Lohntransparenz mit «Excellence in Fair Compensation»
Rund 33000 Mitarbeitende stehen auf der Lohnliste der SBB. Vor einem Jahr erhielt das Unternehmen das SQS-Zertifikat «Excellence in Fair Compensation». Markus Jordi, Personalchef des Unternehmens, sieht in diesem Schritt den «Lohn für die langfristige und konsequente Lohnpolitik der SBB».
Markus Jordi ist oberster Personalchef der SBB mit 33000 Mitarbeitenden aus 84 Nationen in 150 verschiedenen Berufen. Über eine Million Menschen nutzen im Durchschnitt täglich das 3024 Kilometer lange Streckennetz der SBB AG. Und jeden Tag werden durch SBB Cargo 210000 Tonnen Güter auf der Schiene transportiert. Die SBB AG ist nicht nur die grösste Reiseund Transportfirma des Landes, sondern auch eine der grössten Arbeitgeberinnen der Schweiz.
Herr Jordi, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Die SBB sind zertifiziert nach «Excellence in Fair Compensation». Welche Vorteile bringt das dem Unternehmen?
Wir freuen uns sehr über das Zertifikat. Es bestätigt von unabhängiger Seite, dass die SBB ein faires und fortschrittliches Lohnsystem haben und ein moderner und attraktiver Arbeitgeber sind. Das ist natürlich ein wichtiges Argument auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in Diskussionen mit Mitarbeitenden oder Sozialpartnern. Die Zertifizierung zeigt überdies Hebel für eine Weiterentwicklung des Lohnsystems auf. So konnten wir beispielsweise den Lohngleichheitsdialog beschleunigen und zur vollen Zufriedenheit unserer Sozialpartner abschliessen.
Was gab Anstoss, dieses Zertifikat anzustreben?
Als ehemaliger Bundesbetrieb verfolgten die SBB schon immer eine sozialverantwortliche Personalpolitik. Im Wandel hin zu einem marktwirtschaftlichen Unternehmen haben wir natürlich auch das Lohnsystem angepasst. Nach langjährigen, anspruchsvollen Verhandlungen mit den Sozialpartnern führten wir 2011 ein neues, modernes, leistungs- und marktorientiertes Lohnsystem ein. Dieses Lohnsystem wollten wir von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen und damit eine Vorreiterrolle auf dem Arbeitsmarkt einnehmen. Wir sind stolz, das erste Unternehmen zu sein, welchem die SQS Lohngleichheit bezüglich Geschlecht, Alter und Nationalität attestiert. Insbesondere im Vergleich zwischen den Geschlechtern sind die SBB führend in der Schweiz: Das Unternehmen bezahlt Frauen und Männern die gleichen Löhne für gleichwertige Arbeit. Im gesamtschweizerischen Durchschnitt verdienen Frauen gemäss Bundesamt für Statistik nach wie vor rund 20% weniger als ihre männlichen Kollegen.
Wie erfolgte die Entscheidungsfindung dazu?
Rasch war klar, dass die SQS als führende, unabhängige Organisation für uns der richtige Partner ist. Mit der umfassenden Überprüfung und dem modularen Aufbau der Zertifizierung bietet die SQS das beste Produkt auf dem Markt.
Und wer fällte letztlich den Entscheid?
Der Entscheid wurde auf oberster Human-Resources-Stufe, im sogenannten HR Board, gefällt. Das HR Board setzt sich zusammen aus den HR-Leitenden der Divisionen und bildet so die Geschäftsleitung des Konzernbereichs Human Resources. Ich selber leite dieses Gremium.
Welche Interessengruppen wurden in das Projekt eingebunden?
Es war ein Projekt der HR-Leitung.
Wie setzte sich das Projektteam zusammen?
Das Projekt wurde vom Leiter «Compensation & Benefits» geführt. Im Projektteam waren die Leiterin Personalpolitik und
«Die Sozialpartner sind erfreut»
Fachspezialisten aus den Bereichen Compensation & Benefits, Personalmarketing und Kommunikation vertreten.
Kurz zusammengefasst: Wie ist das SBB-Lohnsystem aufgebaut, um «Lohngerechtigkeit in Bezug auf das Geschlecht, das Alter und die Nationalität» zu erreichen?
