Für Unternehmen ist ein umfassender Ansatz zur Gewährleistung der Mitarbeitergesundheit erforderlich.
- Die ‚happy at work‘-Gleichung (A+B+C)-D: So lautet die neue Gleichung für Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Eine neue Ära in Bezug auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist angebrochen.
Berücksichtigung der Auswirkungen geopolitischer Veränderungen
Der Russland/Ukraine-Konflikt war im Jahr 2022 das bestimmende Sicherheitsthema und verdeutlicht, dass die Geopolitik und die Gefahr zwischenstaatlicher Konflikte wieder auf der Risikoagenda von Unternehmen stehen. Der Konflikt wird sicherlich auch 2023 noch Auswirkungen haben. Folglich müssen Unternehmen lernen, mit dem sich verändernden globalen Risikoumfeld effektiv umzugehen. Die geopolitische Volatilität wird sich in den nächsten zwölf Monaten auch über Russland/Ukraine hinaus ausbreiten, da sich die zunehmende Spaltung zwischen Russland und dem Westen auf andere Konflikte auswirken und seit langem bestehenden geopolitischen Spannungen verschärfen wird. Neben der unübersehbaren Kluft zwischen Russland und dem Westen wird der Wettbewerb zwischen den USA und China die geopolitische und wirtschaftliche Landschaft zunehmend dominieren. Bewährte Praktiken für Unternehmen bestehen darin, die Wahrscheinlichkeit und die möglichen Auswirkungen immer wieder zu überprüfen, um die potenziellen Folgen für ihr Unternehmen und ihre Mitarbeitenden zu eruieren.
Viele Krisenmanagement-Teams lernen derzeit, mit einem Zustand der „Dauerkrise“ umzugehen. Im Jahr 2023 wird es eine wichtige Aufgabe für Unternehmen sein, das richtige Mass an Schulung, Investitionen und Unterstützung für diese Teams bereitzustellen, da Experten bereits auf ein hohes Mass von Krisenmanagement-Müdigkeit hingewiesen haben. Die Bewältigung dieses Erschöpfungszustandes ist der Schlüssel für den Übergang von der Dauerkrise zur Krisen-Resilienz. Unternehmen, die Lehren aus den vergangenen beiden Jahren effektiv umgesetzt haben, profitieren von robusteren Fähigkeiten zur Bewältigung von Herausforderungen. Der richtige Umgang mit der Dauerkrise erweist sich als äusserst wichtiges Thema: Zahlreiche befragte Experten prognostizieren, dass sich geopolitische Trends negativ auf das Produktivitätsniveau auswirken werden:
Zunehmende soziale Unruhen
Der neue Risikoausblick zeigt auch, wie viele der befragten Experten davon ausgehen, dass soziale Unruhen im Jahr 2023 ein Hauptgrund für Produktivitätsverluste sein werden. Demnach sagen 48 Prozent der Befragten voraus, dass sich der Druck der Lebenshaltungskosten auf die inländischen Arbeitnehmer auswirken wird, und ein Drittel (33 Prozent) geht davon aus, dass sich Unruhen auf Geschäftsreisende auswirken werden. Daher werden soziale Unruhen im Jahr 2023 ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Führungskräfte sein – das Problem ist extrem vielschichtig und wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf Unternehmen und Mitarbeitende aus. Einige Themen und Kernpunkte, die Führungskräfte in diesem Kontext beachten sollten, sind:
- Die Volatilität auf den Energie- und Agrarmärkten wird Unruhen schüren, insbesondere in instabilen, fragilen Volkswirtschaften. Regionen, die am wahrscheinlichsten betroffen sind: Afrika südlich der Sahara, Ägypten, Libanon.
- Mangelnde Fortschritte bei der Lösung der zugrundeliegenden wirtschaftlichen oder politischen Probleme werden zu wachsender öffentlicher Unzufriedenheit sowie zu Unruhen führen, bei denen das Risiko von Gewalt mit der Zeit wächst. Regionen, die am wahrscheinlichsten betroffen sind: Pakistan, Sri Lanka, Ecuador, Peru, Irak.
