«Management mit ‹Quality Gates› bewährt sich»
Spitzenprodukte, Kundennähe und Flexibilität sind tragende Pfeiler des Stadler-Erfolgs im internationalen Bahngeschäft. Was unternimmt das SQS-zertifizierte Unternehmen zur Gewährleistung dieses Anspruchs im Qualitäts-, Sicherheits- und Umweltmanagement? Welche Rolle spielen dabei «Quality Gates»?
Prof. Max W. Twerenbold sprach mit Urs Sturzenegger, Bereichsleiter QEHS-Mgmt. Stadler Altenrhein AG & CHStandorte, Mitglied der Geschäftsleitung
Herr Sturzenegger, was ist eigentlich das Spezielle im Zug-Geschäft?
Kundenseitig sind es die unterschiedlichsten Wünsche an die Produktgestaltung und die langen Vertragslaufzeiten. Technisch gesehen liegen die Hauptmerkmale im Schienenfahrzeugbau in der Langlebigkeit der Produkte, in der Komplexität der Fahrzeuge und, damit verknüpft, in der engen Zusammenarbeit der involvierten Projektteams und damit auch in den unterschiedlichen interkulturellen Bedingungen.
Stadler ist erfolgreich unterwegs…
Die Stärke von Stadler liegt nicht nur im Produkt, sondern auch in der Art, wie die Kunden bedient werden. Flexibilität, Kundennähe und das Erfüllen spezieller Kundenwünsche sind die Stadler-Trümpfe im Wettbewerb. Um die Marktvorteile für uns optimal auszuschöpfen, wird in die Produktentwicklung gezielt investiert.
Welche Qualitäts-Meilensteine passiert ein Stadler-Zug von der Entwicklung bis auf die Schiene?
Die Qualitäts-Validierungen, auch in Form von Typentests, sind erst erledigt, wenn das Fahrzeug beim Kunden abgeliefert ist. Damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden können, durchlaufen die Fahrzeuge vorher unterschiedlichste Testanordnungen. Dazu gehören auch Klimatests mit – je nach Land – extremen Schwankungsbereichen von –50 bis +70 Grad Celsius. Luftfeuchtigkeits-Tests sind ein weiteres Kriterium, besonders bei Zügen, die in Meeresnähe in salzhaltiger Luft verkehren.
Nach Auslieferung folgt der Produktbetreuungsprozess in der Garantiephase. Hier wird das Fahrzeug beobachtet, und es fliessen auch Verbesserungen ein. Der ganze Prozess wird derzeit mit dem Konzept sogenannter «Quality Gates» verfeinert. Ziel ist, Fehler in der Entwicklungsund Produktionsphase früh zu erkennen. Das spart Geld. Gelingt es überdies, allfälligen Änderungsbedarf früh zu erkennen, so ergibt sich ein weiteres Sparpotenzial, weil die Herstellung und die Fahrzeugnutzung nicht mehr tangiert werden. Das StadlerKonzept mit den «Quality Gates» hat sich gut eingeführt und wird stetig weiterentwickelt.
Stadler kann ein Bündel von Zertifikaten vorweisen…
Die Zertifizierungen nach DIN EN 15085-2 Schweissen und DIN 6701-2 Kleben sind international vorgeschriebene bahnspezifische Standards; Es sind also «Musts» für die Zulassung als Akteur im Bahngeschäft. Die SQS-Zertifizierungen nach ISO 9001, 14001, OHSAS18001 und 3834-2 erlangten wir, weil diese Zertifikate auftraggeberseitig unerlässlich sind. Die Normen 14001 (Umwelt) und OHSAS18001 (Sicherheit) entsprechen überdies unserer unternehmerischen Verantwortung für Umwelt sowie für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Was unternehmen Sie punkto Arbeitssicherheit?
«Sicher zum Zug» heisst unser Projekt für integrierte Sicherheit, das wir in Zusammenarbeit mit der SUVA an allen CH-Standorten lanciert haben. Anlass dazu gab eine sorgfältige Analyse der Unfallzahlen mit dem Resultat zu hoher Werte, insbesondere bei Augenund Schnittverletzungen sowie Verletzungen infolge Stolperns. Mit dieser SUVA-Initiative können wir das Sicherheitsdenken jedem Mitarbeiter besser vermitteln. Seminare und Begehungen mit Sicherheitsanalysen in den Betrieben unterstützen diese Zielsetzung. Die Resultate unseres gemeinsamen Bemühens sind ermutigend: Die Unfallzahlen stabilisieren sich auf tieferem Niveau. Ein weiterer Schritt erfolgte 2014 mit dem Beitritt zur SicherheitsCharta der SUVA («250 Leben schützen» http://www.sicherheits-charta.ch). Hier geht es beispielsweise um sofort verständliche Appelle wie «STOP bei Gefahr – Gefahr beheben – Weiterarbeiten». Damit dieser Spirit das ganze Unternehmen durchströmt, wurde die Charta von den Teamleitern bis zur Geschäftsleitung unterzeichnet und sichtbar plakatiert. Die Einführung solcher Programme braucht Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und Geduld auf allen Ebenen. Anker dafür sind die Sicherheitsbeauftragten an jedem Standort. Die SUVA hat wirklich ausgezeichnete Programme und Kampagnen, die unterstützen. Das Thema «Betriebliches Gesundheitsmanagement» wird zusammen mit dem HR-Bereich ein nächstes anzustrebendes Ziel sein.
