Mitarbeiterbindung
Eine nachhaltige Unternehmenskultur und die Mitarbeiterbindung sind zurzeit die wichtigsten Themen auf der Agenda der Personalverantwortlichen. Ein gutes Betriebsklima trägt am meisten dazu bei, dass die Fachkräfte ihrem Arbeitgeber treu bleiben, wie eine neue Studie zeigt.
Die Mitarbeiterbindung ist derzeit eines der Topthemen im HR-Bereich. Die Treue und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, die noch vor einem Jahrzehnt als selbstverständlich galt, wird als Unternehmensziel wiederentdeckt. Denn geeignete hochqualifizierte Beschäftigte zu finden, ist und bleibt schwierig. Der Grund für Engpässe bei der Rekrutierung von Experten, Führungs- und Fachkräften ist hauptsächlich der demografische Wandel. Kosten verursacht aber auch, dass sich die Unternehmen gegenseitig die Talente abwerben, die dann mit ihrem Know-how zur Konkurrenz wechseln. Die Unternehmensleitungen suchen daher zunehmend nach Mitteln und Wegen, ihre Mitarbeiter langfristig zu binden.
Das Thema Mitarbeiterbindung bildet denn auch den Schwerpunkt des aktuellen HR-Reports 2012/2013, der vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen und der Hays AG gemeinsam herausgegeben wird. Die empirische Studie wurde zum zweiten Mal durchgeführt. 714 Entscheidungsträger aus Deutschland (60 Prozent), der Schweiz (25 Prozent) und Österreich (13 Prozent) nahmen diesmal an der Umfrage teil, wobei die befragten Personen zum grössten Teil der Geschäftsleitung angehören oder als Führungskraft entweder im HR-Bereich oder in einer Fachabteilung tätig sind.
Die wichtigsten Aufgaben
Wie im Vorjahr wurden die betrieblichen Entscheidungsträger befragt, welchen Personalthemen sie die höchste Relevanz einräumten. Nachdem im Jahr 2011 das Thema Stärkung und Ausbau der Führung im Unternehmen noch die höchsten Zustimmungswerte erreicht hatte, belegt diesmal die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenskultur den Spitzenplatz. Bereits auf dem zweiten Platz folgt – wie im Vorjahr – die Bindung der bestehenden Mitarbeiter. In mittelständischen Unternehmen nimmt das Thema sogar noch eine grössere Bedeutung ein als in Grossunternehmen, die stärker auf Talentmanagement setzen. Die
NachhaltigeUnternehmenskultur
Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, die Etablierung einer ausgewogenen Work-Life-Balance sowie die Gewinnung neuer Mitarbeiter folgen auf den nächsten Rängen.
Abwanderung als Kostenpunkt
Drei Viertel der befragten Entscheidungsträger messen der Mitarbeiterbindung eine grosse oder sehr grosse Bedeutung zu. Für Arbeitgeber ist die Mitarbeiterfluktuation ein bedeutender Kostenblock. Eine Fachkraft, die das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder verlässt, ist deshalb ein sehr sensibles Thema: Eine Neuanstellung ist je nach Berechnungsansatz und Karrierestufe mit Mehrkosten von sechs bis vierundzwanzig Monatsgehältern verbunden. In der Schweiz kommt hinzu, dass Fluktuation grundsätzlich nicht positiv betrachtet wird. Angesichts der überschaubaren Grösse des Landes und der entsprechend engeren Marktstrukturen werden hierzulande besonders hohe Ansprüche an Kontinuität gestellt.
Ziel muss es daher sein, die besten Fachkräfte gerade in den ersten Monaten nach ihrem Start an die Firma zu binden. Natürlich ist in
Sich integriert fühlen
dieser Einstiegsphase eine gewisse Fluktuationsrate normal, da beide Seiten prüfen, ob die Chemie stimmt. Danach, wenn bereits erhebliche Ressourcen in den Mitarbeiter investiert wurden, sind Abwanderungen ungern gesehen. Gerade direkt einsteigende Fachhochschul- und Universitätsabgänger verlassen ein Unternehmen oft bereits in den ersten zwei Jahren, da sie die Arbeitsstelle mangels Erfahrung nicht richtig einschätzen. Zwar ist es insgesamt kostengünstiger, eigene Mitarbeiter auszubilden, als neues Personal zu rekrutieren – doch das gilt nur, wenn sie nicht gleich wieder abspringen.
Wer einmal vier bis fünf Jahre in einer Firma tätig ist, erlebt sich als Teil des gesamten Unternehmens und geht seltener. Allerdings erschweren die heutigen unübersichtlichen oder allzu internationalen Firmenstrukturen den Prozess der emotionalen Identifikation. Um sich integriert zu fühlen oder heimisch zu werden, sind klare und verbindliche Unternehmenswerte sowie offene Strukturen gefragt.
Betriebsklima als oberstes Ziel
Die Gründe, warum eine Fachkraft im Unternehmen bleibt, sind derart vielfältig wie die Individuen in einem Betrieb. Dennoch suchen die Firmen nach übergeordneten Strategien, um ihre Mitarbeiter zu halten. Unsere Studie zeigt: Ein gutes Betriebsklima, marktgerechte Entlohnung sowie die Reputation des Arbeitgebers werden als wichtigste Instrumente beurteilt. Das Betriebsklima belegt wie schon im Jahr zuvor den Spitzenplatz, wobei die Zustimmung mit 93 Prozent noch deutlich höher ausfällt als im Vorjahr (76 Prozent). (Grafik 1)
Als zweites Kriterium folgt mit einer Gewichtung von 77 Prozent (gegenüber 57 Prozent im Vorjahr) die Entlohnung. Unabhängig davon, wie gut der schweizerische Arbeitsmarkt im Vergleich mit den restlichen EU-Ländern dasteht, beeinflusst das medial geprägte Klima die Werthaltungen: Das angestrebte hohe Salär dient dann oft als Vorsorge für mögliche finanzielle Ausfälle. Auf dem dritten
Unterschiede zwischen Jung und Alt
Rang rangiert wie im Jahr davor der gute Ruf einer Firma, wobei auch hier die Zustimmung gegenüber dem Vorjahr von 62 auf 76 Prozent gestiegen ist.