Die SBB beschäftigen rund 33000 Mitarbeitende in rund 150 Berufen. Etwa 80 Nationalitäten sind vertreten. Das Unternehmen hat einen Gesamtarbeitsvertrag mit vier Vertragspartnern abgeschlossen (SEV, VSLF, transfair und KVöV). Der Organisationsgrad (Gewerkschaftsmitgliedschaft) ist mit ca. 60% sehr hoch. Jede Funktion wird mit einem Anforderungsprofil einem Anforderungsniveau zugeordnet. Insgesamt kennen wir 15 verschiedene Anforderungsniveaus (Funktionsstufen). Das Anforderungsniveau der Funktion bestimmt das Lohnspektrum und damit Mindestund Maximalhöhe des Lohnes. Der Lohn wird nach klaren Kriterien festgelegt: Basis bilden die Ausbildung und die nutzbare Erfahrung der Bewerberin oder des Bewerbers sowie der interne und externe Vergleich. Weder das Geschlecht noch die Nationalität spielen dabei eine Rolle. Die Lohnentwicklung ist abhängig vom Anforderungsniveau, von der Erfahrung, der Leistung sowie den mit den Personalverbänden verhandelten, verfügbaren Mitteln. Die Lohnentwicklung erfolgt im Rahmen der jährlichen Lohnrunde jeweils auf den 1. Mai.
Welche Kriterien mussten die SBB dabei beachten und überprüfen?
Die Beurteilung basiert auf einer umfassenden Analyse über die gesamte Berufsvielfalt (10 Branchen, 150 Berufsgattungen) der SBB. Dabei wurden Reglemente, Prozesse und Vergütungszahlungen berücksichtigt. Die Zertifizierung umfasst sowohl GAV- wie auch OR-Anstellungsbedingungen.
Wie verläuft das Zertifizierungsprozedere genau?
Spezialisten der acbe (Association of Compensation & Benefits Experts) haben die Überprüfung im Auftrag der SQS durchgeführt. Die SBB haben den Auditoren sämtliche Grundlagendokumente offengelegt (zum Beispiel GAV, Weisungen, Prozessbeschreibungen, Checklisten, Handbücher etc.). Die Experten überprüften sämtliche Lohndaten aller Mitarbeitenden, selbstverständlich vertraulich. Es fanden diverse ge
«Über 150 Berufsgattungen und 80 Nationalitäten»
meinsame Workshops statt, um die Ergebnisse und offene Fragen zu besprechen.
Was bedeutet in der Praxis die Feststellung «Bei den SBB herrscht jetzt Lohntransparenz»?
Bei den SBB sind die Lohnspektren pro Anforderungsniveau für jedermann einsehbar (im Intranet verfügbar). Auch die jährliche Lohnentwicklung wird pro Anforderungsniveau und abhängig von der Zielerreichung offengelegt (Tabelle ist im Intranet aufgeschaltet). Zudem sind sämtliche Grundlagendokumente im Intranet verfügbar.
Sie haben das Zertifikat erst seit einem Jahr. Können Sie schon von ersten Erfahrungen berichten – vom System her, vom Management her, von den Mitarbeitern her, von den Sozialpartnern her und von der «Öffentlichkeit» her?
Seit der Zertifizierung im Oktober 2015 haben wir intern sehr viele positive Reaktionen erhalten. Es meldeten sich aber auch Mitarbeitende, die mit ihrer persönlichen Situation unzufrieden sind oder sich über die Lohnentwicklung beschweren. Unsere Sozialpartner sind erfreut über das Zertifikat und bestätigen, dass bei der SBB keine Diskriminierung stattfindet. Rückmeldungen von den Öffentlichkeit haben wir bisher nicht erhalten.
Rückblickend: Welche Schritte brauchten am meisten Zeit?
Wir haben einen sehr umfassenden GAV und ein umfangreiches Regelwerk. Die Auditoren waren vom Umfang der Unterlagen überrascht. Der Aufwand für die detaillierte Prüfung sämtlicher Texte war deutlich höher als ursprünglich erwartet. Auch das Datenvolumen von 33000 Mitarbeitenden stellte eine grosse Herausforderung dar.
Und was war die Knacknuss im Projekt?
Die Knacknuss war eindeutig die Analyse bezüglich Altersdiskriminierung. Die SBB werden die durch das neue Lohnsystem entstandenen Lohngarantien entsprechend weiter abbauen. Besonders gefreut hat uns das Resultat der Analyse bezüglich Lohngleichheit von Männern und Frauen. Hier haben wir mit einer Abweichung von 0,3 % schweizweit ein Glanzresultat erreicht. Fazit: Das Zertifikat bestätigt die SBB als modernen und attraktiven Arbeitgeber und belohnt die SBB für ihre langfristige, konsequente Lohnpolitik.