Nachhaltigkeit im E-Commerce: An welchen Stellschrauben können und müssen Unternehmen drehen?
CO2 Schleuder, klimaschädlich und alles andere als nachhaltig – gerade die Logistik ist die Achillesferse im E-Commerce. Eine Tatsache, die nicht nur für den Onlinehandel in der Schweiz gilt, sondern auch für alle Nachbarländer. Was kann der E-Commerce in Sachen Nachhaltigkeit mehr tun?
Die Schweiz ist von den Folgen des Klimawandels in mehrfacher Hinsicht betroffen. Die Erwärmung des Klimas um bereits jetzt 2°C – laut BAFU – lässt Gletscher schmelzen. Die Folge: Hanglagen werden zunehmend instabil, es drohen Murgänge, Felsstürze usw. Parallel droht durch sinkende Niederschläge – auch bzw. gerade im Winter – Dürre zu einem Problem zu werden. Klar, dass vor dem Hintergrund solcher Szenarien Nachhaltigkeit auch für die Schweizer E-Commerce-Unternehmen auf der Tagesordnung weiter nach oben rutscht. Auch, weil zunehmend Verbraucher nach ökologischen Aspekten entscheiden. Was können Schweizer Unternehmen tun?
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für E-Commerce-Unternehmen in der Schweiz?
Onlinehändler haben in den zurückliegenden Monaten gleich eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Probleme lösen müssen. Steigende Preis – gerade im internationalen Umfeld – und Schwierigkeiten in den Lieferketten sind nur zwei sehr wichtige Punkte. Klar, dass Aspekte wie:
- Wachstum
- Automatisierung und Optimierung
- Präsenz auf dem Marktplatz
eine grosse Rolle spielen. Wo hat Nachhaltigkeit ihren Platz? Eine Umfrage der Hochschule Luzern kommt zum Ergebnis, dass genau die drei eben genannten Punkte für Unternehmen im E-Commerce besonders wichtig sind – und zwar in absteigender Reihenfolge.
Nachhaltigkeit liegt irgendwo in der Mitte. Überraschend ist an dieser Stelle, dass die Auswirkungen von Corona keinen so grossen Einfluss zu haben scheinen. Zumindest liegt dieser Themenkomplex noch hinter Nachhaltigkeit. Heisst: Ganz so unwichtig ist das Thema dann doch nicht. Interessant ist, aus welchem Blickwinkel Unternehmen aus der Schweizer E-Commerce Szene das Thema betrachten.
Neben der Tatsache, dass Nachhaltigkeit vom überwiegenden Teil als unternehmerische Verantwortung gesehen wird, sieht mehr als die Hälfte der Unternehmen darin auch einen wichtigen Wettbewerbsfaktor. Die Überraschung ist die Sicht darauf, wie sich gesetzgeberische Vorgaben auswirken. Dieser Punkt ist nur für ein knappes Viertel der befragten Unternehmen ein wichtiger Einflussfaktor auf Nachhaltigkeit. Fakt ist: Nachhaltigkeit hat für viele Unternehmen im Versandhandel keine absolute Priorität, wird aber auch nicht einfach unter den Teppich gekehrt.
Wo können Unternehmen ansetzen?
Grundsätzlich ergeben sich verschiedene Stellschrauben, an denen jedes Unternehmen drehen kann. Unter anderem greift Nachhaltigkeit in den Bereichen:
- Verpackung
- Versand
- Lagerung
Aber: Auch die Verwaltung lässt genug Spielraum, um Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Zu den einfachen Beispielen gehört der Einsatz effizienter IT-Hardware oder die Verwendung von Büroausstattung aus wiederverwertetem Holz bzw. zertifizierten Holzquellen.
1. Nachhaltigkeit in der Verpackung
Jeder Verbraucher kennt diesen Moment: Der Paketbote klingelt und drückt den sehnlich erwarteten Karton in die Hand. Dessen Dimensionen sind oft eine Überraschung. Das Produkt hat die Grösse eines Schuhkartons, wird aber in einem Paket geliefert, dass doppelt bis dreifach so gross ist. Damit der Inhalt auch ja nicht verrutschen kann, ist das Ganze mit Pappe oder Kunststofffolie ausgestopft.
