Mehr als ein Apfeltag

Dort, wo Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Leistungsträger und nicht als Kostenfaktor einstufen, hat die Einführung eines Betrieblichen Gesundheits-Managements (BGM) gute Chancen.

Mehr als ein Apfeltag

 

 

 

Das Interesse am Betrieblichen Gesundheits-Management ist gross. Die Antworten von 270 Teilnehmern einer Online-Befragung im März 2013 durch die Praxis-Brücke Seminare AG, Rheinfelden, und die Motio AG, Lyss, geben einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Schweizer KMUs.

Hohe Zustimmung

 

92 Prozent der Befragten interessieren sich persönlich für Themen rund um das BGM. Das ist nicht verwunderlich. Immer öfter hinterlassen die hohen beruflichen Anforderungen und der damit verbundene Leistungsdruck Spuren bei jedem Einzelnen. 41 Prozent erleben ihren Beruf als psychisch und nervlich belastend. Die häufigsten psychosozialen Risiken sind Stress, Zeitdruck, Nervosität und Spannungen am Arbeitsplatz. Mobbing als besonders schwerwiegendes Risiko kommt relativ häufig vor. Die Absenzenzahl pro Vollarbeitnehmer liegt in der Schweiz, je nach Branche, zwischen sechs und elf Tagen und alleine durch Stress entstehen jährliche Kosten in Höhe von 4,2 Millionen CHF, so die aktuellen Zahlen von Gesundheitsförderung Schweiz.

 

57 Prozent der Betriebe, die sich an der Umfrage beteiligten, beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und über die Hälfte der Befragten sind Führungskräfte, Betriebsleiter, HR-Verantwortliche und Mitglie

 

PersönlicheBetroffenheit

 

der der Geschäftsleitung. Gerade das mittlere und obere Management steht auf der einen Seite selber stark unter Druck und hat auf der anderen Seite Vorbildfunktion. Die Führungskräfte sind die Schlüsselpersonen, wenn es um die Leistungsbereitschaft, das Arbeitsklima und die Betriebsgesundheit geht.

Breitere Sicht erforderlich

 

70 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen die Notwendigkeit und den Nutzen eines BGM in ihrem Unternehmen (Grafik 1). Viele verbinden jedoch mit dem Begriff BGM lediglich Arbeitssicherheit oder direkte gesundheitspräventive Einzelmassnahmen – Beispiel: «An apple a day keep the doctor away.» Diese Aktionen mögen für den Kurzfristbereich gangbare Lösungen sein. Hinter einem modularen BGM steckt jedoch mehr als die Einführung eines «Apfeltages». Das ist der Grund, warum ein nachhaltiges und langfristig angelegtes, kosteneinsparendes BGM von Anfang an die Strukturen einer Organisation, deren Prozesse und nicht zuletzt deren Kultur im Blick hat – denn die Einführung eines Gesundheits-Managements geht regelmässig mit einem Kulturwandel einher.

Wenn Zeit und Informationen fehlen

 

Ein gutes Stimmungsbild geben die Antworten darauf, was die Unternehmen bisher daran gehindert hat, ein modulares Betriebliches Gesundheits-Management einzuführen. Eine Möglichkeit der Interpretation von Grafik 2 ist, dass die Belegschaften und Führungskräfte in KMU bereits am oberen Limit arbeiten und es für neue Themen keinen Raum gibt – mit allen Risiken für den Einzelnen. Die fehlenden Zeitressourcen scheinen dabei ein grösserer Hinderungsgrund zu sein als der Kostenfaktor. Ausserdem fehlen einigen Unternehmen detaillierte Informationen rund um die Einführung eines Betrieblichen Gesundheits-Managements. Hier könnten regelmässige Branchennetzwerke als Plattform zur Informationsgewinnung und zum Austausch eine gangbare Lösung sein.

