Prozesslandschaften aufbauen mit optimalem Ansatz

Im modernen Qualitätsmanagement sind die Begriffe des Prozesses und des Prozessmanagements die Drehund Angelpunkte: Je besser eine Organisation oder ein Unternehmen miteinander verknüpfte Prozesse identifiziert, lenkt und kontinuierlich verbessert, umso wirksamer lässt sich ein Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001 gestalten. Doch wie lässt sich hier der Überblick bewahren?

Prozesslandschaften aufbauen mit optimalem Ansatz

 

 

 

Die Prozesse einer Organisation lassen sich in Prozesslandschaften in unterschiedlichen Detailstufen grafisch darstellen und in einen grossen Zusammenhang einordnen. Die Prozesslandschaft ist damit also eine Abbildung der «Konstruktion» des Unternehmens als Ganzes. Sie visualisiert, wie die Prozesse aufeinander aufbauen und sich gegenseitig beeinflussen.

 

Beim Aufbau von Prozesslandschaften gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Hier gilt es, die passende Lösung für die jeweilige Organisation zu finden. Dabei stehen sich häufig die organisationszentrierte und die prozessorientierte Arbeitsweise gegenüber.

Organisationszentriert oder lieber prozessorientiert?
Der organisationszentrierte Ansatz ist durch das Denken in Funktionen gekennzeichnet. Bei der Beschreibung von Prozessen bestimmt der Aufbau der Organisation den Ablauf: Tätigkeitsabfolgen werden den entsprechenden Organisationseinheiten, also z.B. den einzelnen Abteilungen eines Unternehmens, direkt zugeordnet. Der Vorteil daran ist, dass die Mitarbeiter oft in diesen Strukturen und in ihrem Bereich denken. Hieraus ergibt sich aber auch der direkte Nachteil dieses Ansatzes: Die Tätigkeitsabfolgen, Arbeitswege und Arbeitsweisen sind häufig nur wenigen Mitarbeitern innerhalb der entsprechenden Abteilung bekannt. Damit finden auch Optimierungen nur innerhalb des eingegrenzten Bereiches «Abteilung» statt. Die Kommunikationswege sind lang und ineffizient und Verbesserungen lassen sich nur schwer erreichen. Auch die Schnittstellen zwischen den Organisationseinheiten sind nur schwer eindeutig festzulegen. Aus diesem Grund wird diese Vorgehensweise heute vielfach als ineffizient und überholt angesehen. Im modernen Qualitätsmanagement hat sich mittlerweile der prozessorientierte Ansatz durchgesetzt – also ein Modell von Tätigkeiten und Abläufen, das abteilungsübergreifend ist (Abb. 1).

Prozesse im Fokus – kundenorientierter Ansatz
Diese Vorgehensweise rückt damit die Prozesse in den Fokus. Das heisst, bei der Darstellung von Tätigkeitsabfolgen wird berücksichtigt, dass verschiedene Organisationseinheiten daran beteiligt sein können, die ihre Ressourcen dafür zur Verfügung stellen. Damit hat sich der Denkansatz verlagert: Denken in Prozessen heisst, dass die zentrale Prozesskette beim Kunden und dessen Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen beginnt und schliesslich auch dort wieder endet – nämlich mit seiner Zufriedenheit mit den Produkten oder Dienstleistungen.

Prozesserhebung – häufige Probleme und deren Ursachen
Wer bei der Prozesserhebung systematisch vorgeht und die folgenden klassischen Probleme sowie ihre Ursachen kennt, kann diese im Vorfeld vermeiden:

