«Qualität ist nichts Statisches»
SAQ-Präsident Ruedi Lustenberger zieht im folgenden Interview eine persönliche Bilanz zum Jubiläumsjahr und blickt in die Zukunft. Diese wird geprägt sein durch ein immer schnelleres Tempo bei neuen Entwicklungen. Doch der Verband zeigt sich in den Augen seines Präsidenten gut dafür gerüstet.
Ruedi Lustenberger hat vor knapp zwei Jahren das Präsidium der SAQ übernommen. Nach seinem Rücktritt aus der Politik – er sass seit 1999 für die Luzerner CVP im Nationalrat – hat er nun mehr Zeit, sich seiner Verbandstätigkeit zu widmen.
Herr Lustenberger, wie haben Sie das Jubiläumsjahr aus Ihrer ganz persönlichen Warte erlebt?
Ruedi Lustenberger: Ich habe es gleichsam als «junger» Präsident – also im Sinne von «jung an Amtsjahren » – erleben dürfen. Zusammen mit dem Geschäftsführer und dem Vorstand konnte ich die Anlässe vorbereiten und durfte schliesslich feststellen, dass wir die verschiedenen Aktivitäten über eine ideale Zeitspanne entfalten konnten. Besonders gut gefallen haben mir alle die jungen Leute, die wir am Tag der Schweizer Qualität als Qualitätsbotschafter ausgezeichnet haben. Mit diesen jungen Berufsleuten, die an den Berufsmeisterschaften der Swiss Skills dabei waren, konnten wir ein gutes Zeichen setzen.
Wie geht es nun mit diesen Qualitätsbotschaftern weiter?
Wir werden uns an einer nächsten Vorstandssitzung noch Gedanken machen, wie wir den Nutzen der Qualitätsbotschafter allenfalls noch nachhaltiger gestalten können. Entschieden ist noch nichts, aber die Idee war in jedem Fall gut. Weil: Bei allen diesen jungen Leuten konnte man an den Swiss Skills – und auch an den World Skills – beobachten, wie sie die Schweizer Qualität, die weltweit einen guten Ruf geniesst, verkörpert und lebendig dargestellt haben. Mir liegt unser duales Berufsbildungssystem sehr am Herzen, ich habe ja selber zwei Dutzend Lehrlinge in meiner Schreinerei ausgebildet. Es war ein schönes Zeichen der SAQ, in ihrem Jubiläumsjahr genau darauf zurückzugreifen. Denn es ist unser Bildungssystem, welches die Schweizer Qualität am Leben erhält und in die Zukunft trägt. Wir hatten zudem eine würdige Jubiläumsfeier anlässlich des Tags der Schweizer Qualität. Besonders hat mich gefreut, dass Bundesrätin Doris Leuthard diese Feier beehrt hat. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass ein Mitglied der Landesregierung einem Verband, der 50-jährig wird, einfach so die Ehre erweist.
Wie sind Sie zufrieden mit der Wahrnehmung des Verbands in der Öffentlichkeit? Ein Auftritt eines Bundesrats müsste ja auf eine hohe Relevanz hindeuten.
Wenn ein Verband wie die SAQ irgendwo noch einen Nachholbedarf hat, dann ist es in diesem Bereich – nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Klar: Unsere Mitglieder kennen die SAQ und schätzen ihre Arbeit. Doch in der breiten Öffentlichkeit sind wir noch zu wenig bekannt. Oder anders gesagt: Alle Menschen, die sich tagtäglich mit Qualität befassen, haben in der Öffentlichkeit nicht die Wahrnehmung, die sie eigentlich verdienen würden.
Sie konnten als «junger» Präsident das Jubiläumsjahr gleichsam nutzen, den Verband von der Pike auf kennenzulernen, sei es an der Jubiläumsfeier oder an einem «Verbands- Gipfeltreffen» in Zermatt. Worin bestanden denn für Sie weitere Höhepunkte?
