Pioniere im Detailhandel

Kunden wünschen gute Produkte und Dienstleistungen. Aber das allein reicht nicht zum Erfolg. Im Detailhandel wird Supply Chain Management immer bedeutsamer. Mit ihren Leistungen schafft die Supply Chain Division entscheidenden Mehrwert für die Manor-Gruppe. Jetzt wurde sie als ESPRIX-Preisträgerin 2013 für ihre exzellente Führung «mit Vision, Inspiration und Integrität» ausgezeichnet

Pioniere im Detailhandel

 

 

 

Mit ihren 64 Warenhäusern, einem Marktanteil von ca. 60 Prozent und einem Umsatz von CHF 2,8 Milliarden im Jahr 2012 ist Manor die erfolgreichste Warenhauskette der Schweiz. Bei so viel Stärke wirkt der Hauptsitz der Gruppe in der schmalen Basler Rebgasse geradezu bescheiden. Im Nebengebäude, einem verwinkelten alten Wohnhaus, ist die Leitung der Supply Chain Division untergebracht. In der stilvollen Enge auf den drei Stockwerken herrscht eine fast familiäre Atmosphäre. Kaum zu glauben, dass von dieser Idylle aus die Logistikfäden für die führende Warenhauskette der Schweiz gezogen werden.

Komplexes Supply Chain Management

 

Hier lenkt und leitet Rainer Deutschmann, Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung, seit mehr als acht Jahren das Supply Chain Management, «ein komplexes Geschäft voller Dynamik», stellt er fest. Die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Division sorgen intern dafür, dass über eine Million Artikel (Textil, Hardgoods, Food mit all ihren saisonalen Änderungen) von mehr als 6000 Lieferanten aus der ganzen Welt ihren Weg in die Regale der Manor-Warenhäuser finden. Das umfasst den Import der Waren, ihre Aufbereitung, die Lagerung in den Verteilzentralen, die Verteilung inkl. Kommissionierung und den Transport in die Warenhäuser. Hinzu kommen Services wie Entsorgung und Recycling, Retouren sowie Beratung und Schulung von der Warenwirtschaft in den Kaufhäusern über Qualitätssicherung, Konsumentenschutz bis zur Nachhaltigkeit. «Komplex» ist für diesen Leistungsumfang fast ein beschön

 

Komplexes Geschäft voller Dynamik

 

igendes Attribut, «hochkomplex und voller Risiken» wäre angemessener.

 

Für Rainer Deutschmann war schon seit der ersten Lagebeurteilung bei Manor klar, dass diese Herausforderungen an das Supply Chain Management nur durch ein ganzheitliches Führungssystem zu bewältigen sind. Seit 2005 orientiert er sich daher konsequent am Excellence-Modell der EFQM. Nur auf dieser Basis, sagt er, seien Effektivität und Effizienz dauerhaft zu verbessern – ganz im Sinne entscheidender Interessengruppen: Die Eigentümer und die Geschäftsleitung von Manor erwarten eine Reduktion des im Lager gebundenen Kapitals sowie einen Servicegrad zu optimalen Kosten und für die wichtigsten internen SCM-Kunden, also die Einkaufsdivisionen und Warenhäuser, eine hohe Verfügbarkeit von Waren in vereinbarter Qualität und zu möglichst tiefen Kosten.

Leadership

 

Auf dem Weg zum ganzheitlichen Management kommt der Führung eine Schlüsselrolle zu. Und, so Rainer Deutschmann, «die erste Aufgabe der Führung ist die Kulturgestaltung. Nur über sie kann man die Komplexität beherrschen.» Vorausschauend zu agieren und rechtzeitig zu reagieren, gehört zum Erfolgspotenzial jeder Organisation. Nicht weniger wichtig aber ist: «Wie interagieren wir mit den Menschen, damit die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns und die Tausenden draussen verstehen, was wir wollen? Was tun wir, damit alle gleich denken und handeln? Und Dutzende von Kadern am gleichen Strick ziehen?»

 

Damit das gelingt, darf nichts dem Zufall überlassen bleiben. Eine Kultur entsteht nicht von selbst, sie muss aktiv gebildet werden, zur Strategie und den Prozessen passen. Und Führungskräfte sind dabei die Hauptakteure. Sie agieren als Vorbilder für Werte und Moral und schaffen das notwendige Vertrauen. In der Manor Supply Chain hat daher die Divisionsleitung für alle Bereiche seit 2005 eine jährlich revidierte Verpflichtungserklärung unterschrieben, die überall sichtbar die «Werte und Grundsätze» für die Führung und Zusammenarbeit verbindlich festhält. Neben den Manor-Werten «Kunde, Passion, Ambition, Respekt, Integrität und Verantwortung» sind darin die Führungsgrundsätze für die Division verankert (siehe Kasten S. 6). Über sie und die zu setzenden Schwerpunkte wird in Workshops Klarheit geschaffen.