 

Interessant war auch die Reaktion auf die Frage: Wie viel Verantwortung sollte ein Unternehmen für die Gesundheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen? 74 Prozent sind der Meinung, dass sich das Unternehmen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus um die Gesundheit kümmern sollte (Grafik 3). Das Ergebnis ist wohl deshalb so eindeutig, weil, wie bereits oben erwähnt, Stress, Leistungsdruck und die Konflikte im beruflichen Umfeld in direkte Verbindung mit der Gesundheit der Mitarbeitenden gebracht werden.

Spürbarer Nutzen für alle

 

Das Potenzial, das ein gut eingeführtes Betriebliches Gesundheits-Management in sich birgt, ist mehrdimensional. Das zeigen auch die Antworten auf die Frage nach den Chancen eines BGMs für ein Unternehmen: Jeder der 270 Teilnehmer hat im Durch

 

BGM – multipler Bedürfnispool

 

schnitt sechs Chancen angekreuzt. Das verdeutlicht, dass hinter dem Thema BGM ein multipler Bedürfnispool steckt (Grafik 4).

 

Und was hat der Arbeitgeber davon? Gemäss Gesundheitsförderung Schweiz können zwischen zwölf und 34 Prozent der Absenzen gesenkt werden. Bei 100 Mitarbeitern kann das pro Jahr zwischen 50’000 und 150’000 CHF ausmachen. Ausserdem erhöht ein gutes Arbeitsklima fast automatisch die Motivation und dadurch die Produktivität. Ein weiterer Punkt ist die Humanisierung der Arbeit, wenn Arbeitsprozesse an die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angepasst werden. Dadurch gilt der Arbeitgeber im Markt als «attraktiv» und sichert sich so seine Wettbewerbsfähigkeit.

 

Für Hanspeter Fausch, Geschäftsführer Praxis-Brücke Seminare, ist klar: «BGM ist ja eigentlich ein Thema mit hohem ‹Sexappeal›. Das haben laut unserer Umfrage auch schon etliche KMUs entdeckt – aber eben noch nicht alle. Die Attraktivität von BGM ist vielschichtig und um es mit einer Metapher auszudrücken: Hier liegt das Geld quasi auf der Strasse. Wer das erkannt hat, kann am Schluss sagen: Es haben alle gewonnen! Der Mitarbeiter verbessert seine Gesundheit und der Arbeitgeber hat spürbare Einsparungen in Form von weniger Absenzen und Fluktuation sowie eine nachweislich erhöhte Produktivität.»

 

Ein grosser Teil der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, führt bereits Bausteine eines modularen Gesundheits-Managements durch und einige haben bereits erkannt, dass BGM – neben einzelnen gesundheitsfördernden Massnahmen – in erster Linie etwas mit Organisationsentwicklung, Prozessoptimierung und Analyse der Abläufe zu tun hat (Grafik 5).

Grundlagen verbessern

 

Zur Frage, wie motivierte KMUs einen guten Einstieg in die Betriebsgesundheit finden, meint Hanspeter Fausch: «Mit dem ersten Gebot steht und fällt das Projekt: Die Betriebsgesundheit muss zur ‹Chefsache› erklärt werden, um nachhaltige und spürbare Ver

 

Strategie, die sich auszahlt

 

besserungen zu erzielen. Bevor über passende, gesundheitsförderliche Massnahmen diskutiert werden kann, werden mit einer soliden Analyse die innerbetrieblichen Gegebenheiten erfasst. Viele holen sich dazu externe Unterstützung, um die Strategie, die Prozesse und die Unternehmenskultur mit dem Blick von aussen zu durchleuchten, um Ansatzpunkte zu finden und um eine Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. Erst dann wird entschieden, welche Interventionen und Veränderungen zur individuellen Situation des Unternehmens passen.»

 

Fazit: Ein BGM ist dann Erfolg versprechend, wenn von Anfang an der Blick auf die gesamte Organisation gelegt wird mit ihren Strukturen und Prozessen, den Menschen und ihrer individuellen Unternehmenskultur.

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