Netzwerk Risikomanagement: Meilensteine und neue Horizonte

Dr. Bruno Brühwiler hat Ende 2015, nach drei statutarisch definierten Amtsperioden, die Präsidentschaft übertragen an Nicole Heynen, MAS, sonst Co-Sektionsleiterin der Eidgenössischen Finanzverwaltung

Netzwerk Risikomanagement: Meilensteine und neue Horizonte

 

 

 

Viel Pionierarbeit zeigt Prof. Dr. Bruno Brühwiler seit eh und je bezüglich Risikomanagement in Schweizer Institutionen. Bruno Brühwiler hat mit einer «kleinen Schar von Idealisten» das Netzwerk vor zehn Jahren initiiert und gegründet. Inzwischen sind mehr als 200 Mitglieder, Einzel- wie Kollektivmitglieder, im Netzwerk Risikomanagement eingeschrieben. 2015 wurde sein vielseitiges Amt Frau Nicole Heynen, MAS, übergeben.

 

Nicole Heynen ist Co-Sektionsleiterin in der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) und koordiniert in leitender Tätigkeit das Risikomanagement in der Bundesverwaltung. Nicht nur, weil das Netzwerk Risikomanagement ein zehnjähriges Jubiläum verzeichnet, sondern um ganzheitliche, praxiserprobte Strategien auszuleuchten, führte Management & Qualität ein Interview mit den zwei erfahrenen Risikoexperten.

Die letzten Jahre wurden geprägt durch ISO-Realsierungen, durch kontinuierliche Verbesserungsmassnahmen und neue Ausbildungen. Welches waren Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Meilensteine Ihres vor 10 Jahren gegründeten Netzwerks?
Bruno Brühwiler: Das Qualitätsmanagement hat seinen Aufschwung vor etwa 25 Jahren angesetzt. Die seinerzeitige Schweizer Norm wurde von der ISO 9000Serie abgelöst. Heute sind weltweit 1.1 Mio. Organisationen ISO 9001 zertifiziert. Eine Erfolgsstory. Das Risikomanagement hatte jedoch seinen Take-off erst vor etwa 10 Jahren – einerseits ausgelöst durch gesetzliche Regelungen im Obligationenrecht, andererseits durch die ONR 49000 (erste Version 2004) und darauf folgend durch die ISO 31000 (erste Version 2009).

Wieso braucht es spezifisch ein Risikomanagement, wie es das Schweizer Netzwerk bis heute zum Inhalt hat?
Bruno Brühwiler: Dies ist einfach darzulegen. Globalisierung, Komplexität, Vernetzungen. Die Welt hat sich in den vergangenen Jahren enorm verändert. Qualitätsmanagement befasst sich mit der «Normalsituation» und deren kontinuierlicher Verbesserung. Ri

 

Risikomanagement interessiert sich für die «Ausnahmesituationen».

 

sikomanagement interessiert sich hingegen für die «Ausnahmesituationen».

 

Solche Situationen werden leider immer zahlreicher, überraschender und unberechenbarer. Siehe zum Beispiel die Fukushima-Katastrophe oder den Fall Volkswagen. Doch auch in der Schweiz ist der systematische Umgang mit Unsicherheit etwas Neues

 

Das Risikomanagement dient bei strategischen Fragen der Unternehmensentwicklung, es nimmt inzwischen eine bedeutende Rolle in der Unternehmensführung ein. Dies wird in der Corporate Governance so gesehen, wo sich die obersten Führungsorgane (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung) laufend zu den Fragen von Unternehmensstrategie, Unternehmensentwicklung und Risikomanagement verantworten. Das Netzwerk Risikomanagement hat sich genau dieser Themen angenommen. Es geht dabei um einen ganzheitlichen und praxiserprobten Approach.

