Mit der OKR-Methode Unternehmensziele erreichen
Viele High-Tech-Unternehmen im Silicon Valley nutzen die Objectives and Key Results, kurz OKR, genannte Managementmethode zur Strategieumsetzung und zum Erreichen ihrer ambitionierten Ziele. Seit ein, zwei Jahren entdecken auch Unternehmen im deutschsprachigen Raum diese Methode.
In den letzten Jahren pilgerten ganze Heerscharen von Managern ins Silicon Valley, um sich von den dort ansässigen IT- und High- Tech-Unternehmen inspirieren zu lassen. Und nicht selten bringen sie von ihren Reisen angeblich ganz neue, revolutionäre Managementmethoden mit, die sie zu Hause als Heilsbringer präsentieren.
Hierzu zählt die Methode «Objectives and Key Results», die unter dem Kürzel OKR seit ein, zwei Jahren auch in Unternehmen im deutschsprachigen Raum Einzug hält. Diese nutzt unter anderem der heutige Internet-Gigant Google seit fast 20 Jahren, um seine ambitionierten (Wachstums-)Ziele zu erreichen. Bei dieser Methode zum Umsetzen der Unternehmensstrategie erfolgt die Zieldefinition unter Einbezug der Mitarbeiter nicht im Jahresrhythmus, sondern in der Regel in Drei- Monats-Intervallen. Dadurch soll unter anderem die Agilität der Unternehmen steigen.
Die OKR-Historie und -Philosophie
Doch die OKR-Methode ist nicht die «neue Management-Wunderwaffe», als die sie auch viele Unternehmensberater gern präsentieren. Sie existiert seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In ihnen entwickelte Andy Grove, ein ehemaliger Intel-Manager, auf der Basis des «Management by Objectives » (zu Deutsch «Führen mit Zielen») ein Konzept zum Umsetzen solch ambitionierter Unternehmensstrategien wie «Wir wollen der Marktführer weltweit werden».
Zentrale Anforderungen an ein solches System waren für ihn:
– Es muss einfach und flexibel sein und
– die Mitarbeiter müssen in den Prozess der Strategieentwicklung und -umsetzung einbezogen werden.
Als zentralen Schlüssel hierzu erachtete er die beiden simplen Fragen, die in den Unternehmen von jedem zu beantworten sind:
– «Wo will ich hin?» (Objectives) und
– «Woran messe ich, ob ich mein Ziel erreicht habe?» (Key Results).
In den 90er-Jahren stellte John Doerr, ein Freund von Grove, die OKR-Methode bei Google vor. Er definierte OKR als «eine Managementmethode, die hilft, alle Aktivitäten in einer Organisation auf die gleichen, wichtigsten Ziele zu fokussieren». Seit 1999 nutzt Google die Methode erfolgreich, um quartalsweise die Ziele und Prioritäten festzulegen und seine ambitionierten Ziele zu erreichen. Deshalb übernahmen andere US-amerikanische Unternehmen wie LinkedIn, Oracle und Twitter die Methode.
Der OKR-Planungsprozess
Die Arbeit mit der OKR-Methode funktioniert wie folgt: Ausgehend von der Strategie legt das Top-Management eines Unternehmen fünf Ziele (Objectives) zum Beispiel für das kommende Quartal fest. Diese werden durch maximal vier Messgrössen (Key Results) operationalisiert, um den Fortschritt bis Ende des Quartals zu messen.
Dabei beschreiben die «Objectives» das «Was», das zu erreichen ist. Sie geben somit die Richtung vor und sollten der OKR-Philosophie zufolge ambitioniert und motivierend sein. Die «Key Results» hingegen beschreiben, «wie» das jeweilige Quartalsziel erreicht werden soll. Diese Beschreibung erfolgt jedoch nicht in Form von Aktivitäten, die zu ergreifen sind, sondern von messbaren Schlüsselergebnissen, die Auskunft über den Fortschritt geben und mit denen am Quartalsende reflektiert werden kann: Wurden die Key Results erreicht? Diese sind faktisch Teilziele, die es auf dem Weg zum Erreichen des übergeordneten Ziels, also der Objectives, zu erreichen gilt.
Kurzzyklische Planung der OKR
Die kurzzyklische Planung bei der OKR-Methode kommt dem Wunsch vieler Unternehmen nach einem Erhöhen der Agilität und Reaktionsgeschwindigkeit ihrer Organisation entgegen. Zudem müssen die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter beim Arbeiten mit der Methode für sich definieren,
– was sie im kommenden Quartal vorhaben und
– was sie in dieser Zeit definitiv in Angriff nehmen möchten.
Das sorgt für die gewünschte Prioritätensetzung und beugt einem Verzetteln vor.
Die kurzzyklische Planung hat Vor- und Nachteile. Manche Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche lassen sich nur schwer mit Quartalszielen führen. Die Erfahrung zeigt jedoch: Je tiefer man in eine Organisation eindringt, umso leichter lassen sich meist Ziele mit einem kurzzyklischen Charakter formulieren. Deshalb entfaltet die OKR-Methode, speziell wenn es um die Strategieumsetzung auf der operativen Ebene geht, ihre Vorzüge – unabhängig davon, ob das Ziel zum Beispiel lautet eine Softwarelösung in einem definierten Zeitraum zu entwickeln oder einen bestimmten Umsatz im Vertrieb zu erzielen.