Diese Frage, finde ich, ist gut gestellt. Denn als Präsident, der gerade mal anderthalb Jahre im Amt ist, hatte ich an diesem Gipfeltreffen die Gelegenheit, unsere Basis besser kennenzulernen. Ich ziehe in diesem Zusammenhang gerne den Vergleich zu vielen anderen Organisationen: Die SAQ ist ja ähnlich aufgestellt wie die Eidgenossenschaft. Mit ihren Sektionen ist sie föderal organisiert wie die Schweiz mit ihren Kantonen. Föderalismus ist eben ein gutes Modell; mehr noch: Unser System ist nicht nur föderal, sondern auch subsidiär. Diese Kombination von Föderalismus und Subsidiarität garantiert denn auch den Erfolg, weil Verantwortung und Kompetenzen an die Basis delegiert werden.
Doch nun hört man immer wieder von Nachwuchssorgen bei Verbänden: Es werde immer schwieriger, jüngere Vorstandsmitglieder zu finden. Was unternimmt die SAQ diesbezüglich, um auch in Zukunft weiterhin gut aufgestellt zu bleiben?
Auf der Ebene der SAQ-Dachorganisation mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Vor zehn Jahren hatten wir das grosse Glück, mit Peter Bieri einen engagierten, umsichtigen und strategisch denkenden Geschäftsführer gewinnen zu können. Die SAQ ist ihm deshalb zu einem grossen Dank verpflichtet. Im Vorstand findet eine kontinuierliche Erneuerung statt. Der Vorstand hat eine überschaubare Grösse und ist besetzt mit guten Fachspezialisten. Ich bin vielleicht der Einzige, der über kein fundiertes Wissen im Bereich Qualitätsmanagement verfügt.
Braucht dies ein Präsident überhaupt?
Ein Präsident benötigt vor allem ein gutes Netzwerk, auch politisch, und die Fähigkeit, die verschiedenen Kompetenzen zu bündeln. Es macht mir jedenfalls Freude, mit den Leuten im Vorstand zusammenzuarbeiten. Und da bin ich weiter zuversichtlich. Eher Sorge bereitet mir, dass wir in den Sektionen zwar immer wieder jüngere Mitglieder gewinnen können, aber nicht für die Vorstandsarbeit. Dies würde neuen Schwung und neue Ideen bringen. Darauf werden wir in Zukunft mehr unser Augenmerk richten. Wann immer es Vakanzen gibt, sollen diese womöglich durch jüngere Kräfte gefüllt werden. Bei der Präsidentin und den Präsidenten der Sektionen verfügen wir über langjährig aktive, sehr engagierte Personen. Ihnen gilt an dieser Stelle auch mein Dank für ihre Arbeit.
Qualitätsmanagement bildet einen zentralen Inhalt der SAQArbeit. Ich behaupte: Durch Qualitätsmanagementsysteme wird «Qualität» immer mehr standardisiert, d.h. auch austauschbar. Inwiefern setzt man hier Alleinstellungsmerkmale aufs Spiel?
Ich glaube, diese Frage stellt sich aus einer anderen Perspektive. Die Qualität entwickelt sich ja ebenfalls immer weiter, sie ist nichts Statisches, sondern etwas Lebendiges. Ich kann dies vielleicht an einem Beispiel zeigen: Die Schweizer Banken hatten lange Zeit den Ruf, sehr seriös zu sein. Aufgrund ihrer hohen Qualitätsstandards genossen sie das Vertrauen einer internationalen Kundschaft. Das ging gut, bis einige «Unfälle» passierten. Es zeigte sich, wie man dieses Vertrauen innert Kürze verlieren kann. Die Banken haben aber – auch auf politischen Druck hin – gut und rasch reagiert, indem sie die Glaubwürdigkeit der eigenen Leute wieder herstellen konnten. Dies geschah unter anderem dadurch, indem
Die Kombination von Föderalismus und Subsidiarität garantiert den Erfolg.
man nicht nur auf gute Ausbildung achtete, sondern auch auf die stetige Weiterbildung – und das wollte man auch dokumentiert haben. Die Branche hat mit der Einführung der Zertifizierung von Kundenberatern Bank, welche durch die SAQ nach dem ISOStandard 17024 durchgeführt wird, rasch reagiert.
Der erfolgreiche Bereich Personenzertifizierung dürfte den Verband sicher noch weiter beschäftigen. Wenn wir anderweitig in die Zukunft schauen: Welche Visionen verfolgen Sie als SAQ-Präsident?
