Remanufacturing: Aus Alt wird Neu

Mit Remanufacturing arbeiten Unternehmen einzelne Komponenten oder ganze Geräte über einen standardisierten Industrieprozess derart auf, dass diese die ursprünglichen Spezifikationen des Produktes im Neuzustand erfüllen. Dies hilft, sich neue Kundensegmente zu erschliessen, den After-Sales- Service zu optimieren oder die Verfügbarkeit von Ressourcen zu sichern.

Remanufacturing: Aus Alt wird Neu

 

 

Deutschland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg ein Rohstoffproblem. Dies zwang Volkswagen dazu, gebrauchte Fahrzeugkomponenten instandzusetzen, um Kunden Ersatzteile liefern zu können. Was 1948 mit Getrieben, Vergasern und Motoren begann, war so erfolgreich, dass bereits zehn Jahre später ein eigenes Werk errichtet wurde, in dem heute über 13 000 verschiedene Komponenten aufgearbeitet werden. Volkswagen arbeitet heute gebrauchte Komponenten auf, weil es sich finanziell lohnt. Kunden erhalten dadurch Ersatzteile so gut wie neu. Und wie bei neuen Ersatzteilen erhalten sie die volle Werksgarantie.

Volkswagen, Xerox und Apple tun es

 

Dabei überzeugen nicht nur die ökologischen Argumente, sondern auch der günstigere Preis. Der günstigere Preis bei gleicher Leistung reicht vollauf. Im Gegensatz zu Volkswagen arbeitet Xerox nicht einzelne Komponenten, sondern ganze Geräte auf [siehe Fussnote I]. Aufgrund des hohen Anschaffungspreises konnte Xerox neue Geräte nur schlecht verkaufen und wurde gezwungen, ihre Produkte zu vermieten. Damit blieb sie Eigentümerin ihrer Produkte.

 

Daraus entwickelte sich bei Xerox ein grundliegendes Interesse, Produkte möglichst lange durch Instandsetzung nutzen zu können. Xerox startete 1987 in den Niederlanden das Programm «Asset recovery» mit dem Ziel, vollständige Druckstationen aufzuarbeiten.

 

Ebenso Konsumgüterhersteller arbeiten ihre Produkte auf. Fuji betreibt seit 1998 eine vollautomatisierte Linie für die Demontage, Reinigung, Neubestückung und Prüfung von Einwegkameras. HP arbeitet nicht nur Druckerpatronen, sondern auch Drucker und Computer auf. Und auch Apple tut es. Unter der Bezeichnung «generalüberholt» können Kunden gebrauchte iPhones, iPads etc. mit originaler Herstellergarantie zu einem günstigeren Preis übers Internet bestellen.

Der Remanufacturing- Prozess

 

Das Aufarbeiten von Produkten ist umfassender, als man annehmen könnte. Remanufacturing bedingt nicht nur breite Kenntnisse über Produkte und Verfahren, es bedingt auch Logistikund Markt-Knowhow etc. Ein typischer Remanufacturing-Prozess setzt sich aus folgenden Teilprozessen zusammen:

 

  • Sammlung und Eingangsprüfung der gebrauchten Geräte und Komponenten;
  • deren Demontage, Sortierung und Reinigung;
  • Aufarbeitung von einzelnen Komponenten oder deren Ersatz durch Neuteile (bei mangelnder Qualität und Verschleissteilen);
  • Neumontage und Endprüfung des Gerätes nach den ursprünglichen Spezifikationen.

 

Lediglich einen Remanufacturing- Prozess zu installieren reicht aber nicht. Eine der zentralen Aufgaben ist es, aus dem Markt genügend Altteile in ausreichender Qualität zu erhalten, um sie aufarbeiten zu können. Kunden werden dabei zu Lieferanten. Der Kontakt zu ihnen erfordert eine neue Art der Marktbearbeitung und Kommunikation. Auch braucht es eine Logistik, die den Vertriebskanälen entgegenläuft.

Design for Remanufacturing

 

Anstelle von einem Punkt zu vielen müssen die Altteile von vielen zu einem Punkt zusammengeführt werden. Dies wird auch als Reversed logistic bezeichnet.

 

Optimales Remanufacturing dreht sich um Beschaffung, Produkteaufarbeitung, Entwicklung, Logistik und Produkteverkauf.

 

Wesentlich erleichtert wird die Aufarbeitung zudem, wenn Demontage, Reinigung und Aufarbeitung der Altteile bereits bei der Produkt- und Prozessentwicklung integriert wurde. Das sogenannte Design for Remanufacturing berücksichtigt dabei beispielsweise Plattformen mit modularer Produktarchitektur. Sie reduzieren die Produktvielfalt und erlauben Upgrades.

