Nicht immer müssen alte Zöpfe abgeschnitten werden

Nicht wenige Unternehmen befinden sich in einem rasanten Veränderungsprozess. Doch wenn sich vieles verändert, braucht es auch Konstanten, damit die Balance nicht aus den Fugen gerät. Dabei nimmt das HRM eine zentrale Rolle ein. Konkret: Auch im Zeitalter der Digitalisierung und Roboterisierung muss der Mensch im Mittelpunkt stehen!

Nicht immer müssen alte Zöpfe abgeschnitten werden

Lio ist ein besonders für die persönliche Pflege entwickelter Roboter und wird derzeit in eini­gen Spitälern und Alterszentren eingesetzt; er sei so konzipiert, dass «die Menschen ihn mö­ gen» – so die Devise der Hersteller. Entgegen der noch vorherrschenden Volksmeinung würden 53 Prozent von tausend befragten Per­sonen (oder Betroffenen) den Einsatz von com­putergesteuerten Pflegerobotern mit gewissen Einschränkungen (Eingewöhnungszeit) durch­ aus positiv beurteilen. Angesichts des Fach­ kräftemangels, der progressiv steigenden Pfle­ gekosten sowie der fortschreitenden Digitali­sierung ist diese optimistische Betrachtungs­ weise nachvollziehbar (Umfrage des Mei­ nungsforschungsinstituts Demoscope). Natür­ lich kann die im Computer etablierte künst­liche Intelligenz menschliche Wärme und Zu­neigung nicht ersetzen! Der sukzessive Einsatz von Lio ist als sinnvolle Ergänzung eines mo­ dernen Pflegekonzepts vorgesehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Das HRM als «Kommunikator des Wandels»
Der teils roboterisierte Pflegedienst ist – stell­ vertretend für andere Bereiche – lediglich ein Beispiel für die fortschreitende Digitalisie­ rung und Roboterisierung in den verschie­densten Unternehmen: Um einen Verlust der emotionalen Bindung unserer Mitarbeiten­ den an ihre berufliche Wirkungsstätte zu ver­ hindern, müssen Firmenchefs und HR-Ver­antwortliche ihre Rolle als Leader bei Change-Management-Prozessen stärker als bisher wahrnehmen und ihre Mitarbeitenden in eine­ solche – oft einschneidende – Verände­rungsphase einbinden: durch Zuhören, Wertschätzung und konstruktives Verhalten. Hier werden von Führungskräften die gröss­ ten Unterlassungssünden begangen, welche die Umsetzung von geplanten Veränderun­ gen ernsthaft in Frage stellen können.

Wertschätzung für die Betroffenen
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es sich lohnt, jeden einzelnen Mitarbeiter zu beach­ ten und ernst zu nehmen. Damit zeigen Sie den von Veränderungen Betroffenen Respekt. Die möglicherweise bequemen Rede- oder Ausredefloskeln wie «Es fehlt mir die Zeit für persönliche Gespräche» oder «Heute ist ein un­ günstiger Zeitpunkt» oder «Was will denn die­ ser Querulant schon wieder?» sind kapitale Führungsversäumnisse, die sich früher oder später bitter rächen. Wenn wir uns als HR-Ver­ antwortliche keine Zeit nehmen, um uns mit den Anliegen, Vorschlägen, Sorgen und Nöten des Personals zu befassen, wird dies – zu Recht, wie ich meine – als mangelnde Wertschätzung empfunden, von besonders motivierten Mit­ arbeitenden gar als «Killer-Verhalten». Gerade in schwierigen Zeiten des Umbruchs (Reorga­nisation, Fusion, Restrukturierung, Digitali­ sierung etc.) braucht es neben entschlossenem Handeln engagierte Key People (Schlüssel­ personen) mit hohem Engagement.

Nicht alles über Bord werfen
Sie kennen sicher das moderne und häufig verwendete Schlagwort, das wie folgt lautet: «Die einzige Konstante ist der Wandel.» Doch bei aller Notwendigkeit, alte Zöpfe abzu­ schneiden und Neues zu schaffen: Ein Unter­ nehmen, das sich ständig ausschliesslich ­reorganisiert und umorientiert, läuft Gefahr, aus den Fugen zu geraten und den Kurs zu verlieren. Parallel dazu verlieren auch die Mitarbeitenden ihre Orientierung und wis­ sen nicht mehr, wohin der Weg führt.

 

Es gibt praktisch in jedem Unternehmen auch erhaltenswerte «alte Zöpfe», denen wir mit Respekt begegnen sollten. So kann sich ein auf den ersten Blick verlockendes Einspar­ potenzial durch blosse Stellenstreichungen zum Bumerang entwickeln, wenn dadurch die bisherige hervorragende Firmenreputation – eben der «alte Zopf» – in «den Keller fährt». Eine mögliche – und erst noch intelligente – Alter­ native im Sinne einer Best Practice wäre, an­ stelle der vorgesehenen Entlassungen neue Einsatzmöglichkeiten in anderen Bereichen zu realisieren, um noch effizienter und schneller als die Konkurrenz zu werden. Auch hier kön­ nen die HR-Verantwortlichen und Linienvor­ gesetzten ihren Teil dazu leisten, indem sie die Employability (Einsetzbarkeit, Arbeitsmarkt­ fähigkeit) der Mitarbeitenden verschiedenster Berufe, Funktionen und Hierarchiestufen durch gezielte Weiterbildungsmassnahmen fördern.

 

Aussage eines HR-Leaders: «Ich selbst bin das Magazin, das den Wandel verkündet»
Eine gezielte Einbindung des Personals ist das A und O jedes erfolgreichen Veränderungs­prozesses. Dazu gehört ganz oben auf der Pri­oritätenliste eine offene und rechtzeitige In­ formation. Eine gute Kommunikation benö­tigt aber nicht unbedingt eine umfangreiche Hochglanzbroschüre. So weiss ich von einem befreundeten HR-Manager, dass er explizit auf ein solches Informationsmittel verzichtet hat. «Ich selbst bin das Magazin, das den Wan­ del verkündet» – und durchgeführt hat. Seine wohl etwas unkonventionelle Methode der Ad-hoc-Information hatte den unbestreit­ baren Vorteil, dass sie von allen verstanden wurde. Fazit: Die Personalchefinnen und Per­ sonalchefs als Kommunikatoren des Wandels!

Einbindung des Personals in Veränderungsprozesse
Ein erfolgreiches Change Management macht möglichst zahlreiche Mitarbeitende zu Mit-Veränderern und nicht zu Verände­rungs-Verlierern! Es ist wichtig, dass Sie dem leistungswilligen Personal bei aller geforder­ ten Flexibilität eine neue betriebliche Hei­ mat geben. Wenn es Ihnen gelingt – und hier sind Sie als HR-Verantwortliche zusammen mit den Unternehmensleitungen­ besonders angesprochen –, positive Gefühle für Verän­derungsprozesse zu wecken, ist schon viel gewonnen. Erfolgreiche Fusionen und Neu­ strukturierungen bestätigen den hohen Stel­lenwert von Emotionen, der auch durch ein­ schlägige Studien und Forschungsergebnisse nachgewiesen wird.

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