Wir wollen uns in jenen Feldern, die wir aktuell bewährt und erfolgreich bewirtschaften, weiterentwickeln und die Leaderposition behalten. In der Personenzertifizierung sehen wir in der Tat weiteres Wachstumspotenzial. Ferner wollen wir in der öffentlichen Wahrnehmung mehr Platz erhalten. Unbedingt festhalten wollen wir aber am Milizsystem, aufbauend auf dem föderalen und subsidiären System. Die Qualität eines Produkts ist weitgehend von der Qualität der Menschen abhängig, die es herstellen und vertreiben. Das duale Berufsbildungssystem ist hier ein entscheidender Faktor. Dort sehen wir die Chance, dass sich die Schweizer Volkswirtschaft im internationalen Wettbewerb behaupten kann. Das hängt weitgehend davon ab, wie wir die Qualität der Personen auf einem hohen Level bewahren können. Das ist eine Herausforderung, gerade wenn wir die demografische Entwicklung beobachten und ganz allgemein die Schnelllebigkeit. Es ist ja nicht die Entwicklung an sich, die einem Sorge bereitet, sondern ihr Tempo. Damit die Menschen dieses Tempo mithalten können, braucht es permanente Weiterbildung – unabhängig davon, ob jemand eine Berufslehre absolviert hat oder ein Universitätsstudium. Dort kann die SAQ ihren Beitrag leisten. Meine Vision ist es, dass wir in dieser rasanten Entwicklung selbst mithalten können bzw. den Menschen helfen können, dass sie mitkommen.
Im Idealfall müsste man eigentlich der Entwicklung immer einen Schritt voraus sein. Gerade bei der Politik hat man zuweilen den Eindruck, sie sei immer mehr nur am Reagieren statt am Agieren.
In bestimmten Bereichen ist dies wohl systembedingt. In einem System wie der Schweizer Demokratie hat die Politik häufig die Rolle der Feuerwehr. Andernfalls würden wir Gefahr laufen, zu stark im Voraus in eine liberale Wirtschaft einzugreifen zu wollen. Wichtig ist allerdings, dass die Feuerwehr den Brand möglichst schnell lokalisieren und löschen kann. Die Rolle der Politik interpretiere ich so: Sie hat den Hang zur Überregulierung; wenn sie einen Brand löscht, will sie die Sache zuweilen fast zu gut machen und baut hinterher fast zu viele Brandschutzmassnahmen ein. Diese hemmen dann die Wirtschaft und sind mit vielen administrativen Aufwänden verbunden.
Nun sind Zertifizierungen auch mit administrativen Prozessen verbunden. Also profitiert ja die SAQ durchaus direkt oder indirekt von solchen Aufwänden.
Das sehen Sie richtig. Aber mit einem entscheidenden Unterschied zum administrativen Aufwand, der von der öffentlichen Hand verordnet ist. Den haben nämlich alle. Für unsere Zertifizierungen ist dieser Aufwand ja freiwillig. Jene Unternehmen, die diesen in Kauf nehmen, können sich daraus einen Wettbewerbsvorteil erhoffen, der den administrativen Aufwand bei Weitem kompensiert.
Lassen Sie mich nochmals auf das Tempo von Entwicklungen zurückkommen. Davon betroffen sind ja auch die verschiedenen Verbände, die es gibt. Inwiefern sind sie von der Schnelllebigkeit überfordert? Oder sind sie gar in der Lage, das Tempo selbst vorzugeben?
Ein Verband legitimiert sich einzig und allein durch seine Mitglieder bzw. Kunden, welche seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen und partizipieren wollen. Wenn ein Verband oder eine Organisation diese Anforderung nicht erfüllen kann, dann wird er oder sie über kurz oder lang wegsterben. Aus dieser absoluten Optik heraus ist man selbst gefordert, und es ist deshalb wichtig, dass man die Bedürfnisse der Kunden abholen geht. Die SAQ wird im nächsten Jahr eine Befragung unter ihren Mitgliedern durchführen und dabei auch selbstkritische Fragen stellen. Nur so erhält man Antworten darauf, was man in der Vergangenheit vielleicht noch etwas besser hätte machen können. Und vor allem wird man Antworten darauf erhalten, was in Zukunft im Markt gefragt sein wird.