Mehr als ein Marketinginstrument?
Der Anreiz, freiwillig ein Managementsystem nach einer ISO-Managementsystemnorm einzuführen und zertifizieren zu lassen, ist unterschiedlich. Mehrheitlich sind es Kundenanforderungen, die dazu führen, dass ein Unternehmen einen Nachweis benötigt, dass seine Prozesse einer wirksamen Unternehmensführung entsprechen und diese beherrscht werden. Andere profitieren von Steuervergünstigungen (in Deutschland) oder werden vom Mutterkonzern dazu aufgefordert. Einige sehen in ihrem Managementsystem einen direkten Nutzen, insbesondere was das Risikomanagement betrifft.
Abgesehen davon, dass es aufgrund der Kundenanforderungen zwingend sein kann, Zertifizierungen vorzuweisen, ist es unbestritten auch ein Vorteil, wenn man sich als Firma mit positiven Eigenschaften von der Konkurrenz abheben kann. Das Vorweisen einer Zertifizierung nach einer Managementsystemnorm ist ein positives Merkmal, auch wenn es unter zertifizierten Unternehmen grosse Unterschiede gibt. Das Zertifikat zeigt, dass sich eine Organisation mit ihren Prozessen und den normspezifischen Themen auseinandersetzt und sich laufend optimiert. Zu berücksichtigen ist, dass das Vorweisen von altbewährten Managementsystemzertifizierungen wie z.B. ISO 9001 für Qualität oder ISO 14001 längst kein «Alleinstellungsmerkmal » (USP) mehr ist, sondern in gewissen Branchen sehr verbreitet ist. Es ist damit eine Grundlage dafür, überhaupt am Markt eine Chance zu haben. Anders sieht es bei neuen Normen oder bei Normen aus, die noch nicht weit verbreitet sind (z.B. ISO 37001 Anti-Korruption, ISO 19600/37301 Compliance Management, ISO 50001 Energie). Hier können sich Unternehmen noch abheben und unter Umständen von der Pionierrolle profitieren.
Das eigentliche Zertifikat ist aber nur einer der Vorteile, die sich marketingtechnisch nutzen lassen. Sinn der Managementsysteme sind schliesslich nicht die Zertifikate selber, sondern Ergebnisse wie die Prozessbeherrschung, die kontinuierliche Verbesserung der Leistung, Sicherstellung der Gesetzeskonformität etc. Auch diese Resultate können und sollen z.B. in Form von CO2-Einsparungen, Kundenzufriedenheit, Ratingergebnissen etc. kommuniziert werden. Managementsystemnormen helfen, die nötige Struktur aufzubauen und zu unterhalten, um regelmässig vorzeigbare Resultate zu erreichen und zu dokumentieren.
Nicht zuletzt ist ein gut geführtes, zertifiziertes Managementsystem immer auch ein Ausdruck der inneren Werte und Überzeugungen einer Organisation und ihrer Leitung. Die glaubwürdige Vertretung und Umsetzung von starken Werten und Überzeugungen ist eine wichtige Eigenschaft von erfolgreichen Unternehmen.
Welche Managementsystemnorm soll es sein?
Am weitesten verbreitet in der Schweiz und meist Grundlage für weitere Managementsysteme ist die ISO 9001 für Qualitätsmanagementsysteme. Mit der Umsetzung der Norm im Betrieb soll unter anderem sichergestellt werden, dass belegbar Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, die den Kundenanforderungen, den intern definierten Spezifikationen und den gesetzlichen und behördlichen Anforderungen entsprechen, dass Chancen und Risiken behandelt werden und eine fortlaufende Verbesserung stattfindet. ISO 9001 und weitere Klassiker wie ISO 14001 für Umweltmanagement oder ISO 45001 für Arbeitssicherheit eignen sich für sehr viele Unternehmen und Branchen. Selbstverständlich sind stets auch Zweck und Umfeld der zertifizierten Organisation zu berücksichtigen. In Branchen mit gefährlichen Tätigkeiten wie z.B. Bau wird eine ISO-45001-Zertifizierung (Arbeitsschutz) mehr Gewicht haben als in einem reinen Bürobetrieb. Vorteil der ISO-Reihe zu Managementsystemen ist, dass mittlerweile die meisten Normen der gleichen Struktur entsprechen. Kernelemente wie die Analyse von Stakeholdern und Umfeld oder die Zielsetzungsprozesse bleiben dabei identisch. Je nach Themenbereich müssen, hauptsächlich zur Planung, lediglich einzelne Themen wie Energie, Umwelt oder Arbeitssicherheit detaillierter analysiert werden. Ist einmal ein System eingeführt, kann es also mit verhältnismässig kleinem Aufwand auf weitere Themenbereiche ausgeweitet werden.
In der Schweiz mit relativ geringem Aufwand zu einer Zertifizierung
In der Schweiz ist es bereits mit mittleren Anstrengungen möglich, ein zertifizierbares Unternehmen zu werden. In der Schweiz müssen ohnehin strenge gesetzliche Vorgaben eingehalten werden und die Normen fordern keine so dokumentenlastige Systemhandbücher mehr wie früher. Trotzdem dürfte sich der Aufwand nur für das Ziel, ein Zertifikat zu erreichen, nur in ganz wenigen Fällen lohnen. Interessanter wird es, wenn ein Managementsystem effektiven Nutzen bringt. Wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass das System von der obersten Leitung einer Organisation aktiv unterstützt und getragen wird. Sie soll die Stossrichtung vorgeben und das Managementsystem nach innen vertreten. Damit das aufgebaute System schlussendlich im Alltag lebendig wird und bleibt, ist aber die frühzeitige Beteiligung von Mitarbeitenden aus allen Stufen wichtig. Auf den unteren Stufen werden schliesslich die konkreten Massnahmen geplant und umgesetzt.
Von Vorteil ist meist auch, die nötigen Elemente nicht einfach auf Bestehendes aufzusetzen, sondern sie, wo möglich, mit vorhandenen Abläufen und Dokumenten zusammenzulegen. Bei dieser Gelegenheit sind historisch gewachsene Abläufe und Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren. Jedes Managementsystem sollte also individuell auf die Gegebenheiten einer Organisation abgestimmt sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass das aufgebaute System auch wirklich Wirkung entfaltet und der ganze Ertrag nicht «nur» aus einem Zertifikat besteht.
Fazit
Ein dem Unternehmen angepasstes Managementsystem ist deutlich mehr als reines Marketing, es ist in erster Linie ein Führungssystem und dient dem umfassenden Erfolg einer Organisation. Die damit erzielten Resultate und «Nebenprodukte» wie Zertifikate, Berichte, Leistungsverbesserungen etc. sind aber, geschickt genutzt, wertvoll für die Marketingabteilung.