REACH- und RoHS-Compliance nachhaltig sicherstellen
Regularien für den Vertrieb von Produkten in der EU werden zunehmend unübersichtlich. Produzierende Unternehmen und Händler müssen garantieren, dass sie bei der Produktion oder Distribution die europäische Verordnung (REACH) sowie zusätzliche Stoffbeschränkungen bei elektrischen oder elektronischen Geräten (RoHS) erfüllen. Es sieht jedoch danach aus, dass in Zukunft die gesamte Compliance- Situation durch weitere Nebenregelungen belastet wird. Eine Differenzierung.
Das finanzielle und strategische Risiko von Unternehmen wächst bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben drastisch. Dabei sind die Sanktionen der Behörden im Falle von Ordnungswidrigkeiten noch überschaubar. Massnahmen erfolgen zum Beispiel bei Verstössen gegen die in der REACH-Verordnung verlangte unmittelbare Auskunftspflicht an gewerbliche Abnehmer über besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) im Erzeugnis ab einer Konzentration von 0,1 Masseprozent.
Gravierender sind Verstösse mit strafrechtlicher Relevanz, beispielsweise wenn Verwendungsbeschränkungen und Verbote nicht eingehalten werden, die im Anhang XVII der REACH-Verordnung geregelt sind. Ebenso schwerwiegend sind wirtschaftliche Folgen, die sich aufgrund von Lieferantenausfällen, Produktionsstopps, behördlich angeordneten Produktrücknahmen oder Klagen von Wettbewerbern beziehungsweise nachgeschalteten Akteuren in der Lieferkette ergeben.
Risiken bei Nichteinhaltung von REACH und RoHS
Angesichts der stetig steigenden Anzahl umweltbezogener Regularien stehen viele Unternehmen vor der Frage, wie sie die Anforderungen des Gesetzgebers erfüllen können. Gerade die REACH-Verordnung und die RoHS-Richtlinie stellen aufgrund ihrer Komplexität und scharfen Anforderungen viele Unternehmen in der EU vor grosse Herausforderungen.
Im Zusammenhang mit der RoHS-Richtlinie kommen weitere Risiken hinzu. Verstärkt wird die produktspezifische Einhaltung bestimmter stoffbezogener Grenzwerte durch Kundenanforderungen, selbst wenn der Produzent noch nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt oder von einem Ausschluss profitiert. In der Vergangenheit haben viele Fälle gezeigt, dass diese wirtschaftlichen Risiken allgegenwärtig sind. So mussten Firmen aufgrund von Noncompliance Insolvenzanträge stellen oder Produkte in grosser Stückzahl vom Markt nehmen.
Wirtschaftliche Risiken sind allgegenwärtig.
Darüber hinaus konnten sie die Kundenanforderungen nicht erfüllen und wurden vom Abnehmer «aussortiert». Diese Folgen wären vermeidbar gewesen.
Unternehmen wissen zu wenig über REACH und RoHS
Häufig wird REACH lediglich mit der Registrierungspflicht für Stoffe ab einer Tonne/Jahr in Verbindung gebracht, ohne die es verboten ist, den entsprechenden Stoff in der EU überhaupt in Verkehr zu bringen. Dies ist jedoch nur ein Teil der gesetzlichen Anforderungen. Je nach Rolle, die ein Unternehmen unter der REACH-Verordnung einnimmt, sind verschiedene Pflichten zu erfüllen:
Seien es die Informationspflicht von SVHC-Stoffen im Erzeugnis, das Einhalten von Verwendungsbeschränkungen (Anhang XVII), das Verwendungsverbot von Stoffen ohne gewährte Zulassung nach dem Ablaufdatum (Anhang XIV), die Anforderungen an REACH-konforme Sicherheitsdatenblätter, die Pflicht zur Erstellung von Stoffsicherheitsberichten oder diverse Mitteilungspflichten an die Europäische Chemikalienagentur ECHA mit Sitz in Helsinki.
In Bezug auf die rein produktbezogene RoHS-Richtlinie stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar. Zumindest die Grenzwerte, die die Richtlinie für das homogene Material vorschreibt, scheinen hinreichend bekannt zu sein. Jedoch werfen die Themen Produkteinstufung (Falle ich unter die RoHS und wenn ja, ab wann?), Ausnahmeregelungen sowie die technische Dokumentation gemäss DIN EN50581 und CEKennzeichnung immer wieder Fragen auf.
Gemein ist beiden Regularien, dass die Stofflisten in Zukunft weiter ausgebaut werden sollen. So ist beispielsweise laut der SVHCRoadmap der ECHA unter anderem eine Erweiterung der REACHSVHC- Liste von derzeit 163 Stoffen auf ca. 600 Stoffe bis zum Jahre 2020 geplant. Ab 2019 gelten vier weitere Stoffbeschränkungen unter RoHS. Der unternehmensseitige Umsetzungsdruck steigt also.