Zielabstimmung: Top-down- und Bottom-up-Prozess
Sind auf der obersten Ebene die Objectives und die Key Results definiert, werden diese auf die nächste Ebene (etwa die Bereiche) heruntergebrochen. Dies geschieht bei der OKR-Methode nicht in einem reinen Topdown- Verfahren. Vielmehr werden die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter in den Prozess eingebunden. Eine Faustregel dabei lautet: Circa 60 Prozent der Ziele kommen von oben und circa 40 Prozent werden bottom- up definiert. Das bedeutet: Die jeweils nächste Ebene kann neben den von oben kommenden Zielen auch Ziele definieren, von denen sie überzeugt ist, dass diese dem Erreichen des übergeordneten Ziels dienen. Dieser Prozess mündet in eine Art «Verhandlung » zwischen der oberen und unteren Ebene, in der ein Agreement über die zum Beispiel im kommenden Quartal zu erreichenden Objectives und Key Results erzielt wird.
Ein zentrales Element der OKR-Methode ist: Alle Objectives und Key Results werden bereichs- und hierarchieübergreifend veröffentlicht – auch um zu verhindern, dass die Ziele widersprüchlich sind. Die OKR-Philosophie empfiehlt, die Methode nicht mit dem Vergütungssystem zu verknüpfen – unter anderem, weil die definierten Ziele und damit verbundenen Key Results sehr ambitioniert sein sollen. Eine Zielerreichung von 100 Prozent soll nahezu unmöglich sein, damit die Mitarbeiter auch animiert werden, über neue Lösungswege nachzudenken.
Unterjähriger Umsetzungsprozess
Die OKR sind hinsichtlich ihrer unterjährigen Umsetzung sehr agil gestaltet. Dahinter steckt die Idee: «Plane für den nächsten Zeitraum, setze um und prüfe das Ergebnis, und setze dich damit auseinander, was du hierbei gelernt hast.» Die Grafik zeigt, wie sich in der Regel der unterjährige Umsetzungsprozess gestaltet. Keinesfalls sollte man jedoch unterschätzen, welchen Zeitaufwand das quartalsweise Festlegen der OKR (auf jeder Ebene) und deren Abstimmung erfordern.
Das bereichs- und hierarchieübergreifende Abstimmen der OKR soll sicherstellen, dass alle Aktivitäten in der Organisation auf die gleichen und wichtigsten Ziele ausgerichtet sind. Zudem versuchen die Unternehmen, durch den Einsatz der OKR-Methode meist folgende organisationsentwicklerischen Ziele zu erreichen:
– Herunterbrechen der strategischen Ziele auf die Team- und Mitarbeiterebene,
– Vereinbaren inspirierender und herausfordernder Ziele,
– Erzeugen eines horizontales Alignments (Vermeiden eines Silo-Denkens),
– Verminderung der zentralen Steuerung, Stärkung der Selbstorganisation.
Zu beachtende Einflussfaktoren bei der Einführung
Beim Einführen der OKR-Methode sollte das Management eines Unternehmens folgende Faktoren berücksichtigen:
–Was ist das generelle Ziel der OKR-Einführung in unserer Organisation?
–Wie hoch ist deren Reifegrad hinsichtlich der Themen Problemlösungsdenken und Agilität?
–Welche weiteren Systeme zur Strategieumsetzung und Zielvereinbarung gibt es bereits (z.B. Balanced Scorecard, Management by objectives)?
–Wie binden wir die OKR an das bestehende KPI-System an?
–Welchen Mix aus Top-down- und Bottomup- Zielabstimmung wählen wir?
–Welche Hierarchie-Ebenen binden wir im ersten Schritt ein?
–Wer treibt wie intern den OKR-Einführungsprozess voran?
–Wie messen wir den Erfolg der OKR-Einführung?
Abschliessende Bewertung
Die OKR-Methode ist keine neue Wunderwaffe, weder für das Führen von Mitarbeitern und Teams noch zum Erhöhen der Agilität von Unternehmen. Sie ist jedoch eine bewährte Methode zur Strategieumsetzung insbesondere auf der operativen Ebene.
Dabei sollten jedoch zwei Punkte nicht vergessen werden:
– Das Definieren der Objectives und Key Results allein befähigt die Mitarbeiter nicht, diese – auf teils neuen Wegen – zu erreichen. Deshalb setzt das Arbeiten mit der OKR-Methode eine Führungskultur voraus, bei der die Führungskräfte sich als Befähiger bzw. Coaches ihrer Mitarbeiter verstehen. Und:
–– Den Mitarbeitern sollten Tools wie der PDCA- Zyklus oder der A3-Report an die Hand gegeben werden, mit denen sie das systematische, eigenständige Lösen von Problemen einüben können.
Weitere Vorzüge der OKR-Methode sind: Sie lässt sich einfach mit solchen Managementsystemen wie Hoshin Kanri und der Balanced Scorecard verknüpfen, die eher auf das Erreichen der mittel- und langfristigen Ziele abzielen. Zudem harmoniert sie mit dem KVP- und Lean-Gedanken, da es auch bei ihr letztlich um ein kontinuierliches Sich- Verbessern und Steigern der Performance geht.