QS-Welt im Wandel
Vom 7. bis 10. Mai 2019 stand die Messe Stuttgart ganz im Zeichen der Qualitäts- sicherung. Mit 871 Ausstellern aus 33 Ländern und über 27 000 Besuchern war die Messe wiederum ein Erfolg.
Die zunehmende Automatisierung und durchgängige Vernetzung industrieller Pro- duktionssysteme treibt den Markt der Quali- tätssicherung (QS), der dadurch einem fort- laufenden Wandel unterliegt. Dies war bei vielen Ausstellern deutlich sichtbar.
Alles aus einer Hand
In den letzten Jahren haben mehrere Messge- räte-Hersteller ihre Kräfte vereint und sich zusammengeschlossen. Einer der Gründe ist sicherlich, dass der Kunde unterschiedliche Messgeräte aus einer Hand bestellen, betrei- ben und unterhalten kann.
Hexagon Metrology hatte mit dem Kauf von Aicon seine Palette bereits um Streifen- projektion erweitert. Auch Zeiss hat mit dem Streifenprojektionshersteller Steinbich- ler und erst im April dieses Jahres mit der Übernahme der Firma GOM das bestehende Angebot mit Streifenprojektionssystemen er- weitert. Die Firma Alicona wurde Ende letz- tes Jahr von Bruker übernommen. Damit er- weiterte Bruker das grosse Angebot von Messsystemen mit der Fokus-Variation von Alicona. Trotz dieses Trends scheinen auch kleine Spezialfirmen im Markt bestehen zu können. Ihre Stärken liegen oftmals in der in- dividuelleren Lösung für den Endkunden.
Renishaw und Wenzel verstärken Zusammenarbeit
Eine verstärkte Zusammenarbeit wurde an der diesjährigen Control zwischen der Wen- zel Group und Renishaw beschlossen. Als Er- gebnis dieser Zusammenarbeit wird das be- reits erhältliche Equator-Prüfgerät von Reni- shaw auch direkt über die bekannte Wenzel Software WM | Quartis zur Programmierung und Auswertung angesteuert werden kön- nen. Das Equator-Prüfgerät ist nun Teil des Portfolios von Wenzel. Die mit dem Equator erfassten Werkstückdaten werden genutzt, um beispielsweise die Werkzeugkorrektur auf der jeweiligen Werkzeugmaschine lau- fend und automatisch zu aktualisieren. Durch die laufenden Verbesserungen ist ein stabile- rer Fertigungsprozess möglich und gleichzei- tig findet eine lückenlose Dokumentation für jedes Werkstück statt.
Vom CAD zum Messplan und zurück
In der Entwicklung von neuen Produkten werden heute meist 2D-Zeichnungen oder 3D-CAD-Modelle mit Informationen zur Pro- duktherstellung (Product Manufacturing In- formation – PMI) verwendet. Aus diesen Daten werden in der Qualitätskontrolle Messpläne definiert und Werkstücke überprüft. Werden hierbei Änderungen an den Messplänen ge- macht, so gibt es bisher keine Möglichkeit, die- se Änderungen problemlos an die Entwick- lung weiterzuleiten.
PolyWorks|PMI+Loop wird eine neue Schnittstelle zwischen PolyWorks und der vorhandenen CAD-Plattform des Kunden. Es bietet Add-Ins für CAD-Software, die folgen- de Funktionen beinhalten:
–Erstellen und Überprüfen von PolyWorks 3D-Messplänen in der vorhandenen CAD- Umgebung
–Importieren von Messplänen, die in Poly- Works modifiziert wurden, zurück in die CAD-Software
Flanken mit mehr als 90° messen
Bisher war es mit dem optischen Koordina- tenmesssystem µMM von Bruker Alicona nicht möglich, vertikale Flächen seitlich an- zutasten. Hierfür war stattdessen der Einsatz von taktilen Messsystemen, Computertomo- grafie oder individuellen optischen Lösungen erforderlich. Die neue Version ermöglicht nun auch die Messung von Flanken mit mehr als 90° und damit auch das seitliche Antasten von Bauteilen (beispielsweise von Mikrobohrun- gen oder Konturen). Dabei muss die Probe während der Messung nicht gedreht werden.
Das Durchmesser-Tiefen-Verhältnis von Löchern reicht von 1 : 3 bis 1 : 10, der mess- bare Durchmesser beträgt 0,1 bis 2 mm. Die einzelnen Merkmale werden flächenhaft mit grosser Messpunktdichte erfasst, was zusätz- lich auch die Messung der Rauheit nach EN ISO 4287/88 und 25178 ermöglicht.
