«Lohnt sich in jedem Fall»

Nehmen Unternehmen ihre soziale Verantwortung genügend wahr? Oder sind die unzähligen Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit und Ökologie nur Staffage für ein positives Image? Dass Corporate Social Responsibility heute Teil einer Unternehmensstrategie sein muss, ist für viele noch nicht selbstverständlich – aber für immer mehr

«Lohnt sich in jedem Fall»

 

 

 

Sie ist ein sogenannt «weicher Faktor»: Die soziale und ökologische Verantwortung eines Unternehmens. Entsprechend schwer mit diesem Begriff tun sich jene, die hinter allem und jedem letztlich eine monetäre oder anderweitig messbare Grösse verlangen. Doch Corporate Social Responsibility wird immer mehr zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für Unternehmen, wie wir im Gespräch mit Prof. Dr. Jürg Krummenacher erfahren. Er ist Dozent am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern und leitet dort das Kompetenzzentrum Public and Nonprofit Management. Als Studiengangsleiter des CAS Corporate Social Responsibility befasst er sich intensiv mit praktischen Fragen rund um dieses Thema.

Es gibt zwar eine Norm bzw. einen Leitfaden ISO 26000 zu Corporate Social Responsibility, zertifizierbar ist dieser Standard jedoch nicht. Inwiefern ist CSR also bloss «nice to have»? Oder worin besteht denn die Relevanz von CSR für Unternehmen?

 

Jürg Krummenacher: Fragen rund um die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmensführung haben an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Konsumenten achten beispielsweise darauf, dass die Firmen, bei denen sie einkaufen, sozial verantwortlich handeln und umweltgerecht hergestellte Produkte anbieten. Dies zu gewährleisten, gehört heute zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung.

Wie kann diese Corporate Social Responsibility etwa für ein KMU konkret aussehen?

 

Für mich fängt CSR im Betrieb an. Es gilt, den Mitarbeitenden Sorge zu tragen, faire Anstellungsbedingungen zu bieten oder auch eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Die Möglichkeit von Teilzeit-Arbeit gehört für mich ebenfalls dazu sowie die Unterstützung von Mitarbeitenden, die sich in der Freiwilligenarbeit engagieren. Vieles davon geht oft vergessen, gehört aber zur sozial verantwortlichen Unternehmensführung. Aber auch der schonende Umgang mit Ressourcen gehört dazu sowie eine ökologisch verträgliche Lieferkette. Ferner können sich Unternehmen auch aktiv selbst freiwillig engagieren, etwa, indem sie Arbeitstage für Freiwilligenarbeit zur Verfügung stellen, eigene Aktionstage, z. B. Einsätze zugunsten der Umwelt durchführen, oder auch soziale Einrichtungen durch Spenden unterstützen. Das Vergeben von Aufträgen an Behindertenwerkstätten ist eine weitere Möglichkeit, soziale Verantwortung aktiv zu zeigen. Sie sehen: Es gibt verschiedenste Formen.

Wie sehen Sie dies in der Praxis? Sind Schweizer Unternehmen diesbezüglich gut «unterwegs»?

 

In meinem Umfeld stelle ich fest, dass das Bewusstsein für soziale Verantwortung gewachsen ist. Im Kanton Luzern etwa existiert ein eigenes Netzwerk «Unternehmen mit Verantwortung». Zugegeben: Es würde noch einiges mehr drin liegen. Aber insgesamt ist das Interesse an CSR-Aktivitäten gross.

 

Ist es nicht so, dass Unternehmen halt überall auch einen «Return on Investment» sehen wollen, auch bei ihren sozialen Aktivitäten? Anders gefragt:

Lohnt sich CSR überhaupt und wenn ja, wie?

 

Corporate Social Responsibility lohnt sich in jedem Fall. Nehmen wir etwa das Beispiel, den Stromverbrauch zu reduzieren. Dies wirkt sich unmittelbar monetär aus. Oder auch ein gutes Arbeitsklima: Es kommt zu weniger Absentismus, man hat insgesamt gesündere Mitarbeitende. Und die Personalfluktuation nimmt ab. Wer ein positives Image transportieren kann, gilt als attraktiver Arbeitgeber. Dies alles wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Aber lassen sich die Auswirkungen auch beziffern?

 

Durchaus. Die Swisscom etwa bietet ihren Kunden eine neue TV-Box, die um 40 Prozent weniger Strom verbraucht als die alte Version. Das Unternehmen zeigt damit, dass es ökologische Verantwortung übernimmt, die auch messbar ist.

