Operational Excellence in der Qualitätskontrolle

Für seine Arbeit zur Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Mess-Ansatzes für die Operational Excellence in Qualitätskontroll-Laboren erhielt der Autor den diesjährigen Seghezzi-Preis. Der folgende Artikel fasst die wesentlichen Punkte seiner Forschung zusammen.

Operational Excellence in der Qualitätskontrolle

 

Operational Excellence (Opex) ist ein wesent­ licher Treiber nachhaltiger Performance von Unternehmen. Bisher haben sich Praktiker und auch Wissenschafter besonders auf Opex in der Produktion konzentriert. Das Qualitäts­ kontroll-Labor (QK-Labor) stellt in der phar­ mazeutischen Industrie jedoch einen bedeu­ tenden Engpass in der Wertschöpfung dar. In den letzten Jahren zeigte sich daher ein zuneh­ mendes Interesse an Opex in QK-Laboren als bis dato unausgeschöpfter Performance-Treiber.

Industrieinteresse an Opex in der Qualitätskontrolle
An der Universität St. Gallen begann 2016 die Arbeit zu Opex in der QK am Institut für Tech­ nologiemanagement in der Division Produk­ tionsmanagement unter Leitung von Prof. Thomas Friedli. Innerhalb einer Umfrage un­ ter zehn führenden pharmazeutischen Unter­ nehmen stellte sich die Thematik Opex in QK als hoch priorisiertes Themenfeld mit grossem Verbesserungspotenzial heraus. Die Unter­ nehmen betonten, Schwierigkeiten mit der

 

Messung von Opex in der QK zu haben. Insbe­ sondere fehlte es den Unternehmen an fun­ dierten Ansätzen zur Performance-Messung und Auswahl der Messgrössen sowie im Um­ gang mit dem Vergleich trotz struktureller Un­ terschiede der Labore.

 

Im Laufe des Jahres 2016 wurde darauf­ hin gemeinsam mit der Universität St. Gallen und unternehmensübergreifend das St. Gallen Opex Benchmarking für die QK entwickelt und pilotiert.

Opex Benchmarking in QK-Laboren
Nach der Pilotphase wurde der Fragebogen ab 2017 mit bis heute über 70 Laboren ausgefüllt und ausgewertet. Bis Ende 2019 werden knapp 100 Labore teilgenommen haben.

 

Zentraler Bestandteil für die Durchfüh­ rung des Benchmarkings ist ein Fragebogen, der als Grundlage dient, den einheitlichen in­ dustrieweiten Vergleich von unterschiedli­ chen QK-Laboren zu ermöglichen. Insgesamt umfasst der Fragebogen 352 Datenpunkte. Da nicht jedes Labor alle möglichen Tests und Tä­ tigkeiten übernimmt, die der Fragebogen ab­ deckt, beantworten die Labore meist knapp 75 % der Fragen.

 

Das Benchmarking ermöglicht eine der­ zeit einmalige Möglichkeit einer systemati­ schen Analyse der Opex Performance von pharmazeutischen QK-Laboren. Neben der Performance in Qualität, Liefertreue (Service), Produktivität und Kosten wird auch der soge­ nannte Opex-Reifegrad der QK analysiert. Der

 

Reifegrad definiert sich aus knapp 60 Fragen, die auf einer Selbsteinschätzung zu den ak­ tuellen Opex-Fähigkeiten basieren. Diese Fra­ gen geben einen Einblick darüber, wie viel das Unternehmen bzw. das QK-Labor an Aufwand in kontinuierliche Verbesserung investiert (nicht nur finanziell).

 

Basierend auf einer umfassenden Aus­ wertung, können jedem Teilnehmer Verbesse­ rungsfelder gezeigt und Handlungsempfeh­ lungen ausgesprochen werden. Bei einer Teil­ nahme mehrerer QK-Labore eines Unterneh­ mens ist darüber hinaus ein direkter interner Vergleich möglich, sodass in einem Projekt­ abschluss-Workshop bereits Erfahrungen und Erfolgskonzepte zwischen den Laboren geteilt werden können. Die generierten QK-Perfor­ mance und Reifegraddaten des Benchmar­ kings der unterschiedlichen Labore sind für die Forschung der Universität St. Gallen eine wesentliche Grundlage darstellen.

Entwicklung eines wissenschaftlichen Messmodells für die Praxis
Die Entwicklung und die anschliessende An­ wendung des Messmodells in meiner Disser­ tation waren eng verknüpft mit dem Indus­ trieinteresse am St. Gallen Opex Benchmar­ king in QK-Laboren und der zahlreichen Teil­ nahme von einer Vielzahl an pharmazeuti­ schen Unternehmen.