Und der Verpackungsirrsinn geht weiter. Immer noch werden Produkte heute in einen glänzenden Karton mit einer stabilen Klarsichtbox verpackt. Sieht im Regal richtig toll aus – interessiert beim Versand aber niemanden. Hierbei gibt jedoch es viele weitere Möglichkeiten. Viele Elektroprodukte werden außerdem in Unmengen Styropor verpackt. Bei den Materialien für Verpackungen existieren hier sicherlich noch Potenziale, die sich heben lassen.
Bei der Verpackung hat E-Commerce in der Schweiz einfach noch sehr viel Nachholbedarf. Passgenau Kartonagen vermeiden zusätzlichen Verpackungsmüll. In vielen Fällen liesse sich sogar komplett auf die „Umverpackung“ verzichten. Ab Werk stosssicher verpackt, reicht ein Versandlabel. Viele Verbraucher haben damit sicher kein Problem. Und wo doch, kann eine niedrige Verpackungs-/Versandpauschale sicher Anreize schaffen. Weniger Müll heißt am Ende einfach mehr Nachhaltigkeit, die so auch zu Hause ankommt.
2. Nachhaltigkeit im Versand
Versand und Verpackung greifen ein Stück weit ineinander. Die Versandverpackung lässt sich im weitesten Sinn dem Versand zurechnen. Es muss nicht immer Kunststoff auf Erdölbasis sein. Die Biochemie hat inzwischen Alternativen mit ähnlichen Eigenschaften ins Rennen geschickt.
Nachhaltigkeit heißt an dieser Stelle aber auch ein Umdenken bei den Füllmaterialien und vor allem in der Kommunikation. Das plötzlich anders verpackte Ware versandt wird, fällt Kunden immer auf. Unternehmen im E-Commerce tun gut daran, eine klare und eindeutige Kommunikation anzustreben.
Behandelte Papiere für Etiketten sind ein grosses Problem im Versandhandel. Können sie nicht im Papiermüll entsorgt werden, sieht es mit der Nachhaltigkeit schnell schlecht aus. Aber: Graspapier und Holzfolie sind Alternativen, die sich immer anbieten.
Aber auch im Eigentlichen Transportprozess kann Nachhaltigkeit eine Rolle spielen. Elektromobilität oder ein Emissionsausgleich werden von einer wachsenden Zahl an Verbrauchern sehr gern gesehen – und mit einer hohen Kundentreue am Ende auch belohnt.
Ein äusserst wichtiger Punkt ist das Thema Retoure. Nach wie vor werden Unmengen an Sendungen wieder als Retoure zurückgeschickt. Medienberichten zufolge ist die Schweiz bei den Rücksendungen Europameister.
Nachhaltigkeit wird auch für Kunden immer wichtiger
Was kostet das Ganze? Für Unternehmen keine triviale Frage. Im Gegenteil: Jeder Euro auf der Ausgabenseite belastet. Also doch wieder die Uhr auf billig zurückdrehen? In jedem Fall der falsche Weg. Auch, weil in den letzten Jahren zunehmend mehr Kunden Nachhaltigkeit zur Entscheidungsgrundlage werden lassen.
Bevorzugt wird dort eingekauft, wo Nachhaltigkeit aktiv vorgelebt wird. Eine Erkenntnis, vor deren Hintergrund die einzelnen Maßnahmen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Das Thema einfach unter den Tisch kehren – kann sich heute eigentlich kein Unternehmen aus dem E-Commerce mehr leisten.
Fazit: Nachhaltigkeit im E-Commerce ist die Zukunft
Nachhaltigkeit hat vor 20 Jahren kaum jemanden interessiert und wurde eher als Randphänomen wahrgenommen, welche sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat. Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels achten mehr Kunden auf nachhaltige Aspekte. Der gedankenlose Umgang mit Ressourcen ist vorbei – auch im E-Commerce. Speziell der Versandhandel muss hier einfach umdenken. Es kann nicht nur um kleinere Verpackungen gehen. An manchen Stellen müssen Prozesse komplett neu gedacht werden.