Inwiefern konnten sich Ihre Mitglieder von Jahr zu Jahr im Risk Management weiterentwickeln?
Bruno Brühwiler: Die Weiterentwicklung und die steigende Anzahl von ausgebildeten Risikomanagern ist auf einem umfassenden Verständnis der bisher noch jungen Disziplin aufgebaut. Weil die traditionellen Organisationen des Qualitätsmanagements diesen Trends noch nicht verinnerlicht haben, entstehen neue Vereinigungen, die diese Anliegen des Risikomanagements verstanden haben. Deshalb steigt die Zahl unserer Mitglieder kontinuierlich. Risikomanagement ist ein Zukunftsmodell.

Frau Heynen, wie war es jedoch möglich, ein bundesweites Risikomanagement einzuführen? Wurden gleich Elemente wie beispielsweise Kontinuitätsmanagement (BCM) auf Bundesebene eingeführt?
Nicole Heynen: Die sogenannte dezentrale Verantwortung entspricht der Bundesorganisation. Solche elementaren Voraussetzungen zeigten von Anfang an grosse Erfolgschancen. Damit trotzdem eine Vergleichbarkeit der heterogenen Risiken erfol

 

Nicole Heynen: Wie KMU Risikomanagement Wie KMU mit Risikomanagement umgehen, ist schwierig zu beurteilen.

 

gen kann, braucht es allerdings methodische Vorgaben, welche zuerst erarbeitet werden mussten. Ein weiterer wichtiger Erfolgsschritt war der Aufbau von internen Risikomanagementausbildungen. Neben der Mitarbeiterausbildung werden auch Topkader periodisch in diesem Thema geschult. Diese Schritte werden von ganz oben stark gefördert. Die Vorgaben im bundesweiten Risikomanagement – wurden durch uns als Koordinationsstelle – in enger Zusammenarbeit mit den Departementen – erarbeitet. Dabei haben wir das Rad nicht neu erfunden, sondern uns an die Vorgaben der ISO 3100 und ONR 49000-Richtlinien angelehnt. Die Akzeptanz wurde durch den Einbezug des bereits vorhandenen Knowhows in der Bundesverwaltung gestärkt.

 

Unser wichtigstes Entscheidungsgremium ist die Generalsekretärenkonferenz. Diese entscheidet über die Weiterentwicklung, die Vollständigkeit der bundesweiten «Toprisiken» und über die Plausibilität der Bundesratsrisiken. Weiter werden auch Querschnittsthemen wie beispielsweise die Informationssicherheit diskutiert und analysiert.

 

Das BCM finden wir in den Massnahmen des Risikomanagements immer wieder vor. Im Gegensatz zum Risikomanagement beim Bund bestehen aber nur punktuelle übergreifende Vorgaben. Deshalb ist BCM auch weniger verankert und muss künftig gestärkt werden. Diese Schwäche ist jedoch erkannt, und entsprechende Massnahmen sind eingeleitet.

Frau Heynen, Ihre Hauptaufgabe ist es, Risikoszenarien pro Departement in einem Bundesratsreporting darzustellen. Wie vermitteln Sie Risiken, welche in der ganzen Bundesverwaltung von Bedeutung sind – die jedoch durch Nicht-Risikoexperten vermieden werden sollten?
Nicole Heynen: Wichtig sind sicher die Sensibilisierung und die Ausbildung. Bevor wir aber wirken können, benötigen wir immer die Unterstützung der Führung. Ist dies gegeben, versuchen wir mit weiteren Fachstellen, welche in Teilgebieten des Risikomanagements zuständig sind – beispielsweise im Bereich Informationsschutz – eng zusammenzuarbeiten. Wir als Koordinationsstelle «Risikomanagement Bund» unterstützen diese Fachstellen, sei dies durch unsere Ausbildungskurse oder durch konkrete Aufträge, um spezifische Risiken aufzuarbeiten. Weitere Instrumente für die Sensibilisierung des Personals sind einerseits unsere Newsletter und andererseits Fachveranstaltungen im Netzwerk Risikomanagement.