 

Zur wissenschaftlichen Auseinanderset­ zung mit der Messung von Opex Performance in QK-Laboren war die initiale Forschungs­ phase auf eine Literaturanalyse fokussiert, um Gemeinsamkeiten von bestehenden Ansätzen abzuleiten und deren Anwendbarkeit zu prü­ fen. In der Literatur sind generische Exzellenz­ modelle festgehalten, jedoch wurde deren Übertragung auf spezifische Kontexte bis heu­ te vernachlässigt. Es mangelt unter anderem an empirischen Arbeiten in Academia und Praxis, die einen ganzheitlichen Performance-Messansatz in pharmazeutischen QK-Laboren vertiefen.

 

Meine Dissertation, die während meiner Tätigkeit am Institut für Technologiemanage­ ment entstand, adressiert diese Wissenslücke mit der Konzeptualisierung und Operationali­ sierung eines ganzheitlichen Opex-Mess­ Ansatzes in pharmazeutischen QK-Laboren. Dafür wurden ein quantitativer und ein quali­ tativer Forschungsansatz kombiniert.

 

Die Dissertation generiert neues Wissen, wie Opex Performance, Opex-Praktiken und das operative Umfeld von QK-Laboren zusam­ menhängt. Die Forschungsergebnisse ermög­ lichen es Praktikern, die Erkenntnisse mit dem eigenen QK-Opex-Reifegrad zu vergleichen, um Verbesserungspotenziale mit dem höchs­ ten Einfluss auf die Opex Performance der La­ bore und letztlich die Unternehmens-Perfor­ mance zu priorisieren. Zusätzlich bringt die Dissertation zahlreiche Einflussfaktoren her­ vor und vertieft, wie diese Faktoren auf Perfor­ mance und Praktiken wirken. Die abschlies­ senden Fallstudien mit drei ausgewählten Un­ ternehmen erlauben Praktikern, die eigene Opex-Strategie in QK-Laboren zu überprüfen und die Erkenntnisse und erfolgreichen Prak­ tiken der analysierten Unternehmen zu be­ rücksichtigen.

 

Kontinuierlicher Industrieaustausch durch Universität St. Gallen ermöglicht
2018 und parallel zur Erstellung der Disserta­ tion ist die Austauschplattform QCEx speziell für QK-Labore entstanden. Initiiert, um einen unternehmensübergreifenden Austausch zu ermöglichen, unterstützte die Gruppe in der Anfangsphase auch bei der Diskussion vor­ läufiger Forschungsergebnisse. Mit anfäng­ lich 16 Unternehmen sind 2019 inzwischen 20 pharmazeutische Unternehmen am Aus­ tausch beteiligt. Die Austauschplattform ist eine Event-Serie von jeweils drei zweitägigen Treffen an einem Standort eines der teilneh­ menden Unternehmen. Während der Treffen haben die teilnehmenden Unternehmen die Möglichkeit, sich zu ausgewählten Themen auszutauschen. Neben einer Laborführung umfasst jedes Treffen Unternehmenspräsen­ tationen zu einem bestimmten Thema und interaktive Workshops. Die Themen je Tref­ fen sind zuvor von den Teilnehmern definiert worden. 2019 zeigte sich die grösste Schnitt­ menge bei den Themen «Regulatory Challen­ ges & Risk Management», «Life Cycle, Change Management & Optimized Lab Operations» sowie «Digitalization, Automation & New Technologies».

Neue Möglichkeiten der Industrie für kontinuierliche Verbesserung in der QK
Das in der Dissertation entwickelte Modell ermöglicht eine ganzheitliche Analyse von Opex Performance in QK-Laboren. Die quan­ titativen und qualitativen Forschungsergeb­ nisse stellen einen Startpunkt dar, um Indus­ triepraktiken kritisch zu reflektieren und diese anhand der Praktiken von erfolgrei­ chen QK-Laboren neu auszurichten. Das St. Gallen Opex Benchmarking in der QK er­ möglicht Praktikern, einen individualisier­ ten Industrievergleich des eigenen Status quo der Performance in Qualität, Service, Produktivität und Kosten der eigenen QK durchzuführen. Gleichzeitig ermöglicht die Analyse des Opex-Reifegrads, als Teil des Benchmarkings zu erkennen, in welchen Be­ reichen (z.B. Prozessmanagement) sich die QK noch verbessern kann, um schliesslich die Performance zu verbessern. Die Aus­ tauschplattform QCEx ermöglicht den un­ ternehmensübergreifenden Austausch und das Kennenlernen von Erfolgskonzepten an­ derer Unternehmen.

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