- Die Polarisierung auf globaler Ebene wird sich in einer weiteren innerstaatlichen Spaltung niederschlagen, die bereits bestehende Auslöser für soziale Unruhen verstärkt und im Extremfall zu zunehmender örtlich begrenzter Gewalt und kriminellen Aktivitäten führt. Regionen mit hohem Risiko: USA, Westeuropa.
Zunehmende Auswirkungen des Klimawandels
Gemäss Risikoausblick 2023 müssen die Auswirkungen des Klimawandels – über die unmittelbaren Folgen extremer Wetterereignisse hinaus – auf mehreren Ebenen berücksichtigt werden. Unternehmen sollten sich auf die potenzielle Zunahme der mit dem Klimawandel verbundenen Gesundheitsrisiken einstellen. Experten weisen darauf hin, dass der Klimawandel zu einer Beschleunigung des Auftretens neuer sowie des Wiederauftretens alter Infektionskrankheiten beiträgt, wie die zahlreichen „ungewöhnlichen“ Ausbrüche des 21. Jahrhunderts zeigen. Darunter SARS, Ebola, COVID-19 und Affenpocken. Ein im August 2022 in der wissenschaftlichen Fachmedium Nature Climate Change veröffentlichtem Bericht schätzt, dass „über die Hälfte der bekannten humanpathogenen Krankheiten durch den Klimawandel verschlimmert werden können“. Es wird vermutet, dass der Klimawandel auch zu einer Zunahme von durch Mücken übertragenen Krankheiten führen wird, da die Temperaturen und der Wasserstand steigen. Diese Situation könnte zu Ausbrüchen von Malaria, Dengue-Fieber und Zika-Virus in Gebieten führen, in denen diese Krankheiten noch gar nicht aufgetreten sind, und zu häufigeren Ausbrüchen in Gebieten, in denen sie bereits vorkommen.
Diese Prognosen sind umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass sich bislang nur ein Viertel der befragten Organisationen (25 Prozent) aktiv auf künftige Pandemien und COVID-19-Varianten vorbereitet. Zu den bewährten Praktiken gehören, Risikobewertungen bestehender und potenzieller Gesundheitsbedrohungen vorzunehmen und hierbei Prognosen für die potenzielle geografische Ausdehnung von Gefahren aufgrund des Klimawandels und anderer Kräfte einzubeziehen. Dr. Stefan Esser, Ärztlicher Leiter Zentraleuropa bei International SOS, kommentiert: „Unternehmen sind mit der Reaktion auf die bestehende COVID-19-Pandemie gut vertraut und sollten auf diesem vorhandenen Wissen aufbauen. Krisen- und Business Continuity Pläne gilt es so zu erweitern, dass sowohl bekannte Gesundheitsrisiken als auch weitere potenzielle Gesundheitsbedrohungen berücksichtigt werden. Dabei erweist sich die Durchführung von Notfallübungen als sinnvoll: Diese sollten sowohl wahrscheinliche als auch unwahrscheinliche Worst-Case-Szenarien umfassen, um sicherzustellen, dass verantwortliche Teams und Mitarbeitende vorbereitet sind.“
Geschäftsreisende benötigen 2023 mehr Unterstützung
Der Risikoausblick 2023 zeigt auf, dass die meisten Unternehmen (86 Prozent) ihre Budgets für das Management von Reiserisiken beibehalten oder aufstocken. Es ist davon auszugehen, dass die Reisetätigkeit weiter zunehmen und wahrscheinlich das vor-pandemische Niveau erreichen wird. Dieser Trend wird durch die von International SOS erhobenen Daten bestätigt. Demnach beträgt das internationale Reiseaufkommen aktuell 83 Prozent des Volumens vor der Pandemie. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Reisende Rat oder Hilfe benötigen, doppelt so hoch. Geschäftsreisen werden im kommenden Jahr eindeutig komplexer werden, da die Unternehmen viele Probleme parallel bewältigen müssen. Ermutigend ist die Vorhersage der Experten, dass trotz steigender Kosten die Budgets für das Reisemanagement im Jahr 2023 steigen oder gleichbleiben werden. Investitionen dieser Art werden entscheidend sein, um die Sicherheit der Geschäftsreisenden im kommenden Jahr zu gewährleisten.
Quelle: International SOS