Perfektion schadet der Umwelt

Kartoffeln müssen nicht den traditionellen Qualitätsnormen entsprechen, um gekauft zu werden. Dies zeigt eine aktuelle Studie der HWZ-Hochschule für Wirtschaft Zürich auf, die im Frühjahr 2023 als interne Forschungsarbeit durchgeführt wurde. Der Forschungsbericht beleuchtet die Auswirkungen von Lebensmittelverschwendung und Qualitätsstandards auf die Umwelt und das Einkaufsverhalten der Menschen, das durch gezielte Massnahmen verändert werden kann.

Illustrationen (Nudges), in Form von Plakaten, um auf die Abweichungen von den Qualitätsnormen und die damit verbundene Lebensmittelverschwendung hinzuweisen. (Bild: www.fh-hwz.ch)

Die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung haben mit einem Anteil von 28 Prozent den grössten Einfluss auf die Umweltbelastung, verglichen mit anderen Umweltauswirkungen. Ein Viertel dieser Belastung ist auf vermeidbare Lebensmittelverluste zurückzuführen, bei denen für die Hersteller verbindliche Qualitätsnormen eine bedeutende und gleichermassen problematische Rolle spielen. Diese Normen legen fest, wie Gemüse, Obst und Kartoffeln aussehen müssen, um im Einzelhandel verkauft zu werden. Diese Regeln existieren häufig aufgrund der hohen Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an die äussere Erscheinung von Lebensmitteln. Die jüngste Studie an der HWZ widerlegt zumindest teilweise diese Annahme.

In drei Spar-Filialen wurde getestet, wie Kundinnen und Kunden auf unkonventionell geformte Kartoffeln reagieren – sei es, weil sie zu gross, zu klein oder unförmig waren. Während einer Woche wurden diese Kartoffeln in zwei Filialen mit einem Rabatt von CHF 0.30 pro Kilogramm, was etwa 10 Prozent entspricht, und in einer anderen Filiale zum gleichen Preis wie die normal geformten Kartoffeln verkauft. In der zweiten Woche wurden attraktiv gestaltete „Nudges“ in Form von drei verschiedenen Plakaten eingesetzt, um auf die Abweichungen von den Qualitätsnormen und die damit verbundene Lebensmittelverschwendung hinzuweisen.

Ein Plakat mit der Aufschrift „von der Natur geformt“ erzielte eine positive Veränderung. (Bild: www.fh-hwz.ch)

Von der Natur geformt

Die Ergebnisse der Studie sind überraschend. Sogar ohne Preisnachlass erwarben 16 Prozent der Kundinnen und Kunden die von der Norm abweichenden Kartoffeln, während es mit einem Rabatt von 10 Prozent beeindruckende 77 bzw. 86 Prozent waren. Die Verwendung von extra angefertigten „Nudge“-Plakaten führte in zwei der drei Filialen zu einer noch höheren Akzeptanz. Selbst ohne Preisnachlass griff ein Viertel der Kundinnen und Kunden zu den Kartoffeln, die sonst zu Food Waste geworden wären. Ein Plakat mit der Aufschrift „von der Natur geformt“ und der Darstellung von zwei niedlich illustrierten Kartoffeln erzielte dabei die grösste positive Veränderung.

Mit Informationen Verschwendung bekämpfen

Der Betreiber der drei Spar-Filialen, Hans-Ruedi Schnellmann, bewertete das Experiment als äusserst wertvoll. Er betont: „Es ist wichtig, die Konsumentinnen und Konsumenten darüber zu informieren, dass nicht alles, was geerntet wird, genauen Normen entsprechen muss, wie dies sonst im Supermarktregal zu finden ist. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass zum Thema noch wichtige Herausforderungen anstehen, damit Lebensmittelverschwendung nachhaltig reduziert werden kann.“

Die Autorin der Bachelorarbeit an der HWZ, Sarah Handschin, sagt zur Motivation ihrer Studie: „Es war für mich schon immer unverständlich, warum geniessbare frische Produkte aufgrund ihrer äusseren Erscheinung verschwendet werden. Das Experiment hat mir deutlich gezeigt, dass die geltenden Normen noch angepasst werden müssen.“

Dr. Stephan Feige, Fachstellenleiter Authentische Markenführung und Begleiter dieser Studie an der HWZ, würdigt die Ergebnisse dieses Projekts und sieht Chancen, die sich aus den deutlichen Ergebnissen ergeben: „Wir werden das Projekt mit einer Nachfolgestudie fortsetzen, da es noch viel Überzeugungsarbeit und positive Beispiele erfordert, um das Problem der Lebensmittelverschwendung auf breiter Ebene anzugehen. Es gibt viele Produktkategorien, in denen noch erhebliches Potenzial zur Reduzierung von Verschwendung vorhanden ist.“

Die Studie von Sarah Handschin liefert wertvolle Impulse zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und zeigt leicht umsetzbare Möglichkeiten, wie Produkte, die von den traditionellen Qualitätsnormen abweichen, mit kreativen Werbe- und Informationskampagnen erfolgreich im Einzelhandel verkauft werden können. Obwohl diese Pilotstudie sich inhaltlich auf Kartoffeln fokussierte, weisen die bisherigen Ergebnisse bereits in die richtige Richtung, die jetzt mit weiteren Studien und mit einer breiteren Datenbasis konkretisiert werden soll. Ziel ist es, eine „Tool-Box“ zu entwickeln, die dann zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung in verschiedenen Produktkategorien gezielt verwendet werden kann.

Quelle: www.fh-hwz.ch 

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