Künstliche Intelligenz in der Qualitätssicherung
Maschinelles Lernen ist ein Oberbegriff für das künstliche Lernen aus Erfahrung. Wir Menschen lernen besonders schnell und teil- weise unbewusst aus Erfahrung. So können wir beispielsweise eine Tasse Kaffee auch dann erkennen, wenn diese eine andere Form, Grösse oder Farbe hat. Der Computer muss dies, wie wir auch, erst lernen. Hierfür werden dem Computer beispielsweise eine grosse An- zahl an Bildern mit Oberflächendefekten (z.B.
Kratzern) vorgelegt. Das System lernt daraus, dass auch Defekte, die von diesen Bildern ab- weichen, einen Defekt darstellen. Das System weiss also, wie ein Kratzer aussehen könnte, auch wenn es ihn noch nie gesehen hat.
Auf dem Eventforum des Fraunhofer IPA wurde anhand einer Oberflächenprüfung gezeigt, wie maschinelles Lernen in der Quali- tätssicherung zum Einsatz kommt. Dafür wurden Bauteile auf einem rotierenden Teller platziert und die Oberfläche während der Drehung vollständig von einer Kamera er- fasst. Die nachfolgende adaptive Bildauswer- tung orientiert sich an der Fähigkeit des Men- schen, Unregelmässigkeiten auch auf unbe- kannten Oberflächen zu erkennen. Unter der Voraussetzung, dass die Defekte nur einen kleinen Teil der gesamten Oberfläche einneh- men, nimmt die Software mit ihren selbstler- nenden Algorithmen diese als Abweichungen vom Hintergrund wahr.
Basierend auf einem unüberwachten Lernverfahren passt sich das optische Prüf- system automatisch an veränderte Oberflä- chenstrukturen an und ermöglicht eine 100-Prozent-Prüfung innerhalb eines Her- stellungsprozesses.
8-Achsen-Gelenkarm- Koordinatenmessgerät
Ein Gelenkarm-Koordinatenmessgerät ist durch die einzelnen Gelenke in den mögli- chen Positionen relativ zum Werkstück einge- schränkt. Oftmals muss dabei das Gelenkarm- Koordinatenmessgerät versetzt werden. Dies führt zu einer erhöhten Messunsicherheit und bedeutet einen zusätzlichen Zeitaufwand.
Das 8-Achsen-Quantum-System von Fa- ro kombiniert das Gelenkarm-Koordinaten- messgerät mit einer funktional integrierten, aber physisch getrennten achten Achse. Diese Drehachse lässt sich direkt mit dem Faroarm verbinden und wird so zu einer integrierten Zusatzachse. Damit kann jede Stelle rund um das Werkstück erreicht werden, ohne dass das Messgerät versetzt werden muss.
Messtechnik für E-Mobility
Mit Zeiss eSolutions bietet Zeiss Lösungen zur lückenlosen Qualitätssicherung des ge- samten Antriebsstrangs von Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen. Zeiss re- agiert damit auf die schnell fortschreitende Transformation in der Automobilindustrie von der fossilen Mobilität zur Elektromobili- tät. Diese Transformation hat auch Konse- quenzen für den Antriebsstrang zur Folge. Wo bisher Verbrennungsmotor inkl. Abgas- anlage und hochkomplexe bis zu neunstufige Getriebe für Vortrieb sorgten, übernehmen das künftig Batterie, Leistungselektronik, Elektromotor und ein einstufiges Getriebe.
Die Elektromotoren sind im Vergleich zu den Verbrennungsmotoren kompakt und leicht. Sie kombinieren jedoch hohe Dreh- zahlen und enorme Drehmomente bereits aus dem Stillstand. Bei diesen Motoren müs- sen sämtliche Komponenten exakt ineinan- dergreifen, um möglichst viel Leistung mit einem geringen Verschleiss zu kombinieren. Dadurch können die Unterhaltskosten sehr tief gehalten werden.
Zeiss eSolutions umfasst diese vier Kernkomponenten – Batterie und Leistungs- elektronik sowie Elektromotor und Getriebe. «Wir sind der einzige Komplettanbieter, der die Qualitätssicherung für den gesamten An- triebsstrang eines Elektrofahrzeugs abdeckt», versichert Dr. Robert Zarnetta, Leiter für In- dustrielle Anwendungen.