Wie sehen Sie den Zusammenhang von Qualität und Sicherheit?
Die Themen Sicherheit und Qualität sind sehr eng miteinander verzahnt. Richtig interpretiert, geht es nicht nur um technische Sicherheit, sondern um Sicherheit am Arbeitsplatz. Wer Arbeitsplatzsicherheit verspürt und am Arbeitsplatz auch sicher arbeiten kann, erbringt erfahrungsgemäss bessere Leistungen. Das ist uns sehr wichtig. Und wir stellen fest: Wer an einem Stadler-Zug arbeitet, identifiziert sich gerne mit seinem Produkt.
Wie ist das Q-Management organisiert?
Der Leiter QEHS ist Mitglied der GL und vertritt dort verantwortlich verschiedene Traktanden. Die Qualitätssicherung ist in den einzelnen Bereichen angesiedelt mit fachlicher Zuordnung beim Leiter QEHS. Seit einem Jahr arbeiten wir überdies mit sogenannten KoPAS (Kontaktpersonen zur Arbeitssicherheit). Die Standorte Bussnang und Winterthur haben eine ähnliche Struktur mit eigenen Q-Spezialisten.
Was läuft in der Q-Schulung?
Die interkulturelle Prägung der meisten Stadler-Grossprojekte ruft nach besonderen Massnahmen. Der Minsker Auftrag machte dies deutlich. Die Projekt-Mitarbeiter aus Minsk kamen in die Schweiz, wurden mithilfe von Dolmetschern ausgebildet und kehrten geschult zurück. Und auch Stadler entsandte Mitarbeitende nach Minsk, die vor Ort instruierten und die Typentests vornahmen. Die interkulturelle Verständigung hat in solchen Projekten grosse Bedeutung.
Mensch/Umwelt/Nachhaltigkeit – Wo liegen die Schwerpunkte?
Der Blickwinkel zur ständigen Verbesserung der Umweltleistung des Unternehmens ist bei Stadler weit offen. Systematisch und regelmässig erhobene Umwelt- und Sicherheitskennzahlen sind Beleg dafür und sorgen für eine klare Faktenlage. Beispiele dazu: Verbrauch fossiler Brennstoffe und natürlicher Ressourcen (Elektrizität, Erdgas, Trinkwasser), Abfall (Restmüll, Altmetall, Sondermüll usw.), Umweltkennzahlen (Anzahl Störfälle, Beanstandungen usw.), Sicherheitskennzahlen (Anzahl BU, NBU, usw.). Das Thema Nachhaltigkeit und Qualität betrifft natürlich auch die Lieferanten in der Wertschöpfungskette. Stadler evaluiert deshalb potenzielle Lieferanten nicht im Internet, sondern vor Ort. Lieferfähigkeit und Lieferqualität können nur so treffend eingeschätzt werden. Sorgsames Umweltmanagement manifestiertsich einerseits in der Produktion der Züge, andererseits aber im Verkehrsalltag der Komposition. Und hier fällt die Bilanz für StadlerFahrzeuge überzeugend aus, wie in einem Bericht der Eisenbahnrevue (Nummer 2/2015) über die EVU-Westbahn in Österreich festgehalten wird: «Mit der geringeren Geschwindigkeit ergeben sich bei der EVU-Westbahn wesentlich günstigere Energieverbrauchswerte. Eine RJ-Einfachgarnitur mit 481 t Leergewicht benötigt zwischen Wien und Salzburg, abhängig von der Fahrweise, zwischen 3400 und 4000 kWh. Ein Stadler-Westbahnzug (350 t) kommt mit 2500 KWh aus. Da eine Megawattstunde zwischen 100 und 127 Euro kostet, ergibt sich eine spürbare Einsparung. Auch die Gleisbelastung ist bei diesen Doppelstockzügen mit einer Radsatzlast von 19t Leergewicht geringer als bei der RJ-Lok mit 22,5 Tonnen»