Erst danach gelten flexible Arbeitszeitmodelle (im Vorjahr noch auf Platz 3) sowie Beschäftigungssi-cherheit als ausschlaggebend, um sich langfristig für einen Arbeitgeber zu entscheiden. Weiter folgen Instrumente zur Gesundheitsförderung oder zur Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, die betriebliche Altersvorsorge sowie Förder- und Entwicklungsprogramme. Einzelne Instrumente wurden nicht einmal von der Hälfte der Befragten für wichtig befunden. Dennoch sind sie als Qualitätsmerkmale und Unternehmensvorzüge, besonders unter dem Aspekt der zunehmenden Generationenvielfalt, zu beachten. Dazu zählen etwa die Karriereperspektive, die Sozialbetreuung sowie die Möglichkeit eines Sabbaticals, einer vorübergehenden Teilzeitanstellung oder einer Auszeit.
Wertevielfalt
Wie stark sich die genannten Instrumentarien im Einzelnen auf die Bindung auswirken, hängt von den jeweiligen Mitarbeitern und ihrem Alter ab: Da die Pensionierung tendenziell später erfolgt, treffen vermehrt unterschiedliche Altersgruppen und Generationen mit anderen Sozialisierungshintergründen, Wertvorstellungen und Ansprüchen aufeinander. Auch der zunehmende Anteil weiblicher Beschäftigter wirkt sich auf das Anreizsystem aus. Beispielsweise legen Frauen in der Regel mehr Wert auf flexible Arbeitsmodelle und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Wenig erklärungsbedürftig ist die Tatsache, dass sich ältere Angestellte vermehrt von Beschäftigungssicherheit, Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Sozialbetreuungsangeboten angesprochen fühlen. Jüngere dagegen favorisieren eine marktgerechte Entlohnung, die Möglichkeit eines Sabbaticals oder Arbeitsbedingungen, unter denen sich Beruf, Ausbildung und Freizeit vereinbaren lassen.
Wie sieht die Realität aus?
In der Praxis werden die Anreizmöglichkeiten, Angestellte zu binden, bereits zum Teil genutzt, doch noch längst nicht ausgeschöpft. Immerhin 70 Prozent der Befragten geben an, ihre Firma verfüge über ein gutes Betriebsklima. 69 Prozent erachten die Löhne als marktgerecht. Dagegen schätzen lediglich 55 Prozent die Reputation des eigenen Unternehmens als gut
IndividuelleWertschätzung
ein. Flexible Arbeitsmodelle mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance – der viertwichtigste Aspekt der Mitarbeiterbindung – bieten den eigenen Aussagen zufolge 70 Prozent der Unternehmen an. Praktisch eine Selbstverständlichkeit ist in der Schweiz die betriebliche Altersvorsorge.
Dabei bestehen allerdings Unterschiede bezüglich Unternehmensgrösse und Branche: Grossunternehmen vermögen umfassendere Massnahmen hinsichtlich Karrieremöglichkeiten, Gesundheitsförderung und Sozialbetreuung zu treffen als kleine und mittlere Unternehmen. Staatliche Betriebe ermöglichen dagegen Sicherheit in der langfristigen Anstellung und fördern die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. In Tätigkeitsfeldern der Industrie oder Dienstleistung wiederum sind die finanziellen Anreize stärker.
Das gute Arbeitsklima
Was ist unter einem guten Betriebsklima zu verstehen, und wie dient es der langfristigen Bindung von Mitarbeitern? Ein gutes Arbeitsklima hängt von einer Vielzahl von Bedingungen ab. Kultur, Werte, Kommunikation und die Grundsätze eines Unternehmens sowie verbindliche Regeln und die individuelle Wertschätzung bilden die zentralen Bausteine. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Rückmeldung der Führung, die Entlohnung, Weiterbildungsoptionen, organisatorische und strukturelle Rahmenbedingungen steigern die Effizienz und verbessern damit ebenfalls das Arbeitsumfeld. Für ein gutes Arbeitsklima ist ferner das Vertrauen in die identitätsstiftende Unternehmenskultur und Marke förderlich.
Kulturelle Themen im Vordergrund
Eine nachhaltige Unternehmenskultur als wichtigstes HR-Thema, ein gutes Betriebsklima als wichtigste Massnahme zur Mitarbeiterbindung: Kulturelle Themen stehen auf der Agenda der Personalverantwortlichen ganz oben. Auch eine ausgewogene Work-Life-Balance wird im Vorjahresvergleich als noch wichtiger angesehen. Gleichzeitig hat allerdings im Zusammenhang mit der Mitarbeiterbindung auch die Bedeutung einer marktgerechten Entlohnung zugenommen: Neben den kulturellen Faktoren stellt offensichtlich auch ein gutes Gehalt einen zentralen Baustein für die Zufriedenheit dar. Alles in allem macht die Studie deutlich, dass die Entscheidungsträger sich vermehrt darum bemühen, den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter entgegenzukommen. Angesichts des demografischen Wandels und des herrschenden Fachkräftemangels sind solche Anstrengungen zweifellos notwendig.