 

Ein entsprechendes Design umfasst aber auch Aspekte wie eine ungeteilte Verantwortung von Entwicklungs- und Produktionsteams für neue und aufgearbeitete Produkte. Wichtig sind auch einheitliche Standards für die Erst- und Zweitmontage, die Produktionsmittel, Verfahren, Anweisungen und Schulungen gleichermassen betreffen. Auch der Absatz der aufgearbeiteten Produkte sollte gebührend beachtet werden.

 

Erhalten die Verkäufer für den Verkauf von aufgearbeiteten nicht dieselben finanziellen Anreize wie für neue, besteht die Gefahr, dass an letzter Stelle die Anstrengungen des Remanufacturings unterlaufen werden. – Remanufacturing ist ein integrales System und setzt sich aus mehr als einer Vielzahl von Einzelmassnahmen zusammen, die es zu koordinieren gilt. Eine klare, strategische Positionierung innerhalb des Unternehmens erleichtert wesentlich dessen Aufbau.

Mehrwert schaffen

 

Altgeräte haben – auch in defektem Zustand – einen Wert, der in der Regel weit über dem Wert durch das Recycling der Rohstoffe liegt. Denn in den geformten Teilen und den zu einem Produkt zusammengefügten Komponenten steckt immer noch ein beträchtlicher Anteil der Wertschöpfung, die bei der Herstellung des neuen Produktes geschaffen wurde. Mit Remanufacturing wird dieser Wert erhalten und in einem Mass erhöht, dass Kunden bereit sind, nochmals einen Preis dafür zu bezahlen.

 

Dass das funktioniert, zeigt das Beispiel Xerox. Mit seinem Programm «Asset recovery» gelang es dem Unternehmen innerhalb von 10 Jahren, 75 Prozent der Druckstationen resp. 60 000 Einheiten aufzuarbeiten und dabei 65 Millionen Dollar zu sparen.

 

Konkret schafft Remanufacturing folgenden Nutzen:

 

1. Ein Unternehmen kann mit aufgearbeiteten Produkten die Kundenbindung erhöhen und neue Kundensegmente erschliessen.

 

2. Nicht nur die Software, auch die Hardware kann nachgerüstet werden.

 

3. Remanufacturing erhöht die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und reduziert den Aufwand für deren Lagerhaltung. Auch bleiben Ersatzteile über das Phaseout lieferbar.

 

4. Mit Remanufacturing macht sich ein Unternehmen ein Stück weit unabhängig von Entwicklungen am Rohstoffmarkt.

 

5. Mit dem Aufarbeiten gewinnen Hersteller Erkenntnisse über die Schwächen ihrer Produkte. Diese können in den Entwicklungsprozess einfliessen.

 

Remanufacturing bietet nicht zuletzt ökologische Vorteile. Das Aufarbeiten von gebrauchten Geräten und Komponenten benötigt weniger Ressourcen und erzeugt weniger Emissionen. Dieses Ergebnis zeigte eine Ökobilanz der TU Berlin, welche 2012 die ökologischen Auswirkungen der Herstellung und Aufarbeitung von Alternatoren für Personenwagen ermittelte [II]. Durch Remanufacturing von Altteilen können gegenüber neuen Alternatoren beinahe 90 Prozent der Emissionen vermieden und fast 70 Prozent der Rohstoffe eingespart werden.

Risiken nicht ausser Acht lassen

 

Remanufacturing birgt natürlich auch Risiken. So bestehen immer Unsicherheiten bezüglich Qualität und Quantität der zurückgeführten Altprodukte. Die unterschiedlichen Mengen lassen sich schwieriger planen und können aufgrund von unregelmässigen Transporten und kleinen Stückzahlen schnell zu einer teuren Logistik führen. Aufgearbeitete Produkte können nicht nur Konkurrenzprodukte verdrängen, sondern auch die eigenen «kannibalisieren».

 

Rahmenbedingungen können ändern. Die Einführung des Bleiverbots in Elektronikgeräten durch die europäische RoHSRichtlinie zum Beispiel erschwerte das Remanufacturing über Produktgenerationen hinweg. Der schnelle technologische Wandel kann Produkte schlichtweg auch überflüssig werden lassen.

 

Trotzdem: Remanufacturing ist eine erfolgsversprechende Strategie, welche die Lebensdauer von Produkten zum Nutzen von Unternehmen und deren Kunden verlängert. Dies ist nicht nur ökologisch sinnvoll. Mit einem geschickt aufgesetzten Remanufacturing- Prozess ist dies auch ökonomisch attraktiv.

 

Michael Vogt, Dipl. Nat. ETH, ist Geschäftsführer der resnova gmbh.

 

 

 

 

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