 

Mit verschiedenen Instrumenten wird laufend die Einhaltung geprüft. So wird zweimal im Jahr in der Leitung der Division und in den Abteilungen drei- bis viermal ein strukturierter Dialog darüber geführt. Im «Kultur- oder Wertecheck» gibt jeder Leiter seine Punkte ab, und dann wird darüber diskutiert, ob man auf dem richt

 

Die Logik des Supply Chain begreifen

 

igen Weg ist und welche Korrekturen vorzunehmen sind. Zum Beispiel geht es um die Frage, wie die Führung mit den individuellen Ressourcen jedes Einzelnen umgeht und wie diese am besten stimuliert werden können. Damit das nicht zur «Nabelschau» wird, kontrastieren zwei «Fremdbilder», Umfragen bei Mitarbeitern und Kunden (Einkauf und Warenhäuser), die Ergebnisse. Diese werden auf Kadertagungen jeweils präzisiert.

Ein kybernetisches Modell

 

Neben Kultur und guter Führung sieht Rainer Deutschmann ein zweites Standbein, das zur ganzheitlichen Führung gehört, nämlich, die Zusammenhänge bzw. Logik des Supply Chain Managements bei Manor zu begreifen. Angesichts der Komplexität «müssen wir die Ursache-Wirkung-Beziehungen sehr gut verstehen, also die kritischen Erfolgsfaktoren, um daraus die strategischen Stellhebel erkennen zu können», so Deutschmann. Dazu kann die Kybernetik äusserst hilfreich sein.

 

Vor sechs Jahren hat Deutschmann ein kybernetisches Netzwerk in Auftrag gegeben. Gemeinsam mit Experten der Fachhochschule Nordwestschweiz hat ein breit abgestütztes Team ein Simulationssystem entwickelt. In das Computermodell fliessen die wichtigsten warenwirtschaftlichen Faktoren ein. Über 100 Einflussgrössen und 200 quantitative Beziehungen werden verarbeitet. Nach dem Ursache-WirkungsPrinzip unterstützt diese Simulation die Entscheidungsfindung und Prozessgestaltung zur Optimierung der gesamten Logistik. Auf dieser Basis konnten inzwischen mehrere Projekte mit Einsparungen in Millionenhöhe realisiert werden.

 

Für das Simulationssystem hat Manor Supply Chain Management nicht nur nationale und internationale Logistik-Awards eingesammelt, sondern vor allem bewiesen, dass die Division hochinnovativ und technologisch kompetent zur Sache geht. Die intensive Partnerschaft mit der Fachhochschule (Prof. Dr. Andreas Stettin) hat in den letzten sieben Jahren zu zahlreichen Projekten geführt.

Beispiel Warenrotation

 

Wie elementar es ist, die logistischen Zusammenhänge genau zu kennen, um die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können, zeigt das Problem der Lagerhaltung. Warenbestände von 30 bis 40 Prozent in der Bilanzsumme bergen riesige Geschäftsrisiken: «Je tiefer man die halten kann, also je höher die Rotation ist, desto agiler und desto fitter ist das Unternehmen. Warenrotation ist die aggregierte Darstellung, wie ein

 

Hohe Verfügbarkeit von Waren

 

Unternehmen tickt. Denn in dieser Kennzahl kulminieren ganz viele Fähigkeiten», sagt Rainer Deutschmann.

 

Manor hält in den Verteilzentralen insgesamt 170’000 Artikel. Bei jedem einzelnen kommt es darauf an, den Warenfluss intelligent zu steuern. Beispiel Kaffeemaschinen: «Wenn die Nachfrage gross ist, müssen deshalb nicht 1000 Maschinen am Lager sein. Mit einer sehr guten Logistik können wir mit einem Bestand von 100 Maschinen Tausende verkaufen», so Deutschmann. Solche Zusammenhänge transparent zu machen, sieht er als zentrale Aufgabe des Supply Chain Managements. «Das SCM-Team, die Einkäufer und Warenhäuser müssen erkennen, wie viele Waren unbedingt greifbar sein müssen.» Durch integriertes Prozessmanagement ist es gelungen, die Warenflüsse genau zu planen. Bestände und Folgekosten von Dutzend Millionen Franken konnten so gesenkt werden.

