Neue Ziele für Prüf- und Kalibrierlabors

Mehr als 60000 Prüf- und Kalibrierlabors weltweit implemen- tieren die revidierte ISO/IEC-Norm 17025:2017 bis spätestens November 2020. Auch für nahezu 500 Schweizer Labors erhalten Themen wie Risikomanagement, Transparenz und Unparteilichkeit mehr Gewicht und müssen neu für die Akkre- ditierung ausgewiesen werden.

Neue Ziele für Prüf- und Kalibrierlabors

 

Der revidierte Normentext für Prüf- und Kalibrierlabors bringt Neue- rungen, doch nicht alles ist neu. Gewisse Textabschnitte wurden le- diglich innerhalb der Norm verschoben, waren doch die bisherigen Vorgaben gut und anerkannt. Nötig war die Umstellung, weil der Auf- bau der Norm der ISO/IEC 17000er-Normenreihe angeglichen wurde,

 

«Die neue Norm erfordert eine weniger formalistische Prüfung.)

 

die jeweils dem natürlichen Prozessablauf folgt, von der Planung über das Testen bis zum Kontrollmanagement. Ist ein Labor bereits nach der Qualitätsmanagementsystem-Norm ISO 9001 zertifiziert, kann es dieses Managementsystem nutzen und muss nur noch die techni- schen Aspekte nachführen.

Weitere Themen prägen die Norm
Neu in der Norm 17025:2017 für Prüf- und Kalibrierlabors ist ein stär- ker risikobasiertes Denken. Das bedeutet, dass Labors potenzielle Ri- siken analysieren, einschätzen und entsprechende Massnahmen tref- fen müssen. Weiter gibt es in der Norm eine Präzisierung im Bereich der Entscheidungsregeln (sogenannte Pass-Fail-Entscheidungen). Sie betrifft Prüf- und Kalibrierlabors, die bisher nicht ausweisen mussten, worauf ihre Entscheidungen basieren. Das ist jetzt anders: Die Ent- scheidungen müssen begründet und transparent gemacht werden und das Labor muss die Risiken einer Falschentscheidung kennen. Ei- ne Anpassung erfolgte auch mit dem Begriff der Unparteilichkeit, der den Begriff der Unabhängigkeit ersetzt. Unparteilichkeit ist der tref- fendere Begriff im Zusammenhang mit risikobasiertem Denken. La- bors dürfen sich demnach nicht unter Druck setzen lassen, etwa aus wirtschaftlichen Gründen oder durch eine Verflechtung mit den Auf- traggebenden.

Karteikästchen sind passé
Doch warum war eine Anpassung der ISO/IEC 17025 dringend erfor- derlich? Mehrere nationale Normungsgremien gaben den Anstoss, diese Norm zu revidieren. Die gültige Norm von 2005 war veraltet, stammte sie doch aus einer Zeit, in der noch häufig Karteikästchen und Taschenrechner zum Einsatz kamen. 2014 wurde mit der Arbeit an der neuen Norm begonnen. Das stringente Projektmanagement der ISO ermöglichte es, dass die neue Norm innerhalb des von ISO vorgegebenen Zeitrahmens erarbeitet werden konnte. Rund 150 in- ternationale Expertinnen und Experten haben am Normentext mit- gewirkt. Bei den öffentlichen Umfragen in 138 ISO-Mitgliedländern sind insgesamt über 6000 Kommentare eingegangen, die von der ISO- Arbeitsgruppe berücksichtigt werden mussten. Die Herausforderung bestand schliesslich darin, in der Arbeitsgruppe die Inhalte so zu for- mulieren, dass diese konsensfähig waren.

Übergangsfrist gut vorbereitet
Dass die Labors die aktualisierte Norm bis November 2020 umgesetzt ha- ben müssen, schreibt die internationale Vereinigung der Akkreditierungs- stellen für Laboratorien und Inspektionsstellen ILAC vor. Die Schweizer Akkreditierungsstelle (SAS) hat sich gut auf die Umstellung vorbereitet und neue Akkreditierungsgrundlagen bereits am 1. März 2018 bereitge- stellt. Bis Ende Mai 2020 will die SAS alle Labors in der Schweiz auf die neue Norm hin beurteilt haben, damit den Labors genügend Zeit für allfällige Korrekturmassnahmen bleibt und der zweistufige Review- prozess der SAS ordentlich durchgeführt werden kann. Damit wird ge- währleistet, dass alle betroffenen Labors bis Ende November 2020 den Akkreditierungsprozess auf Basis der neuen Norm durchlaufen haben.

Weniger Checklisten, mehr Eigenverantwortung
Was sicher in Bezug auf die ISO/IEC-Norm 17025 neu ist: Die Begutach- tungen erfolgen mit einem risikobasierten Ansatz und verlangen eine fallbezogene Beurteilung. Thomas Hilger, stellvertretender Ressortlei- ter Metrologie und Ingenieurwesen von der SAS, hält diesbezüglich fest:
«Die neue Norm erfordert eine weniger formalistische Prüfung und übergibt die Hauptverantwortung den Labors selbst.» Und David Rais, leitender Begutachter der SAS, betont: «Für uns ist es anspruchsvoller und interessanter, auch weil man tiefer in die Materie eintauchen muss, damit die Einschätzungen der Labors nachvollzogen und beurteilt wer- den können.»

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