Herr Brühwiler, war es eigentlich immer einfach für Sie, die Rollen zwischen der Geschäftsführung der Euro Risk Limited und der Präsidentschaft im Netzwerk Risikomanagement zu teilen?
Bruno Brühwiler: Das Netzwerk Risikomanagement war eine ehrenamtliche, manchmal sicher auch durch grossen Idealismus geprägte Tätigkeit. Ich habe nie einen «Rappen» mehr verdient, siehe die vielen Reisekosten. Die Teilnahme, respektive Leitung führender ISO 31000 Gesprächsrunden brachten mir jedoch gewisse Synergien.

Welche wichtigen Risikomanagement-Elemente setzte Ihr Netzwerk erstmals in der Schweiz um?
Bruno Brühwiler: Integriertes Risikomanagement. Es bemüht sich, die verschiedenen Risikomanagement-Anwendungen in einem Gesamtkonzept, nicht in Silobereichen, zu sehen. Hierbei werden einzelne Aspekte integriert und gegenseitig vernetzt:

 

Internes Kontrollsystem, risikobasiertes Qualitätsmanagement als Erweiterung, Sicherheitsmanagement nach den Prozessen und Methoden des Risikomanagements, Compliance Management – denn Non-Compliance ist immer Risiko – schliesslich Notfall-, Krisen- und Kontinuitätsmanagement als weitere Kategorien des integrierten Risikomanagements. Nicht zu vernachlässigen ist ebenso der Aspekt der Humanfaktoren im Umgang mit Risiken als besondere Herausforderung.

 

Solchen Herausforderungen hat sich das Netzwerk Risikomanagement vertieft verschrieben. Diese Elemente thematisiert das Netzwerk Risikomanagement schweizweit.

Inzwischen schreiben wir 2016, inwiefern hat Risikomanagement noch Entwicklungspotenzial?
Bruno Brühwiler: Ich denke, dass in 10 Jahren das Risikomanagement zusätzlich zum Qualitätsmanagement einen zentralen Stellenwert einnehmen wird

 

Nicole Heynen: Es wäre zu wünschen, dass Risikomanagement und beispielsweise Qualitätsmanagement im operationellen Bereich zusammengehen. Silos von einzelnen Teilgebieten des Risikomanagements sollten aufgebrochen werden, damit eine effiziente und effektive Risikokultur im Unternehmen existieren kann. TopFührungskräfte werden durch den Ansatz des integrierten Risikomanagements entlastet. Sie erhalten hierdurch eine bessere, transparente Übersicht.

Frau Heynen, würden Sie sagen, es ist heute anders als früher, wie Risikomanagement in grösseren Einrichtungen implementiert wird?
Nicole Heynen: Bei der Bundesverwaltung und den bundesnahen Betrieben wird Risikomanagement ernst genommen und entsprechend umgesetzt. Hier hat ein Umdenken in den letzten 10 Jahren stattgefunden. Dasselbe gilt bestimmt auch für Grosskonzerne, welche mehrheitlich auch börsenkodiert sind und rechtliche Anforderungen erfüllen müssen. Es ist jedoch schwierig zu beurteilen, wie KMU mit Risikomanagement in ihren Betrieben umgehen.

Haben Sie eine Vision, wo das Netzwerk Risikomanagement in zehn Jahren steht?
Nicole Heynen: Wir wollen die führende Plattform für integriertes Risikomanagement für Grossunternehmungen bis hin zu Kleinbetrieben sein. Neben strategischen Themen wollen wir auch Teilgebiete aus dem operationellen Bereich wie beispielsweise Arbeitssicherheit abdecken. Um dies zu realisieren, streben wir Partnerschaften mit anderen Organisationen an. Weiter wollen wir aktiv an der Normengestaltung mitarbeiten und uns zum Beispiel bei wissenschaftlichen Studien einbringen.

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