Kunden konsequent im Zentrum

 

«Wie will ein Unternehmen extern alles für die Kunden tun, wenn es nicht intern kundenorientiert aufgestellt ist und handelt?», lautet für Rainer Deutschmann die wegweisende Frage. Als Antwort haben er und seine Mitstreiter in der SCM-Leitung ein ebenso einfaches wie visionäres Motto ausge

 

«Wir sind die Ermöglicher»

 

geben: «Wir sind die Ermöglicher.» Hinter dem Satz steckt eine ambitionierte Strategie. Deutschmann erläutert: «Wir ermöglichen, dass der Einkauf und die Warenhäuser sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können, den Rest machen wir.»

 

Und das nicht qua Funktion und Order. Deutschmann will mehr: «Wir wollen der begehrte interne Supplier sein. Wir wollen besser sein als die Konkurrenz.» Gemeint sind die Direktlieferanten. Damit sind Ansprüche formuliert, die durch «operationale excellence» zum Nutzen der Kunden ständig

 

eingelöst und verbessert werden: durch Leichtigkeit und Schnelligkeit in der Supply Chain, durch professionelle Kompetenz, die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit oder die Aktivitäten zur Steige

 

«Ständig besser wärde»

 

rung von Umsatz und Warenrotation sowie die Reduktion der Kosten. «Den Slogan ‹Ermöglicher› haben die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns verstanden», meint Deutschmann. Vor allem ist es der Führung gelungen, dass er verinnerlicht und tagtäglich gelebt wird.

Die Excellence-Philosophie

 

Das gilt ähnlich auch für den anderen wegweisenden Grundsatz: «Ständig besser wärde» – gleichsam die schweizerdeutsche Umschreibung für «Kaizen». Doch geht es dabei um mehr als um Verbesserungsvorschläge. Das ist nur ein Element, für das sich aber die Belegschaft inzwischen mit Hunderten von Ideen zur Prozessoptimierung und damit zur Produktivitätssteigerung engagiert.

 

«Ständig besser wärde» ist eine umfassende Philosophie der «operational excellence» , die seit 2006 schrittweise eingeführt, von der Führung als Wegweiser für die Mobilisierung zur Excellence verstanden und aktiv eingesetzt wird. Bei sämtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen umfassende, eigenverantwortliche Denk- und Verhaltensweisen aktiviert und gefördert werden. Und zwar über 6 Punkte:

  • Plan-Do-Check-Act-Zyklus
  • Rigorose Qualitätsorientierung im Sinne der Erfüllung von Kundenanforderungen 
  • Kunden-Lieferanten-Beziehung (intern und extern)
  • Mitarbeiterorientierung (Beteiligung und Empowerment)
  • Prozess- und Ergebnisorientierung (Gesamtoptimierung)
  • In Zahlen sprechen (Transparenz, Faktenbasierung)

 

Inhaltlich konkretisieren sich diese Punkte im betrieblichen Vorschlagswesen, beim Führen mit Zielvereinbarung, in der Arbeitsplatzgestaltung sowie in der Optimierung der Arbeitsabläufe (Verschwendungssuche). Manor-Werte und Führungsgrundsätze (siehe Kasten) bilden dabei die kulturelle Basis der Führung und Zusammenarbeit.

 

Und wie greift die «operational excellence»? Ein Gradmesser sind die jährlichen Mitarbeiterbefragungen bei SCM, am Hauptsitz und in den Verteilzentralen. Seit 2009 wird bei Manor gezielt nach dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt. Fragen sind zum Beispiel, wie über die Organisation gesprochen wird (say), ob man beabsichtigt, bei Manor zu bleiben (stay), und wie ausgeprägt die Bereitschaft ist, sich in besonderem Masse für das Unternehmen einzusetzen (strive). Darüber hinaus gibt es Fragen zu den Manor-Werten, den Führungsgrundsätzen, der Vorgesetztenbeurteilung und anderen aktuellen Themen.

 

Die Ergebnisse der SCM-Mitarbeiterbefragung von 2011 lagen bei einem Engagementwert von 80 Prozent. Ein überdurchschnittlicher Wert, wenn man als Benchmark die breit abgestützten Vergleichsdaten (2012 für Europa 52 Prozent) von Aon Hewitt heranzieht.