In vielen Unternehmen konzentriert sich das Wissen über die Inhalte der REACH-Verordnung und RoHS-Richtlinie auf einzelne Personen. Häufig werden gesonderte Mitarbeiter benannt, die sich mit der Thematik auseinandersetzen sollen. In diesen Fällen nimmt die Unternehmenslei-tung häufig an, dass mit der Benennung eines Mitarbeiters die Themen REACH und RoHS adäquat delegiert sind.
Während diese Vorgehensweise bei kleinen, übersichtlichen Firmen durchaus nachvollziehbar und plausibel erscheint, erzielt sie ab einer gewissen Unternehmensgrösse keine nennenswerten Erfolge mehr.
Systematische Herangehensweise wichtig
Die Konsequenz dieses abgeschirmten oder geringfügig ausgeprägten Wissens sind zahlreiche reaktive Einzelaktionen, mit denen die Organisation versucht, sich gegen Risiken abzusichern. Meist jedoch entfalten diese isoliert durchgeführten Massnahmen, beispielsweise das blosse Versenden von Lieferantenanfragen, keine nachhaltige Wirkung. Warum?
Ein Blick in die Erwägungsgründe der REACH-Verordnung bzw. RoHS-Richtlinie lässt schnell erkennen, dass sich die EU an einer ganzheitlich ausgerichteten Unternehmung orientiert. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass von den Unternehmen ein Denken im Sinne des EFQM verlangt wird. Unternehmen müssen also einige charakteristische Merkmale aufweisen, um überhaupt erst die Grundvoraussetzungen für eine systematische Gesetzeseinhaltung zu erfüllen. Charakteristika, die ein Unternehmen in der sogenannten Assoziationsphase nach F. Glasl aufweist, können sein:
Infolge einer fehlenden Compliance mussten Firmen auch schon Insolvenzanträge stellen.
- durchgängiger Wertschöpfungsstrom
- ausgeweitetes Prozessbewusstsein
- Offenheit und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen allen Partnern (auch in der Lieferkette) sowie
- Denken über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg.
Diesem ganzheitlichen Verständnis, das die EU der REACH-Verordnung und der RoHS-Richtlinie zugrunde legte, können Organisationen nur begegnen, indem sie alle relevanten Bereiche mit einbeziehen. In der unternehmerischen Praxis findet man diesen Ansatz allerdings noch sehr selten.
Aufgrund des zunehmenden Umsetzungsdrucks stellt sich daher die Frage, an welchen Stellen (organisatorisch oder prozessual) im Unternehmen REACH- und RoHS-spezifisches Wissen vorhanden sein muss, um die Gesetzesanforderungen zu erfüllen. Berücksichtigt werden sollten dabei die unternehmensindividuellen Gegebenheiten, darunter Entwicklung, Qualitätsmanagement, Umweltmanagement, Produktion, Einkauf, Vertrieb/Beschaffungsprozess, Produktentwicklungsprozess, Datenmanagement, Änderungswesen oder kundenbezogene Prozesse. Jedes Unternehmen muss diese Frage für sich selbst beantworten.
Audits als Schlüsselmethode
Wenn Unternehmen die Grundsätze des Qualitätsmanagements, Kundenorientierung, Führung, Einbeziehung der Personen, Prozessorientierten Ansatz und systemorientierten Managementansatz, berücksichtigen, können sie dem Gedanken der EU adäquat begegnen. Einer systematischen und ganzheitlichen Integration der Gesetzesanforderungen steht nichts mehr im Weg.
Isoliert durchgeführte Aktionen wie das blosse Versenden von Lieferantenanfragen zeigen keine Wirkung.
Im Hinblick auf die Umsetzung von REACH und RoHS unterschätzen Unternehmen oft das Potential von internen und externen Audits. Im Rahmen von internen Audits mit thematischem Fokus auf REACH und RoHS besteht die Möglichkeit, in kurzer Zeit einen Überblick über den aktuellen Stand des eigenen Unternehmens zu erlangen. Das Unternehmen stellt fest, inwiefern es in der Lage ist, die Anforderungen systematisch zu erfüllen.
Eine thematische Priorisierung, wie zum Beispiel eine Zielsetzung im Rahmen des Auditprogramms, hilft, das Thema im Unternehmen nachhaltig und auf schlanken Füssen voranzutreiben.
Im Rahmen der Audits können Unternehmen auf strukturierte Art und Weise Gesetzeskonformität überprüfen, Synergien finden, Schwachstellen im System entdecken und Korrekturmassnahmen nachverfolgen. Da die Anforderungen aus REACH und RoHS Analogien zu vielen Normkapiteln der Normen DIN EN ISO 9001 und 14001 aufweisen, kann eine thematische Kopplung an bereits geplante interne Audits schnell und komfortabel ermöglicht werden.
Nicht zuletzt bietet der Abschlussbericht eine ideale Ausgangsbasis, um Auditergebnisse in den KVP von Unterstützungs-, Wertschöpfungs- und Managementprozessen zu integrieren und den Fokus der Unternehmensleitung und Führungskräfte stärker auf bestehende Unternehmensrisiken zu lenken.