Reifeprüfung im Unternehmen Spital

Sämtliche Organisationen müssen sich damit beschäftigen, wie man bestmög- lich mit immer rascher ändernden Anfor- derungen umgehen kann. Dies gilt auch für Spitäler. Lean Hospital ist eine er- folgreiche Methode, um die gewünschte Agilität für die Zukunft zu erlangen und laufend hoch zu halten. Andere Manage-mentmethoden haben ähnliche Ziele. Doch wissen Sie, wie reif Ihre Organisati- on für die Zukunft bereits ist und welche Veränderungen Ihre Organisation weiter- bringen könnten?

Reifeprüfung im Unternehmen Spital

Das Universitätsspital Basel hat gemeinsam mit zwei Penta+-Spitälern (1), dem Spitalzen- trum Biel und dem Kantonsspital Baden, ein Assessment entwickelt, um von Abteilungen oder ganzen Kliniken den Reifegrad der Pati- entenzentrierung zu bestimmen.

Ergebnisqualität wird immer wichtiger
Spitäler stehen im Wettbewerb: Patienten können sich immer besser informieren, Er- gebnisse lassen sich immer besser verglei- chen und Bedürfnisse werden immer indivi- dueller. Mit steigendem Druck zur Kosten- effizienz verändern sich die Ansprüche im Gesundheitssystem.   Nebst   der   erbrachten Leistung wird die Ergebnisqualität immer wichtiger. Dies führt dazu, dass der Patient als Kunde stärker ins Zentrum der Versorgung rückt (2). Zusätzlich zur medizinischen und pflegerischen Qualität ist auch die prozes- suale Qualität und die Effizienz der Dienst- leistungserbringung kontinuierlich zu ver- bessern. Viele Spitäler adaptieren erfolgrei- che Management-Heuristiken aus der Indus- trie sowie Lean Hospital, Lean Six Sigma, ISO- Q-Systeme, EFQM, TQM, um erfolgreich zu bleiben. Was sind die Voraussetzungen zur Patientenzentrierung (Kundenzentrierung) und wie ergänzen sich scheinbar unter- schiedliche Management-Heuristiken wie Qualitätsmanagement und Lean Hospital?

Lernen von der Industrie
Ein Blick in die Industrie als Vergleich zeigt: In der Automobilindustrie wird heutzutage vom Kunden eine hohe Qualität voraus- gesetzt. Niemand kauft ein Auto, bei dem die Zündkerzen alle 1000 km ausgewechselt werden müssen oder nach sieben Jahren zu rosten beginnen. Die entsprechenden Quali- tätsprobleme werden auf Kundenplattfor- men sichtbar gemacht. Das Qualitätssystem der Automobilindustrie – mit der Norm- anpassung 2017 eingeführt – fordert eine ständige Verbesserung mit Betonung auf Fehlervermeidung mittels Verringerung der Streuung und Verschwendung entlang der gesamten Lieferkette ein (3). Dieser Schritt hin zu Lean Management ist in der Qualitäts- norm festgehalten und entlang der gesamten Supply Chain etabliert. Dies ist für die westli- che Automobilindustrie neu, aber noch ein weiter Weg zu einer Unternehmenskultur des gemeinsamen gesamtheitlichen Strebens zum Besseren wie bei Toyota. Leider gilt diese Verpflichtung zum Besseren aber nur für di- rekt wertschöpfende Tätigkeiten. Toyota zeigt uns, dass eine gesamtheitliche Lean-Un- ternehmenskultur erforderlich ist: Alle Mit- arbeitenden sind kollaborativ für Erfolg und Misserfolg verantwortlich, unabhängig da- von, ob in Support- und Administrativ-tätigkeiten oder bei direkt wertschöpfenden Tätigkeiten und Dienst- leistungen.

Erwartungen übertreffen
Um den Kunden zu begeistern, reicht das Erfüllen von Bedürfnissen alleine nicht mehr aus. Das Ergebnis für den Kunden muss die Erwar- tungen übertreffen. So steigen die Kundenzahlen. Aufgrund der guten Ergebnisse für den Kunden erzielt auch das Unternehmen ein besse- res Resultat als die Mitbewerber. Dies gilt auch für Spitäler. Oft sind Spitäler schlicht noch nicht reif genug, um das volle Potenzial auszu- schöpfen. Der Patient muss konsequent ins Zentrum des Denkens und Handelns gesetzt werden. Strategische und taktische Führungs- entscheide richten sich danach. Über alle Bereiche hinweg wird in der täglichen Arbeit der Patient oder der interne Kunde ins Zentrum des Handelns und des Optimierens gesetzt. Das Wissen und die Erfahrun- gen aller Mitarbeitenden sind interprofessionell und über Hierarchie- stufen hinweg zur kontinuierlichen Verbesserung zu nutzen. Qualitätsmanagement, Lean Hospital und andere Management-Heu- ristiken arbeiten Hand in Hand, um die Organisation dabei zu unter- stützen. Alle Mitarbeitenden werden der Betroffenheit entledigt und zur Beteiligung verpflichtet.

 

Dies setzt einen hohen Reifegrad der Unternehmenskultur hin- sichtlich Patientenzentrierung voraus: Eine Kultur der Offenheit wird über alle Stufen hinweg eingefordert. Je reifer ein System sich an die ständig ändernden Anforderungen anpassen kann, desto besser ist die Ausgangslage, um für künftige Veränderungen gewappnet zu sein oder diese sogar vorherzusehen. Als Nebeneffekt wird die Effizi- enz und Motivation der Mitarbeiter kontinuierlich gesteigert. Aus- serdem verbessern sich Deckungsbeiträge, und aufgrund der guten Ergebnisqualität werden Patientenzahlen langfristig steigen. Ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil kann so sichergestellt werden.

Patientenzentrierung bewerten
Das Kantonsspital Baden, das Universitätsspital Basel und das Spital- zentrum Biel haben einen Reifegrad Patientenzentrierung in Form eines Assessments entwickelt. Aufgrund des integrativen Ansatzes werden die Patienten- und Kundenzentrierung, die Führung (das Management) und die Kultur miteinbezogen. Unabhängig von ange- wandten Management-Heuristiken wie Lean Hospital, Lean Six Sigma, ISO-Q-Systeme, EFQM, TQM etc. kann das System Spital erstmalig neutral «von aussen» beurteilt werden.

 

Das Ergebnis des Assessments («Reifeprüfung») ist eine Spiege- lung der erhaltenen Eindrücke des Spitals in Form eines Reifegrades zur Patientenzentrierung. Basierend auf den sichtbar gemachten Hauptpotenzialen wurden Inputs dazu abgegeben, welche nächsten Schritte möglich sind, um als Spital patienten- und kundenzentrier- ter zu werden. Es ist eine Chance, neue Impulse in strukturierter Form zu erhalten und sich mit anderen der gleichen Branche zu ver- gleichen. Es sind weitere Assessments geplant, sodass neutralisierte Vergleiche mit dem Markt (Benchmark) künftig möglich werden. So werden Erfolgsrezepte aus der Praxis (Best Practice) zur Patienten- zentrierung systematisch erkannt und ein Austausch indirekt er- möglicht. Es stimmt uns zuversichtlich, dass so Patienten als Kunden noch konsequenter ins Zentrum des Handelns gerückt werden.

 

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