Nachhaltigkeit in der Beschaffung

 

Kaum ein Wirtschaftsbereich sieht sich so eng mit kritischen Fragen zur Nachhaltigkeit seines Angebots konfrontiert wie der Detailhandel. Verbraucher wollen heute wissen, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden und was das Unternehmen aktiv tut, um Natur und Umwelt zu schützen. Manor hat sich dazu mit «Manor Respect» erfolgreich am Markt positioniert. Unternehmensweit sorgt ein Nachhaltigkeitskomitee unter der Leitung von Rainer Deutschmann für die wichtigen Weichenstellungen.

 

Besonders gefordert ist die Beschaffung. In der Division Supply Chain Management wurde dazu seit 2005 eigens eine Abteilung

 

«Qualität und Nachhaltigkeit» aufgebaut. Ihre Aufgabe ist es, Qualitätsrichtlinien und Sicherheitsstandards über Audits zu überprüfen. So werden beispielsweise Vorgaben für die Beschaffung von Waren (Code of Conduct) umgesetzt. Dazu gehört die regelmässige Überprüfung der

 

triple bottom-line der Nachhaltigkeit

 

Lieferanten durch CSR-Audits. Bis 2015 soll ein auditiertes Einkaufsvolumen von 95 Prozent erreicht werden.

 

«Für uns heisst Nachhaltigkeit im Sinne der ‹triple bottom-line› dreifachen Mehrwert schaffen», so Rainer Deutschmann, «Mehrwert für die Umwelt, die Gesellschaft, die in ihr lebt, und für die Wirtschaft, die in der Gesellschaft agiert.» Für die Umsetzung des Code of Conduct ist der SCM-Chef auch persönlich bei den Lieferanten präsent. Ob in Indien, in der inneren Mongolei oder Thailand, er sieht sich in der Verantwortung. An Audits interessiert ihn nicht das anonyme Abhaken einer Liste, er will im persönlichen Gespräch mit Lieferanten wissen, wie die Umsetzung vor sich geht. «Hire and fire» ist Manor fremd. Manor will sich gemeinsam mit den Lieferanten weiterentwickeln. Deutschmann: «Diese Haltung ist eine unserer Chancen auf dem globalen Beschaffungsmarkt.»

Auf dem Weg zum ESPRIX

 

Die Einführung eines ganzheitlichen Managementsystems nach dem EFQM-Modell erfordert eine sensible Hand. Mit forschen Diktaten beisst man rasch auf Granit. Rainer Deutschmann ist seit 2005 nach seinem eigenen BusinessExcellence-Plan vorgegangen. Sukzessive wurden Grundkonzepte eingeführt, Kundenmanagement, Prozessmodelle, Kennzahlen, Wertesystem etc. «Die ersten zwei Jahre hat niemand gewusst, worum es da geht. Niemandem habe ich gesagt, das ist übrigens Business Excellence. Wir haben eins nach dem anderen gemacht, einfach gemacht.»

 

Erst nach zweieinhalb Jahren hat er auf einer Kadertagung erklärt: «Was wir aufgebaut haben, hat ein System. Und das heisst Business Excellence nach EFQM.» Danach wurde den Kaderleuten offeriert, in die Schulung zu gehen. Mit welchem Effekt, erklärt Erich Schnarwiler, heute die «rechte Hand» Deutschmanns für EFQM: «Dass wir uns in diesem Bereich ausbilden können und die Zeit dafür bekommen, war und ist ungemein wichtig. Mit der Grundausbildung kommt der Appetit. Je mehr man weiss, desto mehr will man wissen, was da mit dem EFQM anders ist.» Seitdem stehen die Kadertage zweimal im Jahr stets im Zeichen von EFQM. Und Deutschmann geht seit Jahren mit 20 bis 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum ESPRIX-Forum ins KKL.

 

Inzwischen hat jedes Manor-Warenhaus einen internen Ansprechpartner für EFQM, ausgebildet durch die SCM-Division. Mit verblüffendem Erfolg: «Jedesmal, wenn wir die Männer und Frauen zum ersten Mal mit dem System konfrontiert haben, haben sie gesagt: ‹Das ist ja super, jetzt habe ich endlich einen Rahmen, an dem ich mich orientieren kann.›»

 

Und zum ESPRIX-Preis meint Rainer Deutschmann: «Die ESPRIXJury hat unsere Bestrebungen, zu den Besten gehören zu wollen, mit einem Preis belohnt. Wir haben ihn gewonnen, weil wir uns konsequent und beharrlich intern zu begehrten ‹Ermöglichern› entwickeln wollen, um den Mehrwert für Manor zu steigern. Wenn man dieses Ziel vor Augen hat und als Basis des Erfolgs die ganze Mannschaft mobilisieren möchte, dann gibt es nichts Besseres als das EFQM-Modell.»

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