  1. Grosse Anzahl sehr detaillierter Prozesse: Oft gestaltet sich die Prozessdarstellung als uferloses Unterfangen mit einer Vielzahl sehr detaillierter Prozesse und ausgedehnten mehrseitigen Workflow-Darstellungen. Die Ursache hierfür liegt häufig in einem methodischen Fehler: Die Prozesserhebung erfolgte «Bottom-Up». Das bedeutet, die Beschreibung wurde von der untersten Ebene, also bei den einzelnen Tätigkeiten der Teilprozesse beginnend, analysiert. Darunter leiden Effizienz und Transparenz und es entstehen z.Bbreite Überschneidungen zwischen den erhobenen Prozessen.
  2. Mehrfachabbildung von Prozessen oder Prozessteilen: Hierzu kann es kommen, wenn eine Prozesserhebung ohne zuvor klar festgelegte, zentral vereinbarte Prozessstruktur (Prozesslandschaft; Prozessbaum) erfolgt. Eine Mehrfachabbildung entsteht z. B., wenn zwei Mitarbeiter denselben Prozess erheben, dies jedoch in unterschiedlichen Abstraktionsgraden durchführen.
  3. Wechselwirkung der Prozesse nicht berücksichtigt: Dies kann schnell passieren, wenn die Verantwortlichkeiten für miteinander in Wechselwirkung stehende Prozesse an unterschiedliche Mitarbeiter übertragen wurden, diese Mitarbeiter jedoch vor der Modellierung ihrer Prozesse keine Schnittstellenvereinbarung treffen. Daher sind die Start- und Endereignisse sowie Zustand und Lagerort von (Teil-) Produkten, Informationen und benötigten Ressourcen nicht berücksichtigt.
  4. Praxisfremde Prozesse, die keinen Bezug zur betrieblichen Realität haben: Hierzu gelangt man häufig, wenn die durchführenden Mitarbeiter nicht in die Prozesserhebung und Erstellung der Prozessbeschreibungen eingebunden werden. Mitarbeiter, die einen bestimmten Prozess täglich ausführen, sind die Experten und internen Know-how-Träger und müssen zur Erstellung der Prozessbeschreibung konsultiert werden.
  5. Prozessverantwortliche nicht identifizierbar oder Kompetenzüberschneidungen: In grossen Organisationen, deren Aufbau- und Ablauforganisation nicht aufeinander abgestimmt sind (dies ist Aufgabe der obersten Leitung), kann das Problem auftreten, dass sich Verantwortliche nicht eindeutig festlegen lassen. Dadurch kommt es z. B. zu Kompetenzüberschneidungen zwischen Abteilungsleitern und Prozessverantwortlichen, aus denen Konflikte und Akzeptanzprobleme resultieren können. Die geschilderten Stolpersteine erschweren es, eine strukturierte und transparente Prozesslandschaft für ein effizientes Qualitätsmanagement aufzubauen. Mit einer methodischen Prozesserhebung lassen sich diese Probleme umgehen. Wenn die Prozesserhebung z.B. nach dem etablierten Top-DownAnsatz durchgeführt wird, lassen sich Synergieeffekte nutzen sowie Effizienz und Kundenorientierung leichter optimieren.

Bewährt: Der Top-Down-Ansatz
Der Top-Down-Ansatz leitet sich aus der Unternehmensvision und den strategischen Zielen des Unternehmens ab, d.h. zunächst wird festgehalten, welche strategischen Ziele das Unternehmen hat und wie diese erreicht werden sollen. Anschliessend wird definiert, welche Geschäftsprozesse hierfür notwendig sind und wie diese gestaltet werden müssen. Hier gibt es verschiedene Ansätze. Eine etablierte und verbreitete Vorgehensweise besteht darin, die zu beschreibenden Prozesse in drei Prozesstypen zu gliedern:

  • Kernprozesse: Diese stehen bei diesem Modell im Mittelpunkt. Darunter sind die wertschöpfenden Prozesse zu verstehen, also alle Leistungen gegenüber externen Kunden, u. a. Auftragsannahme, Fertigungsvorbereitung, Produktion, Produktlogistik etc.
  • Unterstützende Prozesse: Diese umfassen die interne Bereitstellung von Ressourcen, die zur Ausführung der Kernprozesse benötigt werden. Dazu zählen z. B. Bereiche wie Fuhrparkmanagement, Lohnbuchhaltung oder Informationstechnik.
  • Managementprozesse: Alle Prozesse, die dazu beitragen, eine kontinuierliche Verbesserung zu erzielen. Darunter fallen die Definition, Umsetzung und Überwachung strategischer und operativer Ziele, also z.B. Bereiche wie Massnahmen-, Prozessoder Auditmanagement sowie Management Review

 

Alternativ wird in jüngster Zeit ein anderer Weg praktiziert: Statt einer Unterscheidung in Kern-, Management- und Unterstützungsprozesse lassen sich die Kernprozesse des Unternehmens auch aus der Perspektive der verschiedenen Stakeholder modellieren, also z. B. Kernprozesse der Gesellschafter, Kernprozesse der Kunden, der Zulieferer etc. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Prozesse aus der jeweiligen Sichtweise der verschiedenen interessierten Parteien, einschliesslich Kunden und damit auch Zielgruppen, abgebildet werden.

