Ressource Ich

Hohe Leistung und Zielerreichung werden wie selbstverständlich auf überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft sowie fachliches Wissen und Können zurückgeführt. Fachleute sehen die Zusammenhänge etwas differenzierter und verweisen auf die Macht des Verhaltens .

Ressource Ich

 

 

 

 

«Die Arbeit an der Verbesserung der eigenen Verhaltensweisen sollte ein fester Bestandteil eines ganz persönlichen Qualitätsmanagements sein», sagt Thomas Weegen, Geschäftsführer von Coverdale, München, einer auf die Entwicklung von Zusammenarbeit spezialisierten internationalen Unternehmensberatung. Und seine Begründung für diesen Hinweis? «Angespanntsein, Nervosität und unterschwellige Ungeduld bestimmen deutlich mehr als früher die Atmosphäre in beruflichen Situationen. Wer sich von diesem Gefühlsgemisch in Bann schlagen und in seinem Auftreten und Vorgehen steuern lässt, untergräbt seine Überzeugungs- und Wirkkraft.»

Sich gut im Griff haben

 

«Wenn ich bei einem augenblicklichen Ärger Geduld habe, kann ich mir Sorgen für hundert Jahre ersparen », mahnt schon ein altes chinesisches Sprichwort. Ein lebenskluger Satz, verweist er doch auf die Wohltat einer Fähigkeit, die erkennbar notleidend geworden ist: das Vermögen, aufwallende Impulse steuern und sich so in herausfor

 

Sich souverän verhalten

 

dernden Momenten ein wenig besonnener und souveräner verhalten zu können. Doch wie gelingt es, sich auf diese Weise zu steuern und dadurch wirkungsvoller zu machen, Angriffen die Spitze zu nehmen, unfaires Verhalten auszubremsen und zu signalisieren: «So schnell lasse ich mich nicht aus der Fassung bringen!»?

 

«Nun», schmunzelt Professor Jürg Frick, Entwicklungspsychologe und psychologischer Berater in Zürich, «eigentlich ganz einfach, man muss es wollen und entsprechend an sich arbeiten!» Sicherlich sei eines der «Geheimnisse» besonnen und souverän wirkender Menschen ihre ausgeprägte Willenskraft und Bereitschaft zur Selbstzucht. Ein anderes ihre Beobachtungsgabe. Denn ungemein hilfreich sei es auch, Menschen, die sich erkennbar souverän verhalten, zu beobachten, sich an ihnen zu orientieren und von ihnen zu lernen.

In der Ruhe liegt die Kraft

 

Was zeigen entsprechende Beobachtungen? Wodurch zeichnen sich besonnen und souverän wirkende Menschen anderen gegenüber aus? Was fällt an ihnen auf? Am meisten wohl, sie zeigen keinerlei situative Aggressivität. Ebenso ihre wohltuend beruhigend auf die Umgebung abstrahlende Unaufgeregtheit. Sie bleiben im Vergleich zu anderen einfach freundlich. Und werden sie deutlicher in der Zurückweisung irgendwelcher Anmassungen, gelingt ihnen auch das in der Regel «mit einem leisen, entwaffnenden Lächeln auf den Lippen, ohne dabei arrogant oder mokant zu wirken», sagt Alfred Kirchmayr, Wiener Professor und Therapeut, der sich intensiv mit Arten und Wirkungen des Lachens und des Humors beschäftigt.

 

Alles Verhaltensweisen, die auf in sich ruhende, reflektierte Persönlichkeiten verweisen, denen jedwedes spontane Rivalitätsdenken und -gehabe abgeht. Und auf eine unaufdringliche Eigenständigkeit im Denken und Beurteilen, auf geistige Unabhängigkeit. Die gleichwohl, aber doch unmissverständlich signalisieren: An mir brauchst du dich nicht abzuarbeiten! «Wenn Sie ein prächtiges Beispiel für das schöne Wort ‹In der Ruhe liegt die Kraft!› haben wollen, hier haben Sie es», sagt Frick. Menschen, die sich so verhalten, wirkten besonnen und souverän anderen gegenüber, deeskalierend, entspannend, Vertrauen erweckend. Meist gelingt es ihnen, eine Brücke der Glaubwürdigkeit hin zum Gegen

 

Glaubwürdigkeitpflegen

 

über zu bauen und eine wie auch immer geartete zwischenmenschliche Beziehungskonstellation aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu bugsieren und zu stabilisieren.