Die Hochschule Luzern bietet nun einen CAS Corporate Social Responsibility an. Worin bestehen die wichtigsten Eckpfeiler?

 

Unser CAS ist inzwischen sehr erfolgreich; derzeit nehmen 23 Personen daran teil. Wir können fast schon von einer Art «Luzerner Modell» sprechen, denn nur die ZHAW bietet neben uns einen vergleichbaren CAS. Dieser ist jedoch mehr auf Sozialmanagement ausgerichtet. In unserem Luzerner CAS legen wir Wert darauf, zu vermitteln, dass CSR ein Teil der Management-Aufgabe und als solcher nicht delegierbar ist. Gleichwertig wie die soziale Verantwortung wird auch die ökologische Nachhaltigkeit behandelt. Zudem werden auch Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit beleuchtet. Die Referenten kommen abgesehen von Dozierenden aus unterschiedlichen Departementen der Hochschule Luzern, alle aus der Privatwirtschaft oder von staatlichen wie auch von Non-Profit-Organisationen.

Als Teil der Management-Aufgabe: Wie lässt sich CSR in Management-Systeme einbauen?

 

Es muss in erster Linie darum gehen, soziale Verantwortung strategisch anzugehen. Das heisst: Zunächst gilt es zu analysieren, wo ein Unternehmen steht, und Chancen und Risiken zu identifizieren. Daraus muss dann die CSR-Strategie entwickelt werden, entweder separat oder als Teil der Gesamt-Unternehmensstrategie. Wichtig ist immer auch ein Monitoring.

Oft werden ja schöne Konzepte ausgearbeitet, die dann aber irgendwo in einer Schublade verschwinden. Wie erleben Sie dies in Ihrem Erfahrungsbereich? Ist dem so?

 

Wir sehen, dass jene Unternehmen, welche CSR praktizieren, sehr bewusst damit arbeiten. Auch monetäre Kennzahlen werden ausgewiesen.

Welche Rolle spielen nun Standards wie ISO 26000 oder SA8000?

 

Klar werden diese bei uns auch unterrichtet. SA8000 ist ein internationaler Standard für Arbeitsbedingungen, definiert durch die ILO (International Labour Organization). Die Richtlinien gemäss UN Global Compact sind für uns ebenfalls wichtig und werden auch geschult. Es ist aber Sache der Unternehmen, welchen Standards dann gefolgt werden soll.

 

Insgesamt ist das Interesse an CSRAktivitäten gross.

Wie sehen Sie die Verbindlichkeit, solchen Standards zu folgen? Ist das Prinzip der Freiwilligkeit ein taugliches Mittel oder braucht es dennoch einen gewissen regulatorischen Druck?

 

Die Freiwilligkeit halte ich grundsätzlich für gut. Schwarze Schafe gibt es leider überall, ich denke da etwa an die Rohstoff-Industrie. Umstritten ist dort die Frage, wie die Haftung bei massiven Umweltschäden aussehen soll. Da steht auch die Schweiz als wichtige Drehscheibe des Rohstoff-Handels in der Verantwortung. Darin liegt auch der Grund für die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», über die wir voraussichtlich in ein bis zwei Jahren abstimmen dürfen.

Abgesehen davon, was passiert, wenn diese Initiative angenommen würde: Wie können Unternehmen CSR «lernen»? Was kann hier ein CAS wie jener der HSLU wirklich vermitteln?

 

Der Vorteil unseres CAS besteht in einem umfassenden Überblick über Instrumente der CSR, auch vermittelt er viel Reflexion über das eigene Verhalten. Wir führen das CAS inzwischen zum vierten Mal durch. Das Echo aus den Unternehmenskreisen ist äusserst positiv; bereits 80 Absolventen haben den Lehrgang abgeschlossen.

Diese Zahl scheint mir aber angesichts der über 500 000 KMU in der Schweiz recht tief zu sein.

 

Nun ja, die Anforderungen an das CAS sind auch recht hoch. Das schränkt schon mal ein. Man muss auch sehen, dass tendenziell eher Personen aus grösseren Organisationen diesen Lehrgang belegen, weniger aus Kleinunternehmen. Kommt hinzu, dass es auch andere Zugänge zu CSR gibt, auch on-the-job. Ich stelle aber insgesamt fest, dass die Nachfrage zu diesem Thema steigt.

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