 

Für viele Unternehmen und Organisationen hat sich der TopDown-Ansatz bei der Erhebung der Prozesslandschaft wie folgt bewährt (Abb. 2):

 

Die übergeordneten Prozesse werden erhoben: Kern-, Management- und Unterstützungsprozesse werden auf der Ebene der Prozesslandschaft identifiziert und erfasst. Schliesslich werden die Prozessverantwortlichen benannt und den Prozessen zugeordnet. Dieser Bereich wird von der obersten Leitung einer Organisation verantwortet.

Der nächste Schritt ist die Erhebung von Teilprozessen: Die Schnittstellen zwischen den übergeordneten Kernprozessen werden vereinbart sowie die Teilprozesse bestimmt und beschrieben. Die Abfolge der Teilprozesse wird in der Prozessübersicht festgelegt und auch hier werden die Teilprozessverantwortlichen benannt und zugeordnet. Diese Aufgabe kommt den Prozessverantwortlichen der übergeordneten Prozesse zu. Im Idealfall wirken alle beteiligten Mitarbeiter an der Dokumentation mit, damit diese ein realistisches Abbild der tatsächlichen Abläufe wiedergibt.

Von hier aus geht es weiter ins Detail: Um die Teilprozesse zu modellieren, werden deren Ein- und Ausgangsschnittstellen identifiziert und erfasst, Prozesszweck und Prozessziele festlegt und die Teilprozesse auf Detailebene modelliert. Das beinhaltet unter anderem, die benötigten Dokumente, Werkzeuge und Ressourcen zu bestimmen und zu erfassen. Dieser Bereich sollte von den Teilprozessverantwortlichen bearbeitet werden, unter Mitwirkung derer, die an der Durchführung beteiligt sind. Die Stärke des Top-Down-Ansatzes liegt darin, dass bei der Erhebung der Ist-Prozesse sofort Optimierungspotenziale auffallen. Er bietet also die Gelegenheit, Abläufe mit kritischem Blick zu überprüfen, zu bewerten und vieles auszusortieren. Diese Vorgehensweise macht ausserdem Sinn, weil die Kernprozesse für die Mitarbeiter leicht zu verstehen und auch unterstützende Prozesse leichter greifbar sind.

Managementprozesse im Qualitätsmanagement
Für das Qualitätsmanagement sind die in diesem Modell als «Managementprozesse» bezeichneten Abläufe von zentraler Bedeutung. Darunter fallen alle Prozesse, die zur Führung des Unternehmens ausgeführt werden. Deren Zweck ist es, die Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung des Unternehmens im Rahmen des Unternehmensleitbildes voranzutreiben, um die gesetzten strategischen Ziele zu erreichen. Managementprozesse beinhalten die De

 

Im Idealfall wirken alle beteiligten Mitarbeiter an der Dokumentation mit.

 

finition konkreter Unternehmensziele. Damit repräsentiert der Managementprozess als Ganzes den kontinuierlichen Verbesserungsprozess einer Organisation, der z.B. im Rahmen der Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 gefordert ist. Moderne QM-Software berücksichtigt beim Aufbau der Prozesslandschaften auch Verfahren zu Korrektur- und Vorbeugemassnahmen als Bestandteil aller Managementprozesse. Ein Beispiel für den Aufbau einer Managementprozesslandschaft unter Berücksichtigung all dieser Aspekte zeigt Abb. 4.

Integrierte Managementsysteme – mehr Effizienz
Schliesslich gilt es beim Aufbau von Prozesslandschaften, viele verschiedene Managementsysteme zu berücksichtigen. Neben dem Qualitätsmanagement können das z. B. Bereiche wie Umweltmanagement, Energiemanagement u.v.m. sein. Hier wird nach modernem Ansatz im Idealfall ein Managementsystem eingesetzt, das in ein und derselben Prozesslandschaft verschiedene Managementsysteme abbildet. Kommen bei einer Organisation neue Zertifizierungen hinzu, werden diese als neue Zielkategorien in dieser Prozesslandschaft definiert. Insgesamt führt dies zu höherer Effizienz, u.a. durch klare Verantwortlichkeiten und Schnittstellen, gemeinsame Dokumentation und gemeinsame interne Audits.

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