 

Daran zu arbeiten, sich nicht blind von einer Situation gefangen nehmen, mit- und fortreissen und das eigene Verhalten vorzeichnen zu lassen, «diese Arbeit auf Vorgesetzten- wie auf Mitarbeiterseite gleichermassen zu leisten» würde, so der Zusammenarbeitsexperte Weegen, «einen Gutteil der Burnout- Diskussion recht rasch überflüssig machen!»

Belastungsfestigkeit gewinnen

 

Der olympiaerfahrene Coach für Spitzensportler und Manager, Hans Eberspächer, emeritierter Professor für Sportpsychologie an der Universität Heidelberg, stimmt dem aus dem Blickwinkel des Leistungssports zu: «Sich besonnen und souverän verhalten zu können, das hat vor allem damit zu tun, gut zu sein, wenns darauf ankommt, sich also ziel-, situationsund anforderungsangemessen steuern und organisieren zu können. »

 

Wer derart belastungsfest sein kann, gewährleiste «situative Unbefangenheit und den notwendigen Sicherheitsabstand zu all dem, was im Moment herausfordert, irritiert oder unmittelbar Ärger aufkommen lässt». Er biete mithin «die Garantie dafür», sich weder irre machen zu lassen, noch sich selbst irre zu machen und trage dadurch dazu bei, nicht «zum hilflosen Spielball von situativen Gegebenheiten zu werden». Eberspächer: «Sie machen sich vermutlich keine Vorstellung davon, wie viele Menschen sich dadurch, dass sie sich kaum oder gar nicht ziel-, situations- und anforderungsangemessen steuern und organisieren können, selber im Wege stehen und sich um erreichbare Erfolge bringen!» Oder wie Weegen es sagt: «Verhaltenskönnen als Erfolgsbaustein wird auf eigentlich nicht nachvollziehbare Weise nicht nur unterschätzt, sondern beinahe schlicht ignoriert.»

Wenn die Nerven blank liegen …

 

Von daher sei es «wirklich kein Wunder, wie wenigen es wirklich gelingt, in kritischen Situationen nicht aus der Rolle zu fallen.» Dabei sei doch gerade die Fähigkeit, sich gewinnend zu verhalten, vor dem Hintergrund einer merklich angespannten Arbeitsatmosphäre nach innen wie nach aussen eine der besten persönlichen Empfehlungen! Und gleichzeitig die beste Versicherung gegen das, was heute nicht gerade selten am Arbeitsplatz zu hören sei: «Gleich drehe ich durch!»

 

«Öfter mal blank liegende Nerven gehören heute nun mal zum Arbeitsalltag », konstatiert der erfahrene Fachmann für Bewusstseinssteuerung Hans Eberspächer lapidar. Man könne das beklagen und nach Schuldigen dafür suchen. Das werde zwar eifrig getan, bringe aber, wie alle Erfahrung zeigten, «nichts, absolut nichts!».

 

Also sei es doch wohl erheblich sinnvoller, sich selbst unter Kontrolle und im Griff zu haben, sich

 

Nicht zum Spielball werden

 

nicht provozieren, zu unbedachtem Tun und Sagen verleiten und hinreissen zu lassen und dabei weder sich selbst, noch andere zu beschädigen. Würde sich diese Einsicht und dieses Bemühen «nur ein wenig mehr durchsetzen, wären einem der beachtlichsten, aber am meisten ausgeblendeten Kostenfaktoren Zügel angelegt: den zwischenmenschlichen Reibungsverlusten », gibt Weegen zu bedenken.

 

Eberspächer bringt die Sache mit der Arbeit am eigenen Verhalten auf den Punkt: «Unsere wichtigste Ressource sind wir selbst. Ressource Ich. Erst systematische und konsequente Arbeit an uns selbst macht uns fit für Anforderungen, fit fürs Leben. Es gilt, die Ressource Ich so ökonomisch zu erschliessen und zu nutzen, dass wir – auch unter höchster Beanspruchung und Stress – genau dann optimal handlungsfähig sind, wenn